Mandantengewinnung und Recruiting: das sind häufig die wichtigsten Argumente für Steuerberater, um auf LinkedIn aktiv zu werden. Mit mehr als 850 Millionen Mitgliedern ist LinkedIn das größte berufliche Netzwerk der Welt; allein in der DACH-Region nutzen es 22 Millionen Menschen. Für Steuerberater ist die Plattform daher schon allein aufgrund ihrer Reichweite und des Zielpublikums für Kommunikationsmaßnahmen sehr gut geeignet.
Durch das Vernetzen mit anderen Fachleuten, potenziellen Mandanten und Branchenexperten, lässt sich hier ein Netzwerk aufbauen, das langfristig auf das Tagesgeschäft einzahlt. Dank zunehmender Digitalisierung können Kanzleien Mandanten bequem überregional betreuen. Eine gute Sichtbarkeit in dem Business-Netzwerk ist dafür eine solide Ausgangsbasis.
Die Leser emotional abholen
Neben einem professionellen und möglichst vollständigen Profil spielt ein kreatives Content Marketing eine wesentliche Rolle – also die gezielte Kommunikation passender Inhalte.
So wie bei Steuerberaterin Stephanie Böttcher aus dem thüringischen Arnstadt. Die Fachberaterin für internationales Steuerrecht möchte sich mithilfe von LinkedIn eine Personenmarke aufbauen, um sich mit ihrem Angebot optimal am Markt zu etablieren. Außerdem nutzt sie die Plattform, um ihr Netzwerk mit Kollegen und Mandanten zu erweitern. Seit mehr als einem Jahr postet sie daher aktiv einmal pro Woche auf LinkedIn und kommentiert Beiträge anderer. Und das mitunter sehr erfolgreich.
„Es funktioniert am besten, wenn der Beitrag die Leser emotional abholt und dabei polarisiert beziehungsweise provoziert“, sagt Böttcher. So erzielte Anfang dieses Jahres einer ihrer Beiträge 77.000 Impressionen und mehr als 700 Reaktionen. Ihr Tipp: „Am erfolgreichsten ist man, wenn man ein fachliches Thema mit einer persönlichen Note provokant verknüpft.“
Regelmäßig posten & durchhalten
Neben dem Stil und dem Inhalt spielt die Frequenz der Posts eine wichtige Rolle. Insbesondere, um Sichtbarkeit aufzubauen, sind regelmäßige Beiträge entscheidend. Ein bis zweimal wöchentlich, lautet die Faustregel. Manche haben auch mit häufigeren Postings sehr gute Erfahrungen gemacht.
„Drei oder mehr Posts pro Woche sollte man unbedingt einplanen, um kontinuierlich die Reichweite auszubauen“, rät Florian Fischer, Steuerberater und Geschäftsführer bei der Fischer & Reimann Steuerberatungsgesellschaft. Er investiert jede Woche mehrere Stunden in das LinkedIn-Marketing, „weil es für die Kanzleientwicklung wichtig ist.“ Die Ausrichtungen der Posts auf dem Kanzleiprofil sind dabei komplett anders als die Posts auf seinem persönlichen Profil. „Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Authentizität“, sagt Fischer. Man solle unbedingt die Post selbst verfassen. Die User würden es relativ schnell bemerken, ob die Inhalte von einem selbst stammen oder nicht.
Als optimaler Posting-Zeitraum gelten im Allgemeinen die Tage von Dienstag bis Donnerstag. Und wer direkt morgens postet, hat besonders gute Chancen aufzufallen, da viele Menschen vor der eigentlichen Arbeit ihre sozialen Netzwerke checken. Auch die Mittagspause gilt als vielversprechend.
Leichte Themen bringen mehr Reichweite
Gleich mehrere Ziele verfolgt Steuerberater Louis Metz auf der Plattform. Der Geschäftsführende Gesellschafter der Treuhand Heidelberg Steuerberatungsgesellschaft möchte einerseits Sichtbarkeit für seine Kanzlei als Arbeitgeber schaffen, um Talente anzuziehen. Andererseits möchte er fachlichen Austausch zu Steuerthemen anregen und sich mit anderen Experten austauschen.
