Die Finanzverwaltung äußert sich umfassend zu der umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung von Online-Veranstaltungsleistungen im kulturellen Bereich, aber auch für Bildungs- oder Gesundheitsleistungen.

Neben der Feststellung zu dem Ort der jeweils ausgeführten Leistungen werden insbesondere Einschränkungen bei der Anwendung von Steuerbefreiungen und des ermäßigten Steuersatzes vorgenommen. Zu unterscheiden sind demnach die Leistungen mit vorproduzierten Inhalten, Live-Streaming und Leistungskombinationen.

Online Dienstleistungsangebote (zu § 3a und § 4 Nr. 20 ff. UStG)

Im Zuge der Corona-Pandemie hat das Angebot an Veranstaltungen, die über das Internet ausgeführt werden, schlagartig zugenommen. Auch nach dem Abklingen der Pandemie sind diese Angebote nicht mehr wegzudenken. Insbesondere betrifft das kulturelle Angebote aber auch Angebote der Aus- und Fortbildung und der Freizeitgestaltung.

Da die Art der Ausführung von Veranstaltungen sowohl Auswirkungen auf den Ort der Leistung, die Steuerpflicht wie auch den maßgebenden Steuersatz haben kann, hat die Finanzverwaltung zur umsatzsteuerlichen Einordnung von Umsätzen aus Online-Veranstaltungsdienstleistungen und weiteren Online-Dienstleistungsangeboten Stellung genommen.

Die rechtliche Problematik

Kulturelle Angebote (Konzerte, Theateraufführungen o. ä.), Fort- und Ausbildungsangebote wie auch Angebote zur Freizeitgestaltung (z. B. Fitness- oder Yogakurse) oder Gesundheitsleistungen können sowohl als Präsenzveranstaltung (Live-Veranstaltung) als auch über das Internet als Download einer vorproduzierten Aufzeichnung zur Verfügung gestellt werden. Es sind aber auch Kombinationen beider Varianten möglich, indem eine Präsenzveranstaltung aufgezeichnet wird und – gegen Sonderentgelt oder im Rahmen der Zahlung für die Teilnahme an der Präsenzveranstaltung – auch noch zum späteren Abruf über das Internet bereitgestellt wird.

Die Art der Ausführung des Angebots kann bei der umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung von entscheidender Bedeutung sein. So richtet sich der Ort bei einer über das Internet ausgeführten Leistung gegenüber einem Nichtunternehmer nach anderen Regelungen, als wenn die Veranstaltung als Präsenzveranstaltung ausgeführt wird.

Dies ist gerade auch bei grenzüberschreitenden Leistungen von Bedeutung. Bei einer über das Internet ausgeführten Leistung befindet sich der Ort der sonstigen Leistung (§ 3a Abs. 5 UStG, soweit die sog. Umsatzschwelle von 10.000 EUR überschritten ist) regelmäßig dort, wo der Leistungsempfänger ansässig ist. Bei einer Präsenzveranstaltung (3a Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a UStG) ist der Ort regelmäßig dort, wo die Leistung erbracht wird (wo die Veranstaltung stattfindet).

Umsätze, die im Bereich Kultur, Bildung u. ä. ausgeführt werden, können unter weiteren Voraussetzungen auch Steuerbefreiungen (§ 4 Nr. 20 Buchst. a und Buchst. b UStG bei kulturellen Leistungen, § 4 Nr. 21 UStG bei Bildungsleistungen) unterliegen. Soweit die Steuerbefreiungen nicht zur Anwendung kommen, kann unter weiteren Voraussetzungen der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 UStG in Betracht kommen. Dies betrifft insbesondere Eintrittsberechtigungen für kulturelle Veranstaltungen (§ 12 Abs. 2 Nr. 7 UStG).

