Softwareanbieter integrieren zunehmend KI-Funktionalitäten in ihre Lösungen. Während diese Automatisierung „on the flight“ erfolgt, kann KI ebenso separat eingesetzt werden, um Prozesse im Steuerberatungsalltag zu optimieren. Doch das birgt auch Tücken.
Papierbelege, Pendelordner und manuelle Analysen verschwinden zusehends aus den Steuerkanzleien. Seit Jahren beschleunigt die Digitalisierung die internen Prozesse, verbessert die Mandanten-Kommunikation und verschafft den Steuerberatern mehr Zeit für ihr Kerngeschäft – die Beratung. Künstliche Intelligenz kann die Effizienzsteigerungen der Digitalisierung nun auf die nächste Stufe heben und somit auch die Qualität der menschlichen Beratung weiter verbessern. KI-gestützte Lösungen sind aktuell dabei, sämtliche Facetten der Steuerberatung zu durchdringen. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig.
Belege und Umsätze mit KI zuordnen und verarbeiten
Im Bereich der Belegverarbeitung spielen KI-gestützte Lösungen schon seit geraumer Zeit eine zunehmend wichtige Rolle. Die traditionelle manuelle Erfassung und Kategorisierung von Belegen, die nicht nur zeitintensiv, sondern auch fehleranfällig ist, wird durch automatisierte Systeme ersetzt, die auf künstlicher Intelligenz basieren. Diese Tools können Belege in Sekundenschnelle scannen, Daten extrahieren und sie entsprechend den steuerrechtlichen Vorgaben klassifizieren. Texte werden von den Tools KI-basiert erfasst und die Dokumente mit Hilfe von KI automatisiert verarbeitet. Lösungen wie zum Beispiel die des österreichischen Startups Finmatics lesen die Dokumente dabei nicht nur aus, sondern interpretieren sie aus einer buchhalterischen und auch rechtlichen Perspektive. In nahezu allen Buchhaltungstools sind heute KI-Funktionalitäten integriert.
Ihre besondere Stärke spielt KI aus, wenn sie sich auch individuellen Anforderungen anpasst. So ist die Lexoffice-KI zum Beispiel in der Lage, benutzerspezifischen Buchungsvorgänge zu erkennen. Beispielsweise können Selbstständige in dem Buchhaltungstool ihre Geschäftskonten anbinden, um Bankumsätze für die Buchhaltung zu erfassen. Die Lösung liefert je nach Art des Umsatzes dann automatisch Zuordnungsvorschläge für die Buchhaltung. Dank KI merkt sich das Tool die vom Nutzer bestätigten Kategoriezuordnungen und schlägt diese bei wiederkehrenden Buchungen selbstständig vor, was deutlich Zeit spart.
Unterlagen analysieren und erstellen
Ihre Stärken können KI-Tools am besten ausspielen, wenn es komplex wird. So lassen sich mit Hilfe künstlicher Intelligenz umfangreiche Dokumente sehr effizient analysieren, Unstimmigkeiten erkennen und potenzielle Risikofaktoren identifizieren. Sowohl für die Jahresabschlussprüfung als auch für die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen wir KI daher großes Potenzial zugeschrieben.
Und nicht nur das: In den USA hat die dortige Bundessteuerbehörde (Internal Revenue Service, IRS) bereits angekündigt, im großen Stil mit Hilfe Künstlicher Intelligenz Steuerbetrug bekämpfen zu wollen. Die KI-Tools sollen dazu beitragen, Steuermanipulationen besser zu erkennen, aufkommende Compliance-Bedrohungen zu identifizieren und die Fallauswahl-Tools zu verbessern, um Steuerzahler nicht mit unnötigen Prüfungen zu belasten. Im Fokus hat die dortige Behörde insbesondere einkommensstarke Personen sowie Unternehmen.
Eine neue Qualität hat mittlerweile generativer KI in die gesamte Entwicklung gebracht – der bekannteste Vertreter ist hier ChatGPT, die KI-Lösung des US-amerikanischen Anbieters OpenAI. Dieses Tool ist nicht nur für die Allgemeinheit bequem zugänglich, es kann auch für sehr spezielle Anforderungen in Steuerkanzleien hilfreich sein. So kann es beispielsweise dabei helfen, umfangreiche Dokumente sehr schnell zu analysieren – von Gesetzestexten über BFH-Urteile bis hin zu Merkblättern oder BMF-Schreiben. Die KI liefert auf Wunsch auch Zusammenfassungen zu bestimmten Fragestellungen, was die Arbeit deutlich erleichtern kann.
