Hinweis: Eine ausführliche Darstellung zu Widerspruch und Klage bei den Überbrückungshilfen, die Sie auch Ihren Mandanten zur Verfügung stellen können,
finden Sie hier.
Irrtum 1: „Ein Einspruch wie im Steuerrecht reicht aus.“
Ein weit verbreiteter Irrtum ist die Gleichsetzung der Rechtsmittel aus dem Steuerrecht mit denen des Verwaltungsrechts. Überbrückungshilfen unterliegen jedoch nicht der Abgabenordnung oder der Finanzgerichtsordnung, sondern dem Verwaltungsrecht.
Anders als beim steuerrechtlichen Einspruch müssen Sie je nach Bundesland entweder Widerspruch einlegen oder direkt Klage erheben. In Bundesländern wie Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen wurde das Widerspruchsverfahren abgeschafft. Hier führt der vermeintlich „fristwahrende Einspruch“ direkt zur Bestandskraft des Bescheids, da die einmonatige Klagefrist ungenutzt verstreicht. Folge: Haftungsgefahr für den prüfenden Dritten, der den Einspruch erhoben hat, der keine fristwahrende Wirkung hat.
Prüfen Sie daher stets die Rechtsbehelfsbelehrung im Rückforderungsbescheid, um den korrekten Rechtsbehelf zu identifizieren.
Irrtum 2: „Die Frist beginnt erst, wenn der Mandant informiert ist.“
Ein gefährlicher Irrtum betrifft den Fristbeginn. Viele Steuerberater gehen davon aus, dass die Widerspruchs- oder Klagefrist erst zu laufen beginnt, wenn sie ihren Mandanten über den Bescheid informiert haben.
Tatsächlich beginnt die einmonatige Frist bereits mit Bekanntgabe des Bescheids an den Steuerberater als bevollmächtigten Vertreter des Unternehmens. Wenn der Steuerberater den Bescheid zwei Wochen liegen lässt, bevor er den Mandanten informiert, sind bereits zwei wertvolle Wochen der Rechtsbehelfsfrist verstrichen.
Organisieren Sie daher einen zuverlässigen Prozess zur sofortigen Weiterleitung behördlicher Bescheide an Ihre Mandanten.
Irrtum 3: „Einfache E-Mail genügt für einen Widerspruch.“
Ein weiterer häufiger Fehler ist die formell unzureichende Einlegung des Widerspruchs. Eine einfache E-Mail genügt nicht.
Der Widerspruch muss in Schriftform eingelegt werden. Das bedeutet in der Regel ein unterschriebenes Dokument, das per Post oder mit qualifizierter elektronischer Signatur über das besondere elektronische Steuerberaterpostfach (beSt) eingereicht wird. Dabei gelten spezifische Formvorschriften, die streng einzuhalten sind.
Am sichersten ist der Versand per Einwurf-Einschreiben, ergänzt durch ein Telefax mit aufbewahrtem Sendeprotokoll.
Irrtum 4: „Als Prozessvertreter bin ich weiterhin tauglicher Zeuge.“
Steuerberater, die ihre Mandanten im Widerspruchs- oder Klageverfahren vertreten, übersehen häufig einen wichtigen prozessualen Aspekt: Ihre Werthaltigkeit als Zeuge im Klageverfahren ist deutlich eingeschränkt. Wer als Prozessvertreter auftritt, ist aus Sicht des Verwaltungsgerichts in der Regel kein überzeugender Zeuge, der neutral berichtet.
Es empfiehlt sich daher eine klare Rollenverteilung: Der Steuerberater unterstützt bei der Sachverhaltsaufklärung, während ein spezialisierter Rechtsanwalt die Prozessführung übernimmt.
Irrtum 5: „Im Klageverfahren kann ich alle Tatsachen nachreichen.“
Viele Steuerberater vertrauen darauf, dass sie auch im Klageverfahren jederzeit neue Tatsachen und Beweismittel vorbringen können – ähnlich wie im Einspruchsverfahren bei Steuersachen.
Obwohl im Verwaltungsprozess formell der Untersuchungsgrundsatz gilt, ist die Praxis eine andere: Verwaltungsgerichte gehen davon aus, dass der entscheidungserhebliche Sachverhalt bereits im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren festgestellt wurde. Neue Tatsachen, die bereits früher hätten vorgetragen werden können, werden oft mit Skepsis betrachtet oder im schlimmsten Fall gar nicht mehr berücksichtigt.
Besonders bei den Überbrückungshilfen tendieren Verwaltungsgerichte dazu, sich auf eine reine Rechtmäßigkeitskontrolle zu beschränken. Was im Widerspruchsverfahren versäumt wurde, lässt sich vor Gericht häufig nicht mehr nachholen.
Irrtum 6: „Das Klageverfahren bedeutet sofortige Rückzahlung.“
Ein verbreitetes Missverständnis betrifft die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen. Viele Steuerberater und Mandanten befürchten, dass sie trotz eines laufenden Verfahrens die geforderten Beträge zunächst zurückzahlen müssen.
Tatsächlich haben sowohl der Widerspruch als auch die Klage gegen Rückforderungsbescheide gem. § 80 Abs. 1 VwGO grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Das bedeutet, dass die Rückzahlungspflicht während des gesamten Verfahrens ausgesetzt ist und keine Vollstreckungsmaßnahmen drohen.
Dieser Liquiditätsvorteil kann bei längeren Verfahrensdauern von 1-2 Jahren erheblich sein und sollte in die wirtschaftliche Gesamtbetrachtung einbezogen werden.
Irrtum 7: „Verwaltungsgerichte entscheiden wie Finanzgerichte.“
Steuerberater, die an die Entscheidungspraxis der Finanzgerichte gewöhnt sind, unterschätzen oft die regionalen Unterschiede in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte, besonders bei den noch nicht höchstrichterlich geklärten Rechtsfragen rund um die Überbrückungshilfen.
Einige Verwaltungsgerichte haben tendenziell antragstellerfreundliche Entscheidungen getroffen, während andere stärker der Argumentation der Bewilligungsstellen folgen. Die Kenntnis der lokalen Gerichtspraxis kann für die Erfolgsabschätzung entscheidend sein.
Für eine realistische Einschätzung der Erfolgsaussichten ist daher die Expertise eines auf die Überbrückungshilfen spezialisierten Rechtsanwalts unerlässlich.
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