Das neue BMF-Schreiben

Das BMF-Schreiben ergänzt den UStAE an diversen Stellen, insbesondere Abschn. 3a.6 Abs. 2b, Abschn. 4.20.1 Abs. 1, Abschn. 4.21.2 Abs. 2 und Abschn. 12.5 Abs. 6 UStAE. Die Finanzverwaltung nimmt in ihrem Schreiben zu den Online-Veranstaltungsdienstleistungen im B2C-Bereich Stellung, da diese Leistungen typischerweise gegenüber Nichtunternehmern ausgeführt werden. Dabei unterscheidet die Finanzverwaltung zwischen dem Angebot vorproduzierter Inhalte, dem Live-Streaming und den Leistungskombinationen.

Im Wesentlichen stellt die Finanzverwaltung die Konsequenzen für kulturelle Angebote i. S. d. § 4 Nr. 20 UStG dar. Sie überträgt die Konsequenzen dann aber auch auf weitere Angebote der Aus- und Fortbildung bzw. auch auf Gesundheitsleistungen.

Vorproduzierte Inhalte

Werden vorproduzierte Inhalte den Nutzern über das Internet bereitgestellt und können die Nutzer diese Angebote zu einem festen oder von ihnen zu wählenden Zeitpunkt abrufen (Download oder Streaming), handelt es sich um eine auf elektronischem Weg erbrachte Leistung, die dort ausgeführt ist, wo der nichtunternehmerische Leistungsempfänger ansässig ist (§ 3a Abs. 5 UStG, soweit die unionseinheitliche Umsatzschwelle von 10.000 EUR überschritten ist).

Sollten solche Leistungen an einen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt werden, ist der Leistungsort auch dort, wo der Leistungsempfänger ansässig (§ 3a Abs. 2 Satz 1 UStG) ist. Bei EU-grenzüberschreitenden Leistungen würde in diesem Fall die Steuerschuld zwingend auf den Leistungsempfänger übergehen (Art. 196 MwStSystRL, in Deutschland § 13b Abs. 1 i. V. m. Abs. 5 Satz 1 UStG). Werden diese Leistungen an Nichtunternehmer in anderen Mitgliedstaaten ausgeführt, schuldet der leistende Unternehmer die dort ggf. entstehende Umsatzsteuer, sie kann aber über die One-Stop-Shop-Regelung (§ 18j UStG) für die jeweiligen Mitgliedstaaten der Ansässigkeit der Leistungsempfänger erklärt werden.

Wenn die Leistungen neben der Übertragung im Internet gleichzeitig auch durch Rundfunk- oder Fernsehsender übertragen wird, handelt es sich zwar nicht um eine auf elektronischem Weg erbrachte Dienstleistung, die Rundfunk- oder Fernsehdienstleistungen unterliegen aber denselben umsatzsteuerrechtlichen Konsequenzen, sodass diese Unterscheidung keine praktischen Auswirkungen hat.

Die Finanzverwaltung vertritt die Auffassung, dass für die Leistungen, die auf vorproduzierten Inhalten basieren, weder die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 20 UStG noch die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 UStG in Betracht kommt. Dies soll auch auf vergleichbare Leistungen im Bildungs- oder Gesundheitswesen so anwendbar sein.

Live-Streaming

Bei der Bereitstellung eines Live-Streamings handelt es sich nicht um eine auf elektronischem Weg erbrachte Dienstleistung, es handelt sich – soweit der Leistungsempfänger ein Nichtunternehmer ist – vielmehr um eine Leistung i. S. d. § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a UStG. Das sind kulturelle, künstlerische, wissenschaftliche, unterrichtende, sportliche, unterhaltende oder ähnliche Leistungen, wie Leistungen im Zusammenhang mit Messen und Ausstellungen, einschließlich der Leistungen der jeweiligen Veranstalter sowie die damit zusammenhängenden Tätigkeiten, die für die Ausübung der Leistungen unerlässlich sind.

Als Leistungsort gilt in diesem Fall der Ort, an dem der Leistungsempfänger ansässig ist. Diese Rechtsfolge für die Leistungen, die per Streaming übertragen werden, entspricht der zum 1.1.2025 auch gesetzlich in § 3a Abs. 3 Nr. 3 Satz 2 UStG-E (nach dem Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2024) umzusetzenden unionsrechtlichen Vorgabe.

Unter einem Live-Streaming-Angebot versteht die Finanzverwaltung ein Angebot, das parallel oder anstelle einer „Vor-Ort-Veranstaltung“ stattfindet und in Echtzeit durchgeführt wird.

