Mit dem Wachstumschancengesetz wurden auch wichtige Neuerungen für grenzüberschreitende gemeinsame steuerliche Betriebsprüfungen, sog. Joint Audits auf den Weg gebracht. Die Änderungen sollen bestehenden Nachteilen entgegenwirken und die Rechtssicherheit erhöhen, die Verwaltungszusammenarbeit harmonisieren und die Abläufe beschleunigen.
Kommt nun endlich die erhoffte Verbesserung der Rahmenbedingungen für Joint Audits?
Das Wachstumschancengesetz enthält auch bedeutende Änderungen im Hinblick auf grenzüberschreitende gemeinsame steuerliche Betriebsprüfungen, die sog. Joint Audits. Deren rechtliche Voraussetzungen sind seit dem Jahr 2013 in Deutschland im sogenannten EU-Amtshilfegesetz (EUAHiG) verankert, welches wiederum die EU-Amtshilferichtlinie (Richtlinie 2011/6/EU des Rates vom 15.2.2011) umsetzte. Brückennorm zum nationalen Steuerrecht ist bisher § 117 AO.
Unterschiedliche Prüfungsansätze sorgen für Mehraufwand
Problematisch ist, dass bisher lediglich gleichzeitige Betriebsprüfungen, also sog. Simultanprüfungen (zeitgleich jeweils lokale Prüfung, aber nicht gemeinsam), in § 12 EUAHiG explizit geregelt sind. Für eine gemeinsame Prüfung bedarf es daher noch der Heranziehung von §§ 10, 11 EUAHiG für die Anwesenheit ausländischer Bediensteter und der §§ 4-6 EUAHiG für den Informationsaustausch. Als zentrales „Verbindungsbüro i.S.d. § 3 Abs. 2, 3a I EUAHiG fungiert das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt).
Eine Herausforderung war es außerdem bislang, die durchaus unterschiedlichen Prüfungsansätze bei einer gemeinsamen internationalen Prüfung in Einklang zu bringen. Beispielsweise spielen für die deutsche Betriebsprüfung Unterlagen und Dokumente eine übergeordnete Rolle, wohingegen in anderen Staaten die Befragung von Mitarbeitern bedeutsamer ist. Die Organisation kann daher erst einmal belastend sein und im schlimmsten Fall zu einem Mehraufwand führen.
Umsetzung in nationales Recht über das Wachstumschancengesetz
Um unter anderem diesen Nachteilen entgegenzuwirken und gemeinsame Betriebsprüfungen als Instrument der Verwaltungszusammenarbeit zu stärken, wurde bereits durch die Richtlinie (EU) 2021/514 des Rates vom 22. März 2021 zur Änderung der Richtlinie 2011/6/EU über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung – sog. DAC-7-Richtlinie – festgelegt, dass die gemeinsamen Prüfungen eine eigenständige Gesetzesregelung bekommen sollen. Da Richtlinien von jedem Mitgliedsstaat eigenständig in nationales Recht umzusetzen sind, hatte die Bundesrepublik dazu bis zum 31.12.2023 Zeit. Dem sollte im Rahmen des Wachstumschancengesetzes Rechnung getragen werden, in dem die Ausführungen der Richtlinie umgesetzt wurden.
Rechtssichere Regelung der gemeinsamen Prüfung
Die größte Neuerung und sicherlich ein Meilenstein ist der neu eingefügte § 12a EUAHiG-E, durch den die gemeinsame Prüfung nun endlich rechtssicher geregelt wird. Dafür sorgt vor allem auch die im zweiten Absatz enthaltene Legaldefinition. Demnach sind unter einer gemeinsamen Prüfung „(..) behördliche Ermittlungen, die von der zuständigen Finanzbehörde gemeinsam mit der entsprechenden Behörde eines anderen Mitgliedsstaats in Bezug auf eine Person oder mehrere Personen von gemeinsamem oder ergänzendem Interesse durchgeführt werden(..)“ zu verstehen (
BT-Drs. 20/8628, 2.10.2023). Ein klarer und wichtiger Schritt in Richtung Rechtssicherheit, der die nötige Abgrenzung zur Simultanprüfung ermöglicht, die in § 12 Abs. 2 EUAHiG-E ebenfalls legaldefiniert wird.
