Investitionsabzugsbeträge können nach § 7g Abs. 1 Satz 2 EStG nur in Anspruch genommen werden, wenn der Gewinn im Wirtschaftsjahr, in dem die Abzüge vorgenommen werden sollen, ohne Berücksichtigung der Investitionsabzugsbeträge und der Hinzurechnungen 200.000 EUR nicht überschreitet.
Zwei Finanzgerichte haben sich nun mit der Frage beschäftigt, ob damit der Steuerbilanzgewinn gemeint ist oder ob auch außerbilanzielle Korrekturen der Steuerbilanz zu berücksichtigen sind.
Beispiel: A erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Die Gewinnermittlung erfolgt durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 Satz 1, § 5 EStG. Er möchte einen Investitionsabzugsbetrag geltend machen. Sein Steuerbilanzgewinn beträgt 190.000 EUR. Nach der außerbilanziellen Hinzurechnung von einer Gewerbesteuerrückstellung (nichtabziehbare Betriebsausgabe) i. H. v. 25.000 EUR beträgt der Gewinn allerdings 215.000 EUR.
Auffassung der Finanzverwaltung
Die Finanzverwaltung vertritt die Auffassung (BMF, Schreiben v. 15.6.2022, BStBl 2022 I S. 945), dass Gewinn im Sinne von § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b EStG der Betrag ist, der ohne Berücksichtigung von Abzügen und Hinzurechnungen gem. § 7g Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 EStG der Besteuerung zugrunde zu legen ist (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. §§ 4 bis 5 sowie 6 bis 7i EStG); außerbilanzielle Korrekturen der Steuerbilanz sowie Hinzu- und Abrechnungen bei der Einnahmeüberschussrechnung seien hierbei zu berücksichtigen.
Unterschiedliche Auffassungen im Schrifttum und in der FG-Rechtsprechung
Im Fachschrifttum werden unterschiedliche Auffassungen vertreten. So stellt es sich auch in der Rechtsprechung der Finanzgerichte dar.
FG Baden-Württemberg: Keine Korrektur
Das FG Baden-Württemberg (Gerichtsbescheid v. 2.5.2023, 10 K 1873/22) ist der Meinung, dass unter „Gewinn“ i. S. v. § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG der Steuerbilanzgewinn und nicht der steuerliche Gewinn i. S. v. § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG zu verstehen ist. Eine Korrektur um außerbilanzielle Positionen wie nichtabziehbare Betriebsausgaben fänden demnach nicht statt.
Der Wortlaut der Vorschrift deute auf eine Maßgeblichkeit des nicht korrigierten Gewinns hin. Das Gesetz stelle auf den nach § 4 bzw. 5 EStG „rmittelten“ Gewinn ab. Dies lasse darauf schließen, dass Erhöhungen und Minderungen, die sich außerhalb der Gewinnermittlung vollziehen, bei der Bestimmung des Grenzwerts von 200.000 EUR unberücksichtigt bleiben sollen. Korrekturen die in § 4 EStG enthalten sind (z. B. nichtabziehbare Betriebsausgaben) könnten zwar Bestandteil des nach § 4 EStG ermittelten Gewinns sein; Korrekturen nach § 3 EStG (z. B. Teileinkünfteverfahren nach § 3 Nr. 40 EStG) sind aber nicht erklärbar, so das FG.
Diesem Ergebnis stehe auch nicht die Regelung in § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchstabe b EStG entgegen. Darin wird geregelt, dass Investitionsabzugs- und Hinzurechnungsbeträge die Gewinngrenze nicht beeinflussen. Die Regelung stelle lediglich klar, dass der – jeweils im Wahlrecht des Steuerpflichtigen stehende – Abzug und dessen Hinzurechnung keine ausschlaggebenden Faktoren dafür sein können, ob die Gewinngrenze eingehalten wird oder nicht.
Das FG weist auch darauf hin, dass durchaus auch ein Vergleich zur Auslegung der Gewinnbegriffe in § 4 Abs. 4a Satz 2 EStG und in § 34a Abs. 2 EStG herangezogen werden kann. Für diese Fälle hat der BFH (Urteil v. 9.5.2019, IV R 13/17, BStBl 2019 II S. 754) nämlich entschieden, dass insoweit nur der steuerbilanzielle Gewinn maßgeblich sein könne und außerbilanzielle Gewinnkorrekturen nicht zu berücksichtigen sind. Die Formulierung in § 34a Abs. 2 EStG, der „nicht entnommene Gewinn“ ist der nach § 4 Abs. 1 Satz 1 oder § 5 EStG ermittelte Gewinn, sei mit dem Wortlaut des § 7g EStG nahezu identisch.
Niedersächsiches FG: Außerbilanzielle Korrekturen notwendig
Das Niedersächsiches FG sieht die Sache dagegen anders (Urteile v. 9.5.2023, 2 K 202/22 und 2 K 203/22).
Nach dem Wortlaut der Norm sei der nach § 4 oder § 5 EStG ermittelte Gewinn für die Einhaltung der Gewinngrenze von 200.000 EUR entscheidend. Damit nehme der Gesetzgeber Bezug auf die gesamte Vorschrift des § 4 EStG, also einschließlich der außerbilanziellen Korrekturen nach § 4 Abs. 5 und Abs. 5b EStG. Eine Beschränkung auf den Gewinn nach § 4 Abs. 1 Satz 1 oder 4 Abs. 3 EStG könne dem Wortlaut der Norm nicht entnommen werden.
Für diese Auslegung spreche auch, dass der Gesetzgeber ausdrücklich angeordnet hat, dass die Gewinngrenze „ohne Berücksichtigung der Investitionsabzugsbeträge nach Satz 1 und der Hinzurechnungen nach Absatz 2“ zu ermitteln ist. Da es sich bei dem Investitionsabzugsbetrag nach Satz 1 und der Hinzurechnungen nach Absatz 2 um außerbilanzielle Korrekturen handelt, wäre diese gesetzliche Anordnung überflüssig, wenn der Gesetzgeber nur auf den steuerlichen Gewinn – ohne außerbilanzielle Korrekturen – hätte abstellen wollen.
Auch führt das FG das Urteil des BFH zu § 34a Abs. 2 EStG an. Die gesetzliche Formulierung des § 34a Abs. 2 EStG unterscheide sich in entscheidungserheblicher Weise von der Formulierung des § 7g EStG. Hier wird – wie oben ausgeführt – nämlich ausdrücklich von dem Gewinn, der nach § 4 EStG oder § 5 EStG ermittelt wird, gesprochen. Da der BFH seine Auslegung zu § 34a EStG damit rechtfertige, dass die Vorschrift vom Gewinn nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG spricht und dieser Gewinn nicht die außerbilanziellen Korrekturen erfasst, könnten beide Vorschriften nicht gleich ausgelegt werden.
BFH muss entscheiden
Aufgrund der unterschiedlichen Beurteilung wundert es nicht, dass die FG die Revision zugelassen haben. Der BFH muss nun abschließend entscheiden (Az. III R 38/23, X R 16/23 und X R 17/23).