Anders als bei den vorproduzierten Inhalten kann bei einem Live-Streaming unter den weiteren Voraussetzungen die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 20 UStG sowie – soweit keine Steuerbefreiung einschlägig ist – der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG zur Anwendung kommen. Auch bei Bildungsleistungen (§ 4 Nr. 21 UStG) oder bei Gesundheitsleistungen (§ 4 Nr. 14 UStG) kann es in diesen Fällen unter den weiteren Voraussetzungen zur Anwendung einer Steuerbefreiung kommen.

Leistungskombinationen

Wird neben der Möglichkeit zur Teilnahme an einer Live-Veranstaltung (Live-Streaming) auch die Nutzung von Aufzeichnungen zu einem vom Kunden zu wählenden späteren Zeitpunkt angeboten, handelt es sich um eine von der Finanzverwaltung so bezeichnete Leistungskombination. In diesen Fällen kann es sich um eine einheitliche Leistung eigener Art oder um jeweils getrennt zu beurteilende Leistungen handeln.

Eine einheitliche Leistung eigener Art sieht die Finanzverwaltung dann, wenn es sich um die kombinierte Bereitstellung eines Live-Streams (mit und ohne Interaktionsmöglichkeit) und einer Aufzeichnung handelt, die zu einem späteren, vom Nutzer gewählten Zeitpunkt abgerufen werden kann.

Bei einer solchen einheitlichen Leistung eigener Art soll es nach Auffassung der Finanzverwaltung insgesamt zur Anwendung des Regelsteuersatzes kommen – eine Aufteilung des Entgelts soll nicht in Betracht kommen.

Selbstständige Leistungen liegen dagegen dann vor, wenn neben der Bereitstellung eines Live-Streams (mit und ohne Interaktionsmöglichkeit) gegen Zahlung eines gesonderten Entgelts oder aber eines Aufpreises zusätzlich die Aufzeichnung, die zu einem späteren, vom Nutzer gewählten Zeitpunkt abgerufen werden kann. Die sich dann ergebenden getrennten Leistungen sind separat zu beurteilen.

Soweit sich bei den zu trennenden Leistungen unterschiedliche umsatzsteuerrechtliche Konsequenzen ergeben (bezüglich Steuerbarkeit, Steuerpflicht oder Steuersatz), muss ein einheitliches Entgelt nach den allgemeinen Grundsätzen (vgl. Abschn. 10.1 Abs. 1 UStAE) aufgeteilt werden. Sofern für den Abruf einer Aufzeichnung ein Aufschlag auf das ansonsten zu zahlende Entgelt zu entrichten ist, können die Beträge den Leistungen zugeordnet werden, sodass keine Aufteilung notwendig ist.

Die Finanzverwaltung weist weiter darauf hin, dass solche Angebote auch im Rahmen einer Dienstleistungskommission (§ 3 Abs. 11 UStG; vgl. auch Abschn. 3.15 UStAE) ausgeführt werden können, wenn ein Unternehmer im eigenen Namen, aber für fremde Rechnung in die Ausführung einer sonstigen Leistung eingebunden ist. In diesem Fall gelten die umsatzsteuerrechtlichen Konsequenzen für die ausgeführte Leistung auch für die Leistung des eingeschalteten Unternehmers.

Dies gilt auch entsprechend für die Fiktion einer Dienstleistungskommission nach § 3 Abs. 11a UStG, wenn eine sonstige Leistung über eine elektronische Schnittstelle (Portal) oder ein Telekommunikationsnetz ausgeführt wird.

Konsequenzen für die Praxis

Die – alleinige oder zusätzliche – Ausführung von Veranstaltungsleistungen über das Internet hatte aufgrund der Corona-Pandemie stark zugenommen und hat sich allgemein als Angebot etabliert. Insoweit ist es zu begrüßen, dass sich die Finanzverwaltung mit den umsatzsteuerrechtlichen Auswirkungen beschäftigt. Im Mittelpunkt der Feststellungen stehen die Leistungen an Nichtunternehmer (B2C), wobei – abgesehen vom sich ggf. nach anderen Grundsätzen ergebenden Ort der Leistung bei einer Leistung gegenüber einem Unternehmer für dessen Unternehmen – die Ausführungen bezüglich Steuerbefreiung und Steuersatz auch auf Leistungen B2B Anwendung finden müssen.

