Vorabverständigungsverfahren (Advance Pricing Agreement, „APA“) mit der Volksrepublik China können grundsätzlich eingeleitet werden, sofern eine Gesellschaft in drei Geschäftsjahren vor dem Geschäftsjahr, in dem das Verfahren angestoßen wird, mit einem verbundenen Unternehmen in China Transaktionsvolumina von mindestens 40 Mio. RMB verzeichnet hat.

Der Prozess eines APAs mit China durchläuft generell sechs Phasen:

  1. „Pre-Filing Meetings“ mit der Steuerbehörde vor der Einreichung des Antrags;
  2. Absichtserklärung („Letter of intent“);
  3. Analyse und Bewertung;
  4. Formale Bewerbung;
  5. Verhandlung und Unterzeichnung;
  6. Implementierung und Überwachung des APAs.

Abhängig davon, ob sich eine Gesellschaft für ein unilaterales, bilaterales oder multilaterales Vorabverständigungsverfahren entscheidet, werden eine oder mehrere Steuerbehörden in den Prozess involviert. In einem ersten Schritt können sich Gesellschaften für ein sog. „Pre-Filing Meeting“ bewerben, wobei die betroffenen Steuerbehörden je nach Bedarf ein oder mehrere solcher Meetings festlegen können. Im Zuge dieser Meetings wird die antragstellende Gesellschaft dazu aufgefordert, u. a. Informationen zu der betroffenen Periode, den verbundenen Unternehmen und gruppeninternen Transaktionen bereitzustellen.

Nach erfolgreichen Pre-Filing Meetings folgt der sog. „Letter of intent“, in der die antragstellende Gesellschaft in Form einer Absichtserklärung u. a. die vom APA zu erfassenden Geschäftstätigkeiten, relevante Finanz- und Rechnungslegungsberichte sowie Verrechnungspreisdokumentationen offenlegt.

Die bereitgestellten Informationen werden anschließend von den zuständigen Steuerbehörden analysiert und auf Fremdvergleichbarkeit geprüft. Während dieser „Analyse- und Bewertungs“-Phase können zusätzliche Informationen durch die Steuerbehörden angefragt werden.

Sollten aus Sicht der Steuerbehörden bestimmte Inhalte des bis dato durch die antragstellende Gesellschaft entwickelten APA-Entwurfs nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen, können entsprechende Anpassungen vorgenommen werden. Erfüllt der finale Entwurf des APAs die Bedingungen der Steuerbehörde, kann die Gesellschaft anschließend einen formalen Antrag für das Vorabverständigungsverfahren stellen.

Es folgt eine „Verhandlungs- und Unterzeichnungs“-Phase, in der alle weiteren Rahmenbedingungen, wie beispielsweise Erneuerungen, Änderungen und Streitbeilegung spezifiziert werden, woraufhin das APA in Kraft tritt. Bei bi- und multilateralen Verfahren erfolgt in dieser Phase die Verhandlung mit dem/den anderen betroffenen Staat(en).

In einem letzten Schritt wird das Vorabverständigungsverfahren implementiert, wobei sich die beteiligten Parteien verpflichten, die Implementierung zu überwachen und relevante Änderungen zu dokumentieren.

Hinweise für eine effiziente Verfahrensgestaltung

Für eine effiziente Verfahrensgestaltung ist zu beachten, dass sich der Bewertungsprozess durch die chinesischen Steuerbehörden insbesondere hinsichtlich des Timings vom Prozess in Deutschland unterscheidet. Bis zur formalen Antragstellung konzentrieren sich Steuerpflichtige in Deutschland neben der informellen Diskussion insbesondere auf das Pre-Filing Meeting. Die deutsche Steuerbehörde stellt wesentliche Anfragen noch häufig bis in die Verhandlungsphase hinein. Erfahrungsgemäß unterstützen Steuerpflichtige dabei für zumindest eine oder zwei Runden bei der Beantwortung von Fragen.

In China werden hingegen im Ablauf des APA-Prozesses nach unserer Erfahrung die meisten Fragen der Steuerbehörden in den zusätzlichen Schritten „Letter of Intent“ sowie „Analyse und Bewertung“ gestellt. Nach der formellen Antragstellung sind dagegen erfahrungsgemäß deutlich weniger Fragen durch die chinesischen Steuerbehörden – im Vergleich zum Prozess in Deutschland – zu erwarten. Aus diesem Grund ist es empfehlenswert, dass Steuerpflichtige vor einem APA-Projekt mit China die genauen Schritte in beiden Ländern unter Berücksichtigung des rechtzeitigen Einsatzes von internen und externen Ressourcen sorgfältig planen.

