Die unterschätzte Gefahr: Haftungsrisiken für prüfende Dritte
Als prüfende Dritte im Sinne des § 3 StBerG übernahmen Steuerberater und Rechtsanwälte während der Corona-Pandemie eine Schlüsselrolle bei der Beantragung von Überbrückungshilfen. Sie fungierten nicht nur als Antragsteller im Namen ihrer Mandanten, sondern bestätigten auch die Plausibilität der Angaben zu Umsatzeinbrüchen und Fixkosten. Diese Verantwortung birgt erhebliche Haftungsrisiken, die sich auf drei Ebenen manifestieren können.
Strafrechtliche Risiken entstehen primär durch den Tatbestand des Subventionsbetrugs nach § 264 StGB. Der BGH hat bereits 2021 klargestellt, dass Corona-Überbrückungshilfen als Subventionen im Sinne dieser Vorschrift zu qualifizieren sind. Besonders brisant: Für eine Strafbarkeit genügt bereits Leichtfertigkeit – eine vorsätzliche Begehung ist nicht erforderlich. Die Rechtsprechung versteht Leichtfertigkeit als „vorsatznahe“ Schuldform, die eine besondere Gleichgültigkeit oder grobe Unachtsamkeit voraussetzt.
Zivilrechtliche Haftung droht gegenüber dem Mandanten aus dem Beratungsvertrag. Wurden Anträge fehlerhaft gestellt oder Prüfpflichten verletzt, können Schadensersatzansprüche nach § 280 BGB entstehen. Dabei kehrt sich die Beweislast um: Der Steuerberater muss sein fehlendes Verschulden nachweisen.
Berufsrechtliche Konsequenzen können von Rügen bis zum Berufsverbot reichen. Die Berufspflichten nach § 57 StBerG verpflichten zur gewissenhaften und eigenverantwortlichen Berufsausübung. Verstöße können disziplinarrechtliche Maßnahmen nach sich ziehen.
Wann konkret eine Strafbarkeit droht
Eine Strafbarkeit des prüfenden Dritten kommt nicht bei jedem Fehler in Betracht. Die Rechtsprechung hat klare Maßstäbe entwickelt, wann die Schwelle zur Strafbarkeit überschritten wird. Ein Strafbarkeitsrisiko besteht insbesondere dann, wenn die Angaben des Mandanten evident nicht glaubhaft waren oder sich die Fehlerhaftigkeit des Antrags geradezu aufdrängte.
Entscheidend ist dabei der Umfang der Prüfpflichten. Nach den offiziellen FAQ oblag den prüfenden Dritten lediglich eine Plausibilitätsprüfung – keine umfassende materielle Prüfung. Dies bedeutet, dass offensichtliche Widersprüche oder unrealistische Angaben hätten auffallen müssen, nicht jedoch versteckte Manipulationen oder komplexe Sachverhaltsgestaltungen.
Kritische Konstellationen entstehen etwa bei:
- Offensichtlich überhöhten Fixkosten ohne nachvollziehbare Erklärung,
- Umsatzeinbrüchen, die branchentypisch unmöglich erscheinen,
- widersprüchlichen Angaben zu unterschiedlichen Zeitpunkten,
- fehlender Dokumentation trotz mehrfacher Nachfrage.
Praktisches Vorgehen bei drohenden Problemen
Zeigen sich bei der Schlussabrechnung erhebliche Abweichungen oder meldet sich die Bewilligungsstelle mit kritischen Nachfragen, ist schnelles und überlegtes Handeln gefragt. Der erste Schritt sollte immer die sofortige Information der Berufshaftpflichtversicherung sein, wenn ein eigener Fehler erkannt wird. Die meisten Policen enthalten eine Obliegenheit zur unverzüglichen Schadenmeldung – wird diese verletzt, kann der Versicherungsschutz gefährdet sein.
Parallel dazu empfiehlt sich die frühzeitige Einschaltung eines spezialisierten Rechtsanwalts. Dieser kann nicht nur bei der Kommunikation mit Behörden unterstützen, sondern auch strafrechtliche Risiken einschätzen. Wichtig: Läuft bereits ein Verwaltungsverfahren mit behördlicher Anhörung, können Erklärungen an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet werden. Hier ist anwaltliche Begleitung essentiell.
Die Dokumentation wird zum zentralen Baustein der Verteidigung. Sämtliche Prüfungshandlungen, Mandantenkommunikation und Entscheidungsgrundlagen sollten lückenlos nachvollziehbar sein. Dies umfasst:
- E-Mail-Verkehr mit dem Mandanten,
- Notizen zu Besprechungen,
- übermittelte Unterlagen und deren Prüfung,
- Plausibilitätskontrollen und deren Ergebnisse,
- Hinweise an den Mandanten zu Risiken.
Bei behördlichen Anhörungen gilt: Keine vorschnellen Stellungnahmen abgeben. Die Frist zur Stellungnahme sollte genutzt werden, um mit anwaltlicher Unterstützung eine durchdachte Erwiderung zu formulieren. Spontane Erklärungen bergen die Gefahr von Widersprüchen oder unbeabsichtigten Eingeständnissen.