„Auf Beitragsebene arbeiten wir mit einem Redaktionsplan, der zwei Beiträge pro Woche vorsieht. Einer davon fachlich, der andere gibt Einblicke in unsere Kanzlei“, erläutert Metz. Diese Strategie leitet sich direkt aus den beiden Zielsetzungen ab. Bisher konnte die Kanzlei zwar noch keine Mitarbeitenden über LinkedIn finden, dafür aber neue Mandanten. Überrascht hat Metz auf LinkedIn die Erfahrung, dass „leichte“ Themen die größte Reichweite erzielen. Sein erfolgreichster Beitrag beschäftigte sich beispielsweise mit unterschiedlichen Steuersätzen beim Kauf eines Weihnachtsbaums. „Experten-Inhalte zu Steuerthemen schneiden deutlich schlechter ab“, sagt Metz. In einem wöchentlichen Brainstorming mit HR werden in der Kanzlei passende Themen identifiziert und die Beiträge so vorgeschrieben, dass stets mindestens ein Beitrag in der Pipeline ist.
Den richtigen Ton treffen und geduldig sein
„Es hilft, die eigene Experten-Sprache etwas zu regulieren. Auf LinkedIn kennen sich die wenigsten Menschen mit Steuern aus, deshalb kommen allgemeine Themen oder Themen zur Unternehmensgründung gut an“, rät Metz. Außerdem lohne sich Geduld, weil die ersten Ergebnisse erst nach ein paar Wochen oder Monaten sichtbar sind.
Darüber hinaus gilt: Steuerberater müssen auf LinkedIn stets einen professionellen und respektvollen Ton bewahren, auch wenn es vermeintlich informell zugeht – beispielsweise in den Kommentaren. Keinesfalls sollte man spezifische Mandanten-Fälle thematisieren.
Um die Informationen an die Interessenten zu bringen, bietet LinkedIn verschiedene Content-Formate, mit denen sich je nach Thema und Ziel sehr gut spielen lässt: Infografiken visualisieren beispielsweise selbst komplizierte steuerliche Zusammenhänge leicht verständlich, längere Artikel können tiefes Fachwissen vermitteln und regelmäßig gepostete Kurzbeiträge eigenen sich, um kontinuierlich über Neuigkeiten zu informieren. Videos werden gern eingesetzt, um besondere Aufmerksamkeit und Emotionalität zu generieren.
Wichtige Stütze im Social-Media-Mix
Doch LinkedIn eignet sich nicht nur, um sich allein auf dieser Plattform ins Gespräch zu bringen. Clever in eine Social-Media-Strategie eingebunden, lassen sich auch Inhalte auf anderen Plattformen promoten und die Reichweite zusätzlich ausbauen.
Andreas Reichert, ebenfalls Steuerberater bei Fischer & Reimann, nutzt seine eigene Reichweite und die Reichweite des Kanzlei-Accounts, um einen Podcast und eine YouTube-Serie zu promoten. Mit dem Podcast „Enno Beckers Erben“ und der YouTube-Reihe „5 Steuertipps in 5 Minuten“ sollen seit wenigen Monaten neue Mandanten gewonnen werden. Dazu wurde für LinkedIn ein Redaktionsplan etabliert, der die Beiträge über den persönlichen Account und den der Steuerberatungsgesellschaft sinnvoll verteilt. Die Follower-Zahlen entwickeln sich seitdem positiv. „Während ich vorher durch gezielte Ansprache von LinkedIn-Usern aus dem Steuerbereich neue Kontakte gewann, mache ich das heute nicht mehr. Die Follower kommen von selbst“, sagt Reichert. Und obwohl die Reichweite auf YouTube und den Podcast-Kanälen noch sehr bescheiden ist, konnten auch dort erste Fans generiert werden. Seinen Branchen-Kollegen würde er aus eigenen Erfahrungen folgende Tipps mit auf den Weg geben: Man solle sich über die Ziele klar werden, mindestens einmal wöchentlich zielgerichtet posten, nicht aufgeben! Ebenso könne es hilfreich sein, sich auf LinkedIn umzuschauen, worauf und wie die Zielgruppe reagiert. Nicht zuletzt sei es wichtig, die eigenen Zahlen im Blick zu haben. „Aber man sollte dabei nicht nur auf die Zahlen achten, sondern auch schauen, wer die Beiträge likt“, sagt Reichert.
Die Praxisbeispiele zeigen: Eine durchdachte Nutzung dieser Plattform kann die Sichtbarkeit verbessern, die Kanzlei- oder auch die Personen-Marke stärken und neue Mandanten ansprechen. Als Baustein einer modernen Kanzlei-Kommunikation dürfte LinkedIn im Zuge fortschreitender Digitalisierung daher in der Steuerbranche weiter an Bedeutung gewinnen.