Leiharbeitnehmende und in der Zeitarbeit Beschäftigte haben regelmäßig keine erste Tätigkeitsstätte. Auch wenn der Einsatz beim Entleiher in wiederholten, aber befristeten Einsätzen besteht, fehlt es nach neuer Rechtsprechung regelmäßig an einer dauerhaften Zuordnung. In diesen Fällen erfolgt keine Beschränkung der Fahrtkosten auf die Entfernungspauschale. Unsicherheit herrscht aktuell wieder bei Langzeitfällen.
Fahren Arbeitnehmende zu ihrer ersten Tätigkeitsstätte, können sie für diese Fahrten die Entfernungspauschale von 0,30 Euro je Entfernungskilometer bzw. ab dem 21. Kilometer seit dem Jahr 2022 0,38 Euro je Entfernungskilometer abziehen. Steuerfreie Erstattungen vom Arbeitgeber scheiden zumindest für Fahrten mit dem Pkw aus. Die im Regelfall erforderliche Zuordnung durch den Arbeitgeber zu einer ersten Tätigkeitsstätte muss voraussichtlich auf Dauer angelegt sein.
Liegt hingegen keine erste Tätigkeitsstätte vor, sind die tatsächlichen Fahrtkosten abzugsfähig. Sie können bei Nutzung eines Kfz mit 0,30 Euro je gefahrenem Kilometer (und damit für Hin- und Rückfahrt in Höhe von 0,60 Euro) als Werbungskosten angesetzt oder vom Arbeitgeber steuerfrei ersetzt werden.
Dauerhafte Zuordnung zu einer ersten Tätigkeitsstätte
Die typischen Fälle einer dauerhaften Zuordnung sind (§ 9 Abs. 4 Satz 3 EStG)
- die unbefristete Zuordnung des/der Arbeitnehmenden zu einer bestimmten betrieblichen Einrichtung,
- die Zuordnung für die Dauer des gesamten – befristeten oder unbefristeten – Dienstverhältnisses oder
- die Zuordnung über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus.
Erste Tätigkeitsstätte für Leiharbeiter möglich
Leiharbeitnehmende und in der Zeitarbeit Beschäftigte haben regelmäßig wegen fehlender Dauerhaftigkeit keine erste Tätigkeitsstätte. Es war bislang aber streitig, ob es davon Ausnahmen gibt. Nach Verwaltungsauffassung kann eine solche gegeben sein, wenn der Einsatz „bis auf Weiteres“, also unbefristet, für die gesamte Dauer des Leiharbeitsverhältnisses oder länger als 48 Monate erfolgt (BMF, Schreiben vom 25. November 2020 – IV C 5 – S 2353/19/10011 :006, Tz. 21).
Erster Versuch BFH: Wann können Leiharbeitnehmende eine erste Tätigkeitsstätte haben?
Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte sich erstmals 2019 mit der Thematik beschäftigt. Im damaligen Streitfall war aber eine besondere Konstellation gegeben: Der Arbeitnehmer war bereits einer ersten Tätigkeitsstätte zugeordnet gewesen und wurde dann im weiteren Verlauf einer anderen Tätigkeitsstätte zugeordnet. Die zweite Zuordnung konnte damit nicht mehr für die Dauer des Dienstverhältnisses erfolgen. Leider blieb damit auch die Frage, in welchen Fällen Leiharbeitnehmende eine erste Tätigkeitsstätte haben können, ungeklärt.
Unbefristetes Arbeitsverhältnis, aber befristetes Leihverhältnis
Die Chance zur weitergehenden Klärung hat der BFH dann aber im zweiten Revisionsverfahren genutzt. Der Kläger befand sich in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zu dem Zeitarbeitsunternehmen. Nach dem Arbeitsvertrag sollte er als überbetrieblicher Mitarbeiter bei Kunden (Entleiher) eingesetzt werden. Eingesetzt war der Kläger vereinbarungsgemäß ab Vertragsbeginn im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses ausschließlich und durchgängig als CNC-Fräser bei einem Kunden. Das Leihverhältnis war nach den zwischen Entleiher und Verleiher geschlossenen Vereinbarungen befristet. Der weitere Einsatz des Klägers war also davon abhängig, dass der Kunde nach Ablauf der jeweiligen Frist mit dem Arbeitgeber ein weiteres (befristetes) Leihverhältnis begründete. Dies war stets geschehen.