34 unterzeichnete Vorabverständigungsverfahren in China in 2022 – davon 19 unilateral und 15 bilateral

Die chinesischen Steuerbehörden unterzeichneten im Jahr 2022 insgesamt 34 Vorabverständigungsverfahren. Davon handelte es sich bei 19 um unilaterale und bei den verbliebenen 15 um bilaterale Vorabverständigungsverfahren. Ferner bezogen sich 8 der 15 bilateralen APAs und 3 der 19 unilateralen Verfahren auf Verlängerungsanträge. Laut eigenen Angaben hat China bislang keine multilateralen APAs unterzeichnet.

Einschließlich der im Jahr 2022 unterzeichneten Vorabverständigungsverfahren hat die Volksrepublik China seit dem Jahr 2005 insgesamt 144 unilaterale und 116 bilaterale Verfahren unterzeichnet. Während die Anzahl unterzeichneter unilateraler APAs pro Jahr zwischen 2005 und 2022 stark variierte, ist die Anzahl bilateraler APAs in diesem Zeitraum kontinuierlich gestiegen (2005: 1, 2012: 9, 2022: 15).

Vorabverständigungsverfahren nach Transaktionstypen

Eine Mehrheit (213 von 384; 55,47 %) der zugrundeliegenden Transaktionen, für die zwischen 2005 und 2022 APAs abgeschlossen wurden, bezog sich auf die Übertragung von Nutzungs- oder Eigentumsrechten an materiellen Vermögenswerten. Des Weiteren wurden insbesondere Dienstleistungen (92 von 384; 23,96 %) und die Übertragung von Nutzungs- und Eigentumsrechten an immateriellen Vermögenswerten (75 von 384; 19,53 %) im Rahmen der Verständigungsverfahren behandelt.

Vor dem Hintergrund des sich stetig wandelnden tertiären Sektors der chinesischen Wirtschaft wird erwartet, dass vermehrt Dienstleistungsunternehmen in den kommenden Jahren Vorabverständigungsverfahren anfragen bzw. in Anspruch nehmen werden.

Bilaterale Vorabverständigungsverfahren nach Region

Von den insgesamt 116 bilateralen Vorabverständigungsverfahren zwischen 2005 bis 2022 hat die Volksrepublik China 77 APAs mit Ländern aus Asien, 23 aus Europa, 15 aus Nordamerika und ein Vorabverständigungsverfahren mit einem Land aus Ozeanien unterzeichnet.

TNMM als klarer Vorreiter innerhalb der Verrechnungspreismethoden

Den von den chinesischen Steuerbehörden veröffentlichten Daten zufolge bildet die TNMM (Transactional Net Margin Method) mittlerweile die am meisten angewandte Verrechnungspreismethode in China (83,5 % der betroffenen Verrechnungspreismethoden). Die am häufigsten angewandten Gewinnkennzahlen (Profit Level Indicator) waren die EBIT-Marge und der Vollkostenaufschlag. Die chinesischen Steuerbehörden prüfen unterdessen weitere Verrechnungspreismethoden (etwa die Profit Split Methode), um insbesondere Transaktionen mit signifikanter Wertschöpfung nicht nur eines Transaktionspartners besser berücksichtigen zu können. Als zentrale Herausforderungen der Profit Split Methode und auch des CUPs (Comparable Uncontrolled Price) nennen die chinesischen Steuerbehörden hohe Vergleichbarkeitsstandards und Informationen, die für die praktische Anwendung dieser Methoden erforderlich sind.

Von den Vorabverständigungsverfahren erfasste Industrien

Die insgesamt 260 unterzeichneten Vorabverständigungsverfahren zwischen den Jahren 2005 bis 2022 in China umfassten zehn unterschiedliche Industrien. Der Großteil der Gesellschaften (203 von 260) ist im produzierenden Gewerbe tätig, gefolgt von im Groß- und Einzelhandel tätigen Unternehmen (27 von 260) sowie Leasing und gewerblichen Dienstleistungen (9 von 260).

Fazit

Der von der chinesischen Steuerbehörde veröffentlichte APA-Report liefert einen umfangreichen Einblick in den Ablauf und die Erfolgswahrscheinlichkeiten eines Vorabverständigungsverfahrens mit der Volksrepublik China und kann unterstützend dazu beitragen, Doppelbesteuerungen mit China zu vermeiden und für mehr Sicherheit im Rahmen steuerlicher Angelegenheiten zu sorgen.

Gleichwohl weisen die chinesischen Steuerbehörden im Report darauf hin, dass sie bei der Überprüfung und Bewertung von APAs strenger geworden sind und dazu neigen, Fällen mit vollständiger Wertschöpfungskettenanalyse, innovativen Analysemethoden und ausreichender quantitativer Analyse von immateriellen Vermögenswerten, Kosteneinsparungen und Marktprämien Vorrang zu geben. Die Möglichkeiten für ein erfolgreich abgeschlossenes APA mit der Volksrepublik China scheinen sich zunehmend zu verbessern. Die gilt insbesondere, wenn man es gut vorbereitet und die Unterschiede im Prozessablauf bedenkt.