Bessere Mandanten-Kommunikation mit KI
Ein weiteres Einsatzfeld für Künstliche Intelligenz ist die Mandanten-Kommunikation. Sie wurde in der jüngsten Vergangenheit durch die Digitalisierung ebenfalls bereits deutlich vereinfacht – vorrangig dadurch, dass Mandanten und Steuerberater digital zusammenarbeiten, stets auf dem gleichen Kenntnisstand in einem bestimmten Steuerfall sind und Informationen per Mausklick austauschen können.
Mit generativer KI wird insbesondere Steuerberatern die Kommunikation nochmals erleichtert. Müssen Mandantenschreiben aufgesetzt, Präsentationen erstellt oder E-Mails geschrieben werden, liefert beispielsweise ChatGPT dafür in Sekundenschnelle Vorschläge, die sich mit wenig Aufwand individuell zuschneiden lassen. Selbst die Tonalität der Texte kann beliebig angepasst werden. Auch für die Kommunikation über Social-Media-Kanäle ist ChatGPT eine Hilfe. Wer bisher keine Zeit – und/oder kein Talent hatte – Inhalte für interessierte Leser und Mandanten zu schreiben, hat mit KI-Unterstützung nun völlig andere Voraussetzungen: Das KI-Tool kann komplexe steuerliche Zusammenhänge und Fachthemen in leicht verständlichen Content übersetzen, der als Blog-Artikel oder Linked-In-Post auf die eigene Kanzlei und ihre Kompetenzen aufmerksam macht – oder auf einfache Weise Kontakt mit einer Steuer-Community hält.
KI-Einsatz professionalisiert sich
Insgesamt fällt auf: Was vor gut einem Jahr als Spielerei begann, ist zu einem ernsthaften Businessfaktor geworden. Dies wird auch daran deutlich, dass Microsoft die Funktionalitäten von ChatGPT mittlerweile in seine Office-Suite integriert hat. Unter dem Namen Microsoft-Co-Pilot werden die KI-Funktionalitäten seit kurzem für alle Office-Anwendungen angeboten. Voraussetzung für das kostenpflichtige KI-Abo – das pro Nutzer und Monat abgerechnet wird – ist mindestens eine Microsoft 365 Business Standard Lizenz. Einmal integriert, kann das Tool direkt im Word-Dokument, der Teams-Sitzung oder der Powerpoint-Präsentation eingesetzt werden, ohne die geöffnete Anwendung verlassen zu müssen. So können Inhalte noch schneller erstellt werden, was wertvolle Arbeitszeit spart.
Doch bei aller Technikeuphorie lauern nach wie vor zahlreiche Fallstricke. Wer eine KI benutzt, muss in jedem Fall sicherstellen, dass keine Mandantendaten an die KI gesendet werden. In der Regel wandern die Daten auf US-amerikanische Server. Außerdem nutzen KI-Anbieter wie ChatGPT die eingegebenen Informationen sowie die Nutzerreaktionen auf die Antworten, um ihre KI zu trainieren und zu verbessern. Der Schutz privater Daten sowie die Sicherheit sensibler Finanzdaten muss stets oberste Priorität haben und kann von einem öffentlich zugänglichen KI-Tool nicht gewährleistet werden. Deshalb sollten Anfragen an eine KI stets ohne Personen- oder Unternehmensbezug erfolgen.
Herausforderungen und Bedenken bleiben
Den Vorteilen Effizienzsteigerung, Zeitersparnis und datengetriebene Insights stehen somit die Risiken Datenschutz und Datensicherheit gegenüber. Auch das Vertrauen der Mandanten steht auf dem Spiel, wenn KI falsch eingesetzt wird. Nicht zuletzt neigen vor allem generative KI-Tools zum Halluzinieren – sie erfinden also Sachverhalte und Zusammenhänge, die nicht existieren. Daher braucht es stets den gesunden Menschenverstand, um die Antworten einer KI zu kontrollieren und zu hinterfragen. Auch das kostet Zeit. Damit eine generative KI steuerspezifische Antworten liefern kann, muss sie zudem speziell trainiert werden. Das wiederum erfordert Know-how.
Ebenso muss bedacht werden, dass die Qualität der Antworten generativer KI-Tools nur so gut ist, wie die Befehlseingabe – das so genannte Prompting. Mitunter sind Aufgaben nach althergebrachter Manier schneller erledigt, als der Maschine beizubringen, was sie tun soll. Ein Effekt, der bei sich wiederholenden Aufgaben entsprechend weniger ins Gewicht fällt. Man sollte KI-Tools also nicht blind vertrauen, aber es ist ratsam, sich mit ihnen vertraut zu machen, denn die Entwicklung erfolgt deutlich schneller als bei der „klassischen“ Digitalisierung. Schon in Kürze könnten KI-Funktionalitäten aus dem Kanzleialltag nicht mehr wegzudenken sein.