Finanzgericht urteilt: Leiharbeiter hat erste Tätigkeitsstätte
Nach dem Urteil des Finanzgerichts (Niedersächsisches FG, Urteil vom 28. Mai 2020 – 1 K 382/16) sollte der Kläger an seinem Einsatzort beim Entleiher eine erste Tätigkeitsstätte haben. Der Einsatz sei sowohl für den Kläger als Mitarbeiter als auch den Arbeitgeber von vornherein so gestaltet gewesen, dass der Kläger bis auf Weiteres, also nicht befristet beim Entleiher eingesetzt werden sollte.
BFH widerspricht: Arbeitsverhältnis zum Entleiher maßgebend – Überlassung nur befristet
Im Revisionsverfahren hat der BFH jedoch das Vorliegen einer ersten Tätigkeitsstätte des Klägers im Betrieb Entleihers verneint (BFH, Urteil vom 12. Juni 2022 – VI R 32/20) verneint, weil die Zuordnung des Klägers zu der Einrichtung des Entleihers nicht dauerhaft war.
Maßgebliches Arbeitsverhältnis für die Frage, ob der Arbeitnehmende einer betrieblichen Einrichtung dauerhaft zugeordnet ist, ist nach Auffassung der obersten Steuerrichter das zwischen dem Arbeitgeber (Verleiher) und dem (Leih-)Arbeitnehmer bestehende Arbeitsverhältnis. Das war im Streitfall unbefristet.
Die Überlassung des Klägers von seinem Arbeitgeber an den Entleiher erfolgte dessen ungeachtet aber dennoch jeweils befristet, denn der weitere Einsatz des Klägers beim Entleiher war davon abhängig, dass dieser nach Ablauf der jeweiligen Frist mit dem Verleiher eine weitere (wiederum befristete) Arbeitnehmerüberlassung vereinbarte.
Nach der Rechtsprechung kommt für das Auffinden einer ersten Tätigkeitsstätte auf die arbeitsrechtliche Zuordnungsentscheidung des lohnsteuerrechtlichen Arbeitgebers und in Fällen der Arbeitnehmerüberlassung grundsätzlich nicht auf die Vereinbarungen zwischen dem Verleiher und dem Entleiher an. Im Streitfall waren folglich ausschließlich die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen zwischen dem Verleiher und dem Kläger maßgebend.
BFH: Keine dauerhafte Zuordnung
Der Kläger war im Streitjahr zunächst für die Zeit vom 1. Januar 2014 bis zum 30. September 2014 und danach vom 1. Oktober 2014 bis zum 31. Dezember 2014 jeweils „befristet“ beim Entleiher eingesetzt. Der BFH ging daher nur von einer befristeten Zuordnung des Klägers zu der betrieblichen Einrichtung des Entleihers aus. Dies gelte insbesondere angesichts der ihrerseits jeweils nur befristeten Arbeitnehmerüberlassungsvereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Entleiher.
Zudem wiesen die Richter darauf hin, dass die Überlassung von Arbeitnehmenden an Entleiher nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz inzwischen nach Definition immer nur vorübergehend erfolgt. Nach der ab dem 1. April 2017 geltenden Fassung des § 1 Abs. 1b AÜG darf – vorbehaltlich einer abweichenden tarifvertraglichen Regelung – der Verleiher denselben Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 Monate demselben Entleiher überlassen.
FG: Erste Tätigkeitsstätte bleibt trotz Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes bestehen
Ob das auch für Altfälle steuerlich uneingeschränkt gilt, ist inzwischen aber wieder offen. In einem Streitfall beim FG München wurde der Kläger in den Streitjahren 2017 und 2018 wie in den Vorjahren ausschließlich einem Entleiher überlassen. Ab Ende 2015 bestand ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Nach der Änderung des AÜG zum 1. April 2017 schlossen die Zeitarbeitsfirma und der Entleiher einen neuen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag, bei dem als Ende der Überlassung des Klägers „vorübergehend“ angegeben war.
Das FG hat in seinem Urteil vom 21. März 2023 (6 K 1233/20) eine erste Tätigkeitsstätte bejaht. Der Kläger sei ab dem 28. November 2015 unbefristet bei der Zeitarbeitsfirma beschäftigt gewesen und dem Entleiher aus der zu diesem Zeitpunkt maßgeblichen ex ante Betrachtung des unbefristeten Arbeitsverhältnisses dauerhaft zugeordnet. Bei Abschluss des unbefristeten Arbeitsvertrages sei die gesetzliche Neuregelung des AÜG nicht absehbar und damit nicht zu beachten gewesen.
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