Trotz nachlassendem Hype um Bitcoin und Co. wächst die Nachfrage nach steuerlicher Beratung zu Kryptowährungen stetig. Sebastian Schmeer, ein Pionier auf dem Gebiet der Krypto-Steuerberatung, gibt Einblick in die aktuellen Entwicklungen, Herausforderungen und Zukunftsaussichten einer Branche im Wandel.
Kryptowährungen in der Steuerpraxis: Ein wachsendes Feld
Um den Bitcoin und andere Kryptowährungen ist es ruhiger geworden. Wie wichtig ist das Thema aktuell in der Steuerberatung?
Der Bitcoin wird nicht so gehypt, wie es vor einigen Jahren noch der Fall war, aber er ist nicht von der Bildfläche verschwunden. Im Gegenteil, die Anhängerschaft wächst stetig weiter. Erst vor einigen Wochen hat die US-Börsenaufsicht SEC in den USA die ersten börsengehandelten Bitcoin-ETFs zugelassen, wodurch der Markt noch einmal deutlich weiter für Investoren geöffnet wurde. Auch der Preis des Bitcoin hat sich von seinem Tief im Dezember 2022 gut erholt und kennt seit Monaten nur eine Richtung – und das ist nach oben. Wie viele Analysten gehe auch ich davon aus, dass mit neuen Höchstständen am Krypto-Markt in naher Zukunft zu rechnen ist Und damit auch das mediale Interesse nochmals verstärkt geweckt werden wird. Für die Steuerberatung wird das Thema immer relevanter, da die Investorengemeinschaft weiter wächst. Das spüren wir in der Beratung deutlich.
Wer kommt mit steuerlichen Fragen zu Kryptowährungen zu Ihnen – ist es eine andere Klientel als die der „klassischen“ Mandanten?
Ja, es ist durchaus eine andere Klientel. Der klassische Steuerberatungsmandant ist bei uns eher konservativ und zurückhaltend. Die Mandanten, die rund um Krypto-Investments beraten werden wollen, sind deutlich jünger, Technologie-interessierter und auch risikobereiter. Doch ich persönlich denke, dass man perspektivisch beim Thema Krypto auch den klassischen Mandanten nicht außer Acht lassen sollte. Je mehr Kryptowährungen in den Fokus der Öffentlichkeit rücken, desto häufiger wird es auch vorkommen, dass klassische Mandanten Kryptowährungen in ihre Geldanlage einstreuen und entsprechend steuerliche Beratung wünschen. Insofern müssen sich zunehmend auch die klassischen Steuerberater stärker mit dem Thema beschäftigen.
Was war für Sie der Auslöser, auch eine Steuerberatung rund um Kryptowährungen anzubieten?
Ich habe mich im Jahr 2018 privat mit dem Thema Bitcoin und Blockchain beschäftigt. Nachdem ich die ersten Erfahrungen gesammelt hatte, musste ich recht schnell feststellen, dass es selbst für mich als Steuerexperten schwierig war, die steuerlichen Würdigungen vorzunehmen. Es mangelte – und mangelt noch immer – an den sachlichen und sauberen Rechtsgrundlagen.
Welche Probleme entstehen dadurch?
Deutsche Steuergesetze kennen beispielsweise keine Begriffe wie Blockchain, Kryptowährung oder Bitcoin. Das gab es damals nicht und auch heute finden sich diese Wörter noch nicht in den Gesetzen. Es mangelt schlicht an Regeln für die steuerliche Behandlung. Das bedeutet, dass man mit steuerlichem Sachverstand versuchen muss, die Sachverhalte korrekt zu adaptieren. Es liegt auf der Hand, dass es für den steuerlichen Laien eine kaum lösbare Aufgabe ist. Insofern gibt es hier großes Beratungspotenzial für uns Steuerberater.
Was sind die wichtigsten Fragestellungen rund um das Thema Kryptowährungen, mit denen man an Sie als Steuerberatung herantritt?
Es gibt zum einen die Art der Mandanten, die erst die Beratung suchen, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist, also wenn die Krypto-Transaktion schon stattgefunden hat. Hier können wir dann nur im Nachgang schauen, ob beispielsweise dieses Handeln einen steuerpflichtigen oder einen steuerfreien Veräußerungsgewinn nach sich zieht. Eine aktive Gestaltung oder Handlungsempfehlungen sind in solchen Fällen nicht mehr möglich. Aber wir beobachten, dass gehäufter Anfragen bereits im Vorfeld an uns herangetragen werden, weil Mandanten nach Klarheit suchen und steuerliche Fehler vermeiden wollen, die zu einer hohen Steuerlast und zu einer deutlichen Renditeeinbuße führen würden. Man darf schließlich nicht vergessen, dass es für Kryptowährungen keinen Sparerfreibetrag und auch keinen automatischen Steuereinbehalt durch die Bank gibt, wie man es von anderen, klassischen Anlagemöglichkeiten gewohnt ist. Beim Handel mit Kryptowährungen ist jeder selbst für die korrekte Meldung verantwortlich. Gleichzeitig treiben die Finanzbehörden den Informationsaustausch mit den Krypto-Börsen voran. Das erhöht den Druck auf die Anleger, ihre Transaktionen den Finanzbehörden korrekt mitzuteilen.
Was ist für Sie als Steuerberater die größte Herausforderung in diesem Beratungsbereich?