Neben den sich aus dem Gesetz ergebenden Festlegungen zum Ort der sonstigen Leistung – die nur bei grenzüberschreitend ausgeführten Leistungen in der Praxis von Interesse sind – nimmt die Finanzverwaltung auch Einordnungen zur Frage der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes und insbesondere auch i. Z. m. Steuerbefreiungen vor. Hier kann es fraglich sein, ob die von der Finanzverwaltung getroffenen Aussagen mit den eigentlichen Regelungszwecken in Einklang zu bringen sind.

Wichtig: Insbesondere ist zu beachten, dass nach Auffassung der Finanzverwaltung bei den sog. „Leistungskombinationen“ soweit für den Abruf aufgezeichneter Inhalte kein gesondert berechnetes Entgelt verlangt wird, eine einheitliche Leistung vorliegen soll, die keiner Steuerbefreiung unterliegt und auch nicht dem ermäßigten Steuersatz unterliegen soll. Dies kann in den Fällen nachvollziehbar sein, wenn die Begünstigungsregelung von einer „Veranstaltung“ ausgeht. Hier kann hinterfragt werden, ob der Abruf einer aufgezeichneten Veranstaltung noch die Veranstaltung als solches ist. In den Fällen, in denen die Steuerbegünstigung – z. B. bei Bildungsleistungen nach § 4 Nr. 21 UStG – aber auf Umsätze ausgerichtet ist, kann es eigentlich keinen Unterschied machen, ob die Bildungsleistung im Rahmen einer „Live-Veranstaltung“ oder einer „vorproduzierten“ oder zu einem anderen Zeitpunkt aufgezeichneten Veranstaltung erfolgt.

Dies ist insbesondere fraglich, da die Finanzverwaltung (Abschn. 4.21.2 Abs. 1 UStAE) selbst „Fernlehrinstitute“ ebenfalls in die Kategorie der begünstigten Anbieter von Schulungsleistungen einordnet. Auch in diesen Fällen der „analogen Wissensvermittlung“ können die Teilnehmenden eigenverantwortlich zu ihnen passenden Zeiten die Bildungsleistung in Anspruch nehmen. Es erscheint nicht nachvollziehbar, warum der Bildungszweck, der dem Regelungsgehalt des § 4 Nr. 21 UStG zugrunde liegt, bei aufgezeichneten Bildungsveranstaltungen, die über das Internet bezogen werden, nicht erreicht werden soll.

Die Grundsätze sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Für Leistungen, die vor dem 1.7.2024 ausgeführt werden, beanstandet es die Finanzverwaltung aber nicht, wenn die Beteiligten bezüglich der Festlegung des Orts der Leistung, der Steuerpflicht und der Anwendung des maßgebenden Steuersatzes noch von anderen Grundsätzen ausgehen (Übergangsregelung).

Hinweis: Die Übergangsregelung kann bei längerfristigen Angeboten (z. B. Abonnements; über einen längeren Zeitraum durchgeführte Bildungsangebote) zu Problemen führen, wenn bei einem Vertragsabschluss über ein solches Angebot von einer steuerfreien Leistung ausgegangen wurde, die Maßnahme aber erst ab dem 1.7.2024 abgeschlossen ist (z. B. einem Bildungsangebot als Halbjahreskurs, bei dem auf aufgezeichnete Inhalte zurückgegriffen wird). Über einen längeren Zeitraum ausgeführte sonstige Leistungen sind nach den allgemeinen Grundsätzen des Umsatzsteuerrechts dann erbracht, wenn der Leistungszeitraum abgeschlossen ist, soweit keine Aufteilung in Teilleistungen (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 2 und Satz 3 UStG) vorzunehmen ist.



BMF, Schreiben v. 19.4.2024, III C 3 – S 7117-j/21/10002 :004