Weitere Behörden als Verbindungsstellen möglich
Eines der primären Ziele von Joint Audits ist die schnelle und umfassende Sachverhaltsaufklärung. Daher erscheint es nur folgerichtig, dass aufgrund des Ressourcenmangels beim BZSt als für die Koordination der Prüfungen bislang exklusiv zuständige Behörde nun auch weitere Bundes- und Landesbehörden als Verbindungsstellen eingesetzt werden können. Durch § 3 Abs. 3a EUAHiG-E wird die Grundlage dafür geschaffen, dass das zentrale Verbindungsbüro (BZSt) zuständige Amtsträger der Bundes-/Landesfinanzbehörden für den Einzelfall als zuständige Verbindungsstelle benennt. Es kann künftig ein direkter Informationsaustausch stattfinden, der nicht zwingend zentral über das BZSt laufen muss.
Gemeinsamer Prüfungsbericht ohne Einigungszwang
Wie in der Praxis bisher schon üblich (wobei auch von Ausnahmen berichtet wurde), sollen die erzielten Ergebnisse gem. des vierten Absatzes in einem gemeinsamen Prüfungsbericht festgehalten werden. Allerdings besteht auch weiterhin kein Einigungszwang. Gerade dies hat sich schon in der Vergangenheit für geeignete Praxisfälle durchaus als Vorteil gezeigt. Durch die Feststellung eines abgestimmten Sachverhalts kann dieser faktisch gelöst werden oder zumindest einem schlankeren Vorabverständigungsverfahren zugeführt werden.
Die Vorteile der Neuregelung
Aus unserer praktischen Erfahrung bieten Joint Audits vielfältige Vorteile. Die Verfahren sind pragmatisch, kooperativ und können grenzüberschreitend Vertrauen aufbauen. Durch eine zeitnahe Lösung kritischer Fälle können Zinsen, Verjährungsprobleme und der zwischenzeitliche Verlust von Informationen vermieden werden. Umso erfreulicher ist es, wenn zukünftig durch eine effiziente Delegationsmöglichkeit noch bessere Rahmenbedingungen geschaffen werden.
Außerdem wird der Arbeitsaufwand dadurch reduziert, dass die Fragen abgestimmt sind und die Sachverhaltsaufbereitung nur einmalig stattzufinden hat. Das ganze Verfahren eines Joint Audits ist unseres Erachtens lösungsorientiert und nicht primär auf den Aufbau von Positionen gerichtet. Durch die Einbeziehung der Sichtweise des anderen Staates wird der Aufbau von Extrempositionen vermieden und ein besseres Verständnis eröffnet. Entscheidungen aufgrund von Vermutungen oder Annahmen werden vermieden.
Durch die Umsetzung der EU-Richtlinie kann damit – zumindest auf EU-Ebene – ein bedeutsamer Schritt im Hinblick auf Harmonisierung und damit Beseitigung der bisherigen Nachteile verzeichnet werden. Auch für Drittstaatenfälle sollen mit Einführung des § 117e AO-E und der damit einhergehenden, größtenteils analogen Anwendung der Regelungen für EU-Mitgliedsstaaten die Voraussetzungen für Joint Audits verbessert werden. Joint Audits genießen unseres Erachtens verdient politischen Rückenwind, indem Ressourcen gebündelt und priorisiert genutzt werden können.
Um es mit den
Worten des BZSt zu sagen: „Die Zukunft gehört der Streitvermeidung“ – es bleibt zu hoffen, dass dazu bald die notwendigen Rahmenbedingungen in Kraft treten. Dennoch ist es empfehlenswert, sich möglichst schon im Vorfeld, sobald sich Steuerkorrekturen im Bereich der Transferpreise abzeichnen, über die Eignung des Joint Audits im Vergleich anderer nachgelagerter Verfahren ernsthaft Gedanken zu machen.