Die größte Herausforderung ist nach wie vor die unklare Gesetzeslage. Das BMF hat zwar im Jahr 2022 ein Schreiben veröffentlicht, das die ertragssteuerliche Behandlung von virtuellen Währungen beinhaltet. Aber es beschreibt lediglich, wie die Dinge aus Sicht des Finanzamtes zu bewerten sind und umfasst bei Weitem nicht alle Facetten rund um das Thema Kryptowährungen. Dieses BMF-Schreiben ist kein Gesetz, sondern lediglich eine interne Verwaltungsanweisung an die Finanzbehörden, das heißt, nur die Finanzbehörden sind daran gebunden, es anzuwenden. Als steuerliche Vertretung des Steuerpflichtigen hat ein Steuerberater aber auch die Möglichkeit, eine gegenteilige Auffassung zu vertreten. Das kann letztlich dazu führen, dass für eine abschließende Klärung die Beurteilung von Finanzgerichten oder gar vom Bundesfinanzhof erforderlich sein kann, um die Steuer-Streitfragen rechtssicher zu klären. Aber auch die Schnelllebigkeit und die rasante Weiterentwicklung im Bereich der Blockchain-Technologie und der Kryptowährungen sind durchaus problematisch.
Könnten Sie das bitte näher erläutern …
Die enorme Entwicklungsgeschwindigkeit des gesamten Themas führt in der Praxis immer wieder zu Problemen mit der Dokumentation der Krypto-Transaktionen. Es passiert beispielsweise durchaus, dass Krypto-Börsen Insolvenz anmelden oder wegen Betrug plötzlich vom Markt verschwinden. In solchen Fällen haben die Investoren Transaktionen durchgeführt, auf die sie keinen Zugriff mehr haben. Doch die Steuerpflichtigen haben eine Nachweispflicht. Können sie dieser nicht nachkommen, kann das Finanzamt im Zweifel auch zu ihren Ungunsten entscheiden. Daher ist es essenziell und im Interesse eines jeden Einzelnen, dass der Steuerpflichtige für sich selbst seine Krypto-Geschäfte akribisch dokumentiert – und zwar unmittelbar und nicht erst im Nachgang. Und selbst dann lauern weitere Stolperfallen.
… welche zum Beispiel?
Aus meiner Sicht gibt es bei Steuerpflichtigen zwei große Missverständnisse rund um Krypto-Investments. Viele Mandanten sind sich zum Beispiel nicht bewusst, dass eine Veräußerung einer Kryptowährung aus steuerlicher Sicht nicht erst dann vorliegt, wenn die Kryptowährung in Euro oder US-Dollar zurückgetauscht wird, sondern, dass bereits der Tausch einer Kryptowährung in eine andere Kryptowährung ein steuerliches Veräußerungsgeschäft darstellt und dementsprechend steuerlich zu würdigen ist. Eine weitere Stolperfalle ist es, in gehebelte Krypto-Werte zu investieren. In diesem Fall handelt es sich um klassische Finanz-Derivate, die einer komplett anderen steuerlichen Beurteilung unterliegen als die Kryptowährungen selbst.
Krypto ist ein schwieriges – und wie Sie auch selbst sagen – ein sehr schnelllebiges Metier. Wie schaffen Sie es als Steuerberater, hier auf dem Laufenden zu bleiben?
Als Steuerberater ist man es ohnehin gewohnt, sich ständig fortzubilden. Neue Gesetze treten in Kraft, alte Gesetze werden verändert, andere abgeschafft. Insofern ist ständige Fortbildung in unserer Branche nichts Neues. Für den speziellen Fall der Kryptowährungen ist insbesondere der Austausch mit Berufskollegen hilfreich, um die Meinung von anderen Steuer-Experten einzuholen und sich über die steuerlichen Aspekte dieses noch vergleichsweise neuen Themas auszutauschen. Aber auch der Austausch mit Gleichgesinnten abseits der Steuerbranche ist sehr hilfreich. In solchen Fällen geht es vornehmlich um aktuelle Tech-Entwicklungen, um das Thema Blockchain und Kryptowährung – alles ohne konkreten steuerlichen Hintergrund. Beides ist gleichermaßen wichtig.
Welchen Stellenwert wird die steuerliche Beratung für Krypto-Themen künftig haben?
Ich besitze nicht die berühmte Glaskugel, aber ich denke, dass wir in naher Zukunft wieder neue Höchststände an den Krypto-Märkten sehen werden, was wiederum mediales Interesse wecken und neue Investoren anlocken wird. Damit wird sich künftig auch die Anzahl der potenziellen Beratungsmandate weiter erhöhen. Langfristig werden auch immer mehr klassische Anleger Krypto Assets ihren Portfolios beimischen. Und solche Mandanten wollen eine steuerliche Beratung aus einer Hand, sie wollen sich nicht für jedes steuerliche Thema an einen Spezialisten wenden. Für unsere Branche bedeutet das, dass sich zunehmend jeder Steuerberater auch mit diesem Thema auseinandersetzen muss.
Gleichzeitig dürfen wir aber nicht die Aufgaben der Digitalisierung unserer Kanzleien aus den Augen verlieren. Digitalisierung bedeutet nicht nur, dass die Arbeit weitgehend papierlos wird. Vielmehr müssen wir als Branche schauen, dass wir die Prozesse optimieren und deutlich mehr mit Schnittstellen arbeiten. Auch mit den Potenzialen von Künstlicher Intelligenz werden wir uns zunehmend beschäftigen müssen, um sie für die Kanzleien nutzbar zu machen. Wenn wir als Branche die Vorteile der Digitalisierung richtig nutzen, kann die Beratung künftig noch stärker in den Vordergrund rücken. Bedarf dafür gibt es mit Sicherheit reichlich.
Zur Person: Der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Sebastian Schmeer ist seit Mitte 2022 selbstständig. Er führt seine Kanzlei in Saarlouis (Saarland) und bietet deutschlandweit eine digitale Steuerberatung. Zu den Kompetenzfeldern der Kanzlei gehört neben der klassischen Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung auch die steuerliche Beratung zum Thema Kryptowährungen.
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