Steuerberater, die landwirtschaftliche Mandanten beraten, sollten die spezifischen Problemfelder kennen und gezielte Strategien entwickeln.
Besondere Betroffenheit der Landwirtschaft
Bewilligungsstellen haben die Landwirtschaft, insbesondere die Schweinemast, als besonders prüfungsbedürftige Branche identifiziert. Dies führt zu verschärften Prüfungen und höheren Anforderungen beim Nachweis der „Coronabedingtheit“ von Umsatzeinbrüchen. Diese branchenspezifische Differenzierung ist rechtlich problematisch, da sie eine Ungleichbehandlung impliziert, die mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG in Konflikt geraten kann.
Typische Ablehnungsgründe
In der Praxis haben sich bei landwirtschaftlichen Betrieben folgende typische Argumentationsmuster bei Bewilligungsstellen etabliert:
Bewilligungsstellen führen häufig alternative Ursachen an. Bei Schweinemastbetrieben wird regelmäßig argumentiert, dass Umsatzrückgänge nicht auf die Corona-Pandemie, sondern auf andere Faktoren wie die Afrikanische Schweinepest zurückzuführen seien.
Zudem fordern manche Bewilligungsstellen eine „ausschließliche“ Coronabedingtheit der Umsatzeinbrüche. Diese Anforderung findet aus unserer Sicht keine Grundlage in den FAQ zu den Überbrückungshilfen und stellt in der landwirtschaftlichen Realität eine kaum zu überwindende Hürde dar.
Der Begriff „coronabedingt“ wird zunehmend eng interpretiert, indem eine direkte Betroffenheit von staatlichen Schließungsanordnungen verlangt wird. Dies steht im Widerspruch zur ursprünglichen Definition in den FAQ, die den Begriff primär negativ definieren, ohne eine positive Einschränkung auf unmittelbare Folgen behördlicher Anordnungen vorzunehmen.
Landwirtschaftliche Betriebe stehen oft am Anfang längerer Wertschöpfungsketten. Die Auswirkungen der Pandemie erreichen sie daher oft indirekt und zeitverzögert. Solche mehrstufigen Wirkungsketten werden in der Verwaltungspraxis häufig nicht anerkannt, obwohl die FAQ auch mittelbare Betroffenheiten grundsätzlich als förderfähig einstufen.
Rechtliche Bewertung der Verwaltungspraxis
Die restriktive Auslegungspraxis ist aus mehreren Gründen rechtlich problematisch:
Die FAQ definieren den Begriff „coronabedingt“ primär negativ und führen aus, was nicht als coronabedingt anzusehen ist. Eine Einschränkung auf unmittelbare Folgen behördlicher Anordnungen findet sich dort nicht. Im Gegenteil: Die FAQ erkennen ausdrücklich an, dass auch mittelbare Betroffenheiten förderfähig sein können.
Die nachträgliche Verschärfung der Anforderungen im Rahmen der Schlussabrechnung kann einen Verstoß gegen den Vertrauensschutz darstellen. Dies gilt insbesondere, wenn die Bewilligungsstellen im Erstbescheid keine Vorbehalte hinsichtlich der grundsätzlichen Förderfähigkeit formuliert haben.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil v. 19.11.2009, 3 C 7/09) ist Ungewissheit eine Voraussetzung für einen vorläufigen Verwaltungsakt. Wenn diese Ungewissheit bei Erlass des Erstbescheids nicht bestand, ist eine spätere Änderung der Rechtsauffassung kein Grund für eine nachträgliche Überprüfung der grundsätzlichen Förderfähigkeit.
Die Verwaltungspraxis kehrt de facto die Beweislast um. Nach den FAQ ist jedoch nur erforderlich, dass der Antragsteller die Coronabedingtheit „soweit wie möglich“ darlegt. Ein „empirischer Beweis“ wird nicht verlangt.
Die besonders kritische Betrachtung landwirtschaftlicher Betriebe kann einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG darstellen, wenn vergleichbare Konstellationen in anderen Branchen weniger streng beurteilt werden.
Handlungsempfehlungen für die Beratungspraxis
Frühzeitige Einbindung eines Rechtsanwalts
Die Erfahrung zeigt, dass die frühzeitige Einbindung eines auf Förderrecht spezialisierten Rechtsanwalts bereits im Schlussabrechnungsverfahren erhebliche Vorteile bieten kann:
Ein spezialisierter Rechtsanwalt kann die konkreten Umstände rechtlich präzise einordnen und Argumentationslinien entwickeln, die über das rein Betriebswirtschaftliche hinausgehen.
Fundierte Argumentation zur Coronabedingtheit
Besonderes Augenmerk sollte auf die Darlegung der Coronabedingtheit von Umsatzeinbrüchen gelegt werden:
- Es empfiehlt sich, eine detaillierte Kausalkette zu dokumentieren, die den Zusammenhang zwischen der Corona-Pandemie und den Umsatzeinbrüchen chronologisch und nachvollziehbar darstellt.
- Bei landwirtschaftlichen Betrieben sind oft mehrstufige Wirkungsketten relevant. Diese sollten explizit dargelegt und durch konkrete Belege untermauert werden.
- Antizipieren Sie mögliche Gegenargumente der Bewilligungsstelle und legen Sie dar, warum andere Faktoren (wie die Afrikanische Schweinepest) nicht die alleinige oder maßgebliche Ursache für die Umsatzeinbrüche waren.
Rechtlich fundierte Einwendungen
In der inhaltlichen Auseinandersetzung können folgende rechtliche Argumentationslinien hilfreich sein:
- Verweisen Sie auf den Vertrauensschutz, der durch den Erstbescheid begründet wurde, insbesondere wenn dieser keine Vorbehalte bezüglich der grundsätzlichen Förderfähigkeit enthielt.
- Betonen Sie die Bindungswirkung der veröffentlichten FAQ, die als verbindliche Auslegungsgrundlage zu werten sind und der Verwaltung einen nur begrenzten Auslegungsspielraum lassen.
- Bei drohenden Rückforderungen sollte auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verwiesen werden, der eine vollständige Rückforderung bei nur teilweise fehlender Coronabedingtheit in Frage stellt.
- Bei Betrieben, die im EU-Binnenmarkt tätig sind, kann eine Beschränkung auf deutsche Corona-Maßnahmen einen Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) darstellen.
Fazit
Die restriktive Auslegungspraxis gegenüber landwirtschaftlichen Betrieben steht in einem Spannungsverhältnis zu den rechtlichen Grundlagen der Förderung.
Für eine erfolgreiche Beratung landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen der Überbrückungshilfen ist es essentiell, die rechtlichen Aspekte zu verstehen und frühzeitig rechtlichen Beistand einzuholen. Nur so können ungerechtfertigte Ablehnungen oder Rückforderungen abgewehrt werden.
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