Im Schlussabrechnungsverfahren taucht zunehmend der Vorwurf mangelnder Mitwirkung auf, der nicht selten zu vollständigen Rückforderungen führt. Besonders heikel wird es, wenn dieser Vorwurf prüfende Dritte – in der Regel Steuerberater – trifft.

Welche Pflichten bestehen? Wie können Sie als Berater reagieren? Und welche Rechtsbehelfe stehen zur Verfügung?

Mitwirkungspflichten im Überbrückungshilfeverfahren: Nicht nur Unternehmen sind betroffen

Wer staatliche Hilfen beantragt, muss bei deren Prüfung mitwirken – dieser Grundsatz ist unbestritten. Für Antragsteller der Überbrückungshilfen bedeutet dies konkret: Sie müssen Auskünfte erteilen, Unterlagen vorlegen und den Bewilligungsstellen ermöglichen, den Sachverhalt aufzuklären. Besonders im Schlussabrechnungsverfahren zeigt sich die Brisanz: Hier werden die vorläufig bewilligten Hilfen einer finalen Prüfung unterzogen. Nachfragen der Bewilligungsstellen sind an der Tagesordnung und erfordern zeitnahe, vollständige Antworten.

Diese Mitwirkungspflichten erstrecken sich jedoch auch auf die prüfenden Dritten. Als Steuerberater, der den Mandanten im Antragsverfahren vertritt, werden Sie selbst zum Adressaten dieser Pflichten. Reagieren Sie nicht auf Anfragen der Bewilligungsstelle, kann dies gravierende Folgen haben, da Ihr Handeln – oder Nichthandeln – den antragstellenden Unternehmen voll zugerechnet wird.

Risiken für Steuerberater: Von Haftung bis Reputationsschaden

Die Konsequenzen einer unterstellten mangelnden Mitwirkung sind weitreichend. Schlimmstenfalls kommt es zur vollständigen Rückforderung aller ausgezahlten Hilfen – ein finanzieller Schlag für Ihre Mandanten.

Diese werden sich im Zweifel bei Ihnen schadlos halten wollen. Die Haftungsrisiken sind beträchtlich und können folgende Dimensionen annehmen:

  • Schadensersatzforderungen in Höhe der zurückgeforderten Überbrückungshilfen,
  • zusätzliche Verzugszinsen und Verfahrenskosten,
  • mögliche Reputationsschäden durch unzufriedene Mandanten und berufsrechtliche Beschwerden gegen Sie.

Ein Beispiel verdeutlicht die Problematik: Ein Gastronomiebetrieb erhielt 150.000 EUR Überbrückungshilfe. Die Bewilligungsstelle fordert im Schlussabrechnungsverfahren Nachweise zu bestimmten Fixkosten an – die E-Mail aus dem Überbrückungshilfe-Portal landete unbemerkt im Spam-Ordner des Steuerberaters, ebenso wie die wiederholten Nachfragen. Nach Fristablauf der dritten und finalen Nachfrage wird die gesamte Hilfe zurückgefordert. Der Mandant sieht sich existenziell bedroht und macht den Steuerberater für den Schaden verantwortlich. Der Mandant hat sich zudem bei der Steuerberaterkammer beschwert, die den Steuerberater nun auch berufsrechtlich mit einem Beschwerdeverfahren überzieht.

Praktische Tipps für den Umgang mit Nachfragen

Um solche Szenarien zu vermeiden, empfehlen sich folgende präventive Maßnahmen:

  • Engmaschiges Monitoring von Kommunikationskanälen: Richten Sie dedizierte Prozesse für die Überwachung aller relevanten E-Mail-Postfächer und des Überbrückungshilfeportals ein. Prüfen Sie regelmäßig auch Spam-Ordner und alternative Kontaktwege.
  • Dokumentation aller Kommunikation: Führen Sie ein lückenloses Protokoll über sämtliche Kontakte mit Bewilligungsstellen. Archivieren Sie Anfragen und Antworten chronologisch und mandantenbezogen. Zur Not fertigen Sie Screenshots an.
  • Proaktive Fristverlängerungen: Beantragen Sie bei komplexen Nachfragen frühzeitig Fristverlängerungen. Formulieren Sie beispielsweise: „Aufgrund des Umfangs der angeforderten Unterlagen und der notwendigen Abstimmung mit unserem Mandanten beantragen wir eine Verlängerung der Frist bis zum [Datum]. Die Bearbeitung wurde bereits eingeleitet.“ Achtung: Dies ist nur eine Beispielsformulierung, die Sie selbst bewerten und auf den konkreten Fall anpassen müssen.
  • Transparente Mandantenkommunikation: Informieren Sie Ihre Mandanten unverzüglich über eingehende Nachfragen und die erforderlichen Schritte. Definieren Sie klare Verantwortlichkeiten für die Beschaffung von Informationen.