Die Rolle der Berufshaftpflichtversicherung
Die Berufshaftpflichtversicherung ist der wichtigste Schutzschild gegen zivilrechtliche Ansprüche. Sie deckt nicht nur berechtigte Schadensersatzforderungen, sondern übernimmt auch die Abwehr unberechtigter Ansprüche – ein oft unterschätzter Aspekt. Bei Corona-Hilfen sind jedoch einige Besonderheiten zu beachten.
Deckungsumfang prüfen: Nicht alle Policen decken Tätigkeiten als prüfender Dritter vollumfänglich ab. Einige Versicherer sehen hierin eine besondere Gefahrerhöhung. Die Deckungszusage sollte schriftlich eingeholt werden.
Zeitpunkt der Meldung: Die meisten Bedingungen verlangen eine unverzügliche Anzeige bei Kenntnis von Umständen, die zu einem Schaden führen könnten. Dies gilt bereits bei kritischen Nachfragen der Bewilligungsstelle – nicht erst bei konkreten Rückforderungen.
Mitwirkungspflichten: Der Versicherer kann umfangreiche Dokumentation verlangen. Die strukturierte Aktenführung zahlt sich hier aus. Wichtig: Keine Anerkennung von Ansprüchen ohne Zustimmung des Versicherers.
Selbstbeteiligung und Sublimits: Viele Policen sehen für bestimmte Tätigkeiten erhöhte Selbstbeteiligungen oder reduzierte Deckungssummen vor. Dies sollte bei der Honorarkalkulation berücksichtigt werden.
Präventive Maßnahmen sind der beste Schutz:
- Schriftliche Mandantenhinweise zu Strafbarkeitsrisiken und Rückzahlungspflichten,
- Vollständigkeitsbestätigungen vom Mandanten einholen,
- Plausibilitätsprüfungen dokumentieren und Auffälligkeiten ansprechen,
- emotionale Distanz wahren – keine Überidentifikation mit Mandanteninteressen,
- Grenzen der eigenen Kompetenz erkennen und ggf. Rechtsanwälte hinzuziehen.
Bei der Kommunikation mit Behörden bewährt sich eine sachliche, kooperative Grundhaltung bei gleichzeitiger Wahrung der eigenen Interessen. Vorwürfe sollten nicht pauschal zurückgewiesen, aber auch nicht vorschnell eingeräumt werden. Die differenzierte Stellungnahme nach anwaltlicher Beratung ist der Königsweg.
Aus Fehlern lernen: Dokumentation als „Lebensversicherung“
Die Corona-Hilfen haben die Bedeutung lückenloser Dokumentation eindringlich vor Augen geführt. Für künftige Mandate – nicht nur im Subventionsbereich – sollten folgende Standards etabliert werden:
- Digitale Aktenverwaltung mit revisionssicherer Archivierung aller relevanten Dokumente.
- Standardisierte Prüfprotokolle für wiederkehrende Vorgänge. Checklisten stellen sicher, dass keine Prüfschritte vergessen werden und schaffen Rechtssicherheit.
- Mandantenkommunikation grundsätzlich schriftlich, insbesondere bei kritischen Themen. Telefonate sollten in Aktennotizen festgehalten werden.
- Vieraugenprinzip bei komplexen oder risikobehafteten Vorgängen. Die kollegiale Kontrolle kann Fehler verhindern und stärkt die Position bei späteren Haftungsfragen.
- Fortbildung zu aktuellen Entwicklungen. Die FAQ zu Corona-Hilfen änderten sich teilweise wöchentlich – nur wer auf dem Laufenden blieb, konnte rechtssicher beraten.
Professionelles Risikomanagement als Erfolgsfaktor
Die Erfahrungen mit den Corona-Überbrückungshilfen haben gezeigt: Steuerberater und Rechtsanwälte bewegen sich als prüfende Dritte in einem Spannungsfeld zwischen Mandanteninteressen und eigenen Haftungsrisiken. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in professionellem Risikomanagement, das präventive Maßnahmen mit effektiven Reaktionsstrategien kombiniert.
Die wichtigste Erkenntnis: Haftungsrisiken lassen sich nie vollständig ausschließen, aber durch strukturiertes Vorgehen, sorgfältige Dokumentation und rechtzeitige Einbindung von Experten erheblich reduzieren. Die Berufshaftpflichtversicherung bietet dabei nicht nur finanziellen Schutz, sondern auch professionelle Unterstützung in der Schadenabwehr.
Für die Zukunft gilt: Die bei den Corona-Hilfen gewonnenen Erkenntnisse sollten in die allgemeine Kanzleipraxis integriert werden. Standards für Dokumentation, Prüfung und Kommunikation, die sich in der Krise bewährt haben, stärken die Position des Berufsstandes insgesamt. Wer aus den Herausforderungen der Pandemie die richtigen Lehren zieht, ist für künftige Sondersituationen bestens gerüstet.
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