Rechtsbehelfe bei Rückforderungen wegen angeblich fehlender Mitwirkung

Wurde bereits eine Rückforderung ausgesprochen, stehen Ihnen verschiedene Rechtsbehelfe zur Verfügung:

Widerspruch: Die erste Verteidigungslinie

Gegen Rückforderungsbescheide ist zunächst Widerspruch einzulegen. Hierbei sollten Sie folgende Punkte berücksichtigen:

  • Die Widerspruchsfrist beträgt in der Regel einen Monat ab Zugang des Bescheids. Zugang beim Steuerberater bedeutet Zugang beim Unternehmen.
  • Der Widerspruch sollte im Verfahren ausführlich begründet werden.
  • Beweismittel für erfolgte Mitwirkungshandlungen sind beizufügen, unterlassene Mitwirkungen sollten mit anwaltlicher Begleitung nachgeholt werden.

Wichtig: Wenn Sie selbst in der Haftung sind, sollten Sie schon für das Widerspruchsverfahren einen Rechtsanwalt hinzuziehen, damit keine weiteren Fehler geschehen und Sie sich optimal gegen mögliche Haftungsansprüche des Mandanten schützen können.

Zudem müssen Sie beachten: In vielen Bundesländern, wie etwa Bayern oder Hessen, ist das Widerspruchsverfahren bei den Überbrückungshilfen abgeschafft worden. Hier gibt es nur Klagemöglichkeiten, um die Bestandskraft der Bescheide zu verhindern.

Klage: Der Weg zum Verwaltungsgericht

Wird der Widerspruch zurückgewiesen oder ist dieser in dem Bundesland nicht statthaft, bleibt die Klage vor dem Verwaltungsgericht. Hier ist besondere Vorsicht geboten: Es gelten strenge Fristen, deren Versäumnis fatal sein kann.

Steuerberatern ist dringend zu empfehlen, einen Rechtsanwalt einzuschalten. Klagen vor dem Verwaltungsgericht unterliegen nicht nur anderen rechtlichen Regeln als das Verfahren vor dem Finanzgericht, es gibt auch einige Besonderheiten in der Kommunikation mit dem Verwaltungsgericht.

Verteidigungslinien gegen den Vorwurf mangelnder Mitwirkung

Im Verfahren können Sie verschiedene Argumentationslinien verfolgen:

Nachweispflicht der Bewilligungsstelle

Die Behörde muss beweisen, dass ihre Anfragen tatsächlich zugegangen sind oder zumindest die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand. Daran ist in einem Verfahren hart zu arbeiten und zu argumentieren.

Bereits vorliegende Informationen

Häufig fordern Bewilligungsstellen Informationen an, die ihnen bereits aus dem Antragsverfahren vorliegen. Hier können Sie argumentieren, dass eine erneute Vorlage entbehrlich war und daher keine Mitwirkungspflichtverletzung vorliegt. Zudem ist zu prüfen, ob Informationen (wie Registerauszüge) für die Bewilligungsstelle auch selbst zu ermitteln waren.

Ein Praxisbeispiel: Bei einem Einzelhändler forderte die Bewilligungsstelle Mietverträge an, obwohl diese bereits in dem ursprünglichen Antragsverfahren eingereicht worden waren. Der Hinweis auf die bereits vorliegenden Unterlagen führte zur Aufhebung der Rückforderung.

Verhältnismäßigkeit und Gleichheitsgrundsatz

Verfassungsrechtliche Argumente können ebenfalls greifen:

Der Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG) gebietet eine gleichmäßige Behandlung vergleichbarer Fälle. Können Sie nachweisen, dass andere Antragsteller in ähnlicher Situation anders behandelt wurden, liegt möglicherweise ein Verstoß vor.

Die Verhältnismäßigkeit fordert, dass die Rückforderung in angemessenem Verhältnis zur unterstellten Pflichtverletzung steht. Eine vollständige Rückforderung bei geringfügigen Mitwirkungsdefiziten erscheint oft unverhältnismäßig.

Fazit: Proaktives Handeln und anwaltliche Beratung sind entscheidend

Als Steuerberater im Bereich der Corona-Überbrückungshilfen bewegen Sie sich in einem rechtlich komplexen und risikobehafteten Umfeld. Der Vorwurf mangelnder Mitwirkung kann existenzbedrohende Folgen für Ihre Mandanten haben – und in der Konsequenz erhebliche Haftungsrisiken für Sie selbst.

Reagieren Sie daher proaktiv auf Nachfragen der Bewilligungsstellen und dokumentieren Sie Ihre Mitwirkungshandlungen lückenlos. Sollte es dennoch zum Vorwurf mangelnder Mitwirkung kommen, empfiehlt sich dringend die frühzeitige Hinzuziehung spezialisierter Rechtsanwälte. Sie können die Erfolgsaussichten von Rechtsbehelfen realistisch einschätzen und eine optimale Verteidigungsstrategie entwickeln.

Auf diese Weise lassen sich Haftungsrisiken minimieren und die Interessen Ihrer Mandanten bestmöglich wahren – ein entscheidender Beitrag zur langfristigen Mandantenbindung in herausfordernden Zeiten.

Weitere Beiträge aus dieser Serie: