Unternehmer, die Bauleistungen erbringen und ihren Kunden deshalb eine Freistellungsbescheinigung des Finanzamts zur Bauabzugsteuer ausgehändigt haben, sollten die Gültigkeit dieser Freistellungsbescheinigung regelmäßig überprüfen. Viele Freistellungen verlieren zum Jahreswechsel ihre Gültigkeit.

Neben den leistenden Unternehmen trifft auch die Leistungsempfänger eine Pflicht zur Prüfung der Rechtmäßigkeit und Gültigkeit einer vorgelegten Freistellungsbescheinigung.

Bauabzugsteuer: Diese Unternehmer sollten prüfen, ob die Freistellungsbescheinigung noch gilt

Den Check der Freistellungsbescheinigung sollten folgende Unternehmer durchführen:

  • Unternehmer, die Bauleistungen in Auftrag gegeben haben.
  • Zusammenschlüsse von Unternehmern, wie z. B. Personengesellschaften oder Arbeitsgemeinschaften aus dem Baugewerbe.
  • Generalunternehmer, die nicht selbst als Bauunternehmer tätig werden, aber mit dem Leistungsempfänger über die Leistungen der Subunternehmer abrechnen, fallen unter den Anwendungsbereich des Steuerabzugs für Bauleistungen nach § 48 EStG.

Es empfiehlt sich, die an Kunden ausgehändigten Freistellungsbescheinigungen zur Bauabzugsteuer schnellstmöglich zu prüfen, um zu verhindern, dass die Kunden bei Begleichung von Rechnungen im Januar die 15%ige Bauabzugsteuer einbehalten und ans Finanzamt abführen. Das gilt ebenso für eine Zahlung mittels Aufrechnung. Auch hierfür muss zum Zeitpunkt der Aufrechnung eine gültige Freistellungsbescheinigung vorgelegt werden.

Das Bundeszentralamt für Steuern erteilt dem Leistungsempfänger im Wege der elektronischen Abfrage Auskunft über eine elektronisch gespeicherte Freistellungsbescheinigung.

Praxis-Hinweis: Bagatellgrenze

Es besteht keine Steuerabzugspflicht, wenn die Gegenleistung für die ausgeführten Bauleistungen im laufenden Kalenderjahr voraussichtlich 15.000 EUR bzw. 5.000 EUR nicht übersteigt. Die Freigrenze von 15.000 EUR ist bei Leistungsempfängern anzuwenden, die ausschließlich steuerfreie Vermietungsumsätze nach § 4 Nr. 12 UStG ausführen. Die Anwendung der erhöhten Freigrenze ist jedoch nicht möglich, wenn der Leistungsempfänger nach § 4 Nr. 12 UStG steuerfreien Umsätze nach § 9 UStG zur Umsatzsteuerpflicht optiert hat.

Für steuerpflichtige Umsätze gilt die Freigrenze von 5.000 EUR. Unter die Freigrenze von 5.000 EUR fallen auch Unternehmer, die juristische Personen des öffentlichen Rechts sind. Hierfür muss der Unternehmer eine Prognose seiner voraussichtlichen Gegenleistungen je leistendem Unternehmer vornehmen.

Unter die Bauleistungen fallen alle Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung oder Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Der Begriff des Bauwerks ist hierbei weit auszulegen und umfasst nicht nur Gebäude, sondern sämtliche mit dem Erdboden verbundenen Anlagen. Dasselbe gilt für Bauwerke, die aufgrund ihrer eigenen Schwere auf dem Boden ruhen (z. B. Versorgungsleitungen oder Tunnel). Auch Scheinbestandteile gem. § 95 BGB und Betriebsvorrichtungen gem. BewG fallen unter den Begriff des Bauwerks.

Nicht unter die Bauleistungen fallen

  • reine Planungsleistungen von z.B. Statikern, Architekten, Vermessungs- und Bauingenieuren sowie
  • Wartungsarbeiten an Bauwerken oder Teilen von Bauwerken.

Auch die Reinigung von Räumen oder Flächen fällt nicht unter den Begriff der Bauleistungen, solange es sich nicht um eine Nebenleistung zu einer Bauleistung handelt.

Neben den Freigrenzen ist ein Steuerabzug vom Auftraggeber auch nicht vorzunehmen, wenn der leistende Unternehmer im Zeitpunkt der Leistung eine gültige Freistellungsbescheinigung vorlegen kann oder der Auftraggeber nicht mehr als zwei Wohnungen vermietet.

Praxis-Tipp: Wie das Überschreiten der Freigrenze vermieden werden kann

Häufig kann durch die Verschiebung bereits einer Gegenleistung in das neue Kalenderjahr das Überschreiten der Freigrenzen von 15.000 EUR bzw. 5.000 EUR vermieden werden.

Freistellungsbescheinigung für Bauleistungen ist ungültig: Was Bauunternehmer tun sollten

Ist eine Freistellungsbescheinigung zum Jahreswechsel ungültig geworden, sollten Bauunternehmer folgendermaßen vorgehen:

  • Beim Finanzamt ist umgehend eine neue Freistellungsbescheinigung zur Bauabzugsteuer zu beantragen und an die Unternehmenskunden auszuhändigen.
  • Stehen Zahlungen an, sollte ein Zahlungsaufschub gewährt werden, bis die neue Bescheinigung vorliegt. Das verhindert den Einbehalt der Bauabzugsteuer durch den Auftraggeber.

Gültigkeit der Freistellungsbescheinigung – Unternehmer muss 6 Monate vor Ablauf tätig werden

Die Freistellungsbescheinigung gilt ab dem Tag der Ausstellung (Ausstellungsdatum). Der Unternehmer sollte 6 Monate vor Ablauf der Bescheinigung einen Antrag auf Erteilung einer neuen Freistellungsbescheinigung stellen. Das Finanzamt erstellt dann eine Folgebescheinigung. Es erfolgt keine automatische Verlängerung, möchte der Unternehmer eine Folgebescheinigung muss er diese schriftlich beantragen.

Erfüllt der leistende Unternehmer seine steuerlichen Pflichten zuverlässig und wird der Steueranspruch nicht gefährdet, ist jedem Unternehmer, der entsprechende Leistungen ausführt eine Freistellungsbescheinigung auszustellen. Für die Erteilung von Freistellungsbescheinigungen an leistende Unternehmer mit Wohnsitz, Sitz, Geschäftsleitung oder gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland gelten die gleichen Grundsätze wie für inländische Unternehmer.

Freistellungsbescheinigung verloren

Verliert der Unternehmer seine Freistellungsbescheinigung stellt das Finanzamt eine Ersatzbescheinigung mit gleichem Inhalt aus. Auf Antrag und bei Vorliegen aller Voraussetzungen kann das Finanzamt auch eine neue Freistellungsbescheinigung ausstellen.

Ändern sich persönliche Identifikationsmerkmale des Steuerpflichtigen ist dem Antragsteller eine neue Freistellungsbescheinigung auszustellen. Die neue Bescheinigung kann eine von der bisher gültigen Freistellungsbescheinigung abweichende Gültigkeit erhalten. Die Speicherung der Daten erfolgt beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt).

Achtung: Gefährdungstatbestände

Bereits das Vorhandensein nachhaltiger Steuerrückstände oder die wiederholte Angabe unrichtiger Angaben in der Steuererklärung kann als Gefährdungstatbestand angesehen werden und die Ausstellung einer Freistellungsbescheinigung verhindern. Auch wenn der leistende Unternehmer seine Anzeigepflicht gem. § 138 AO nicht erfüllt oder seiner Mitwirkungspflichten gem. § 90 AO nicht nachkommt, wird dies als Gefährdungstatbestand angesehen. Die Finanzverwaltung stellt hierbei auf das Gesamtbild der Verhältnisse ab. Jedoch darf die Freistellungsbescheinigung vom Finanzamt nicht als Druckmittel für rückständige Steuerbeträge eingesetzt werden.

Wird der Betrieb eingestellt, ist das kein Grund die ausgestellte Freistellungsbescheinigung zu widerrufen. Lediglich eine Gewerbeuntersagung führt zu einer Widerrufung der ausgestellten Freistellungsbescheinigung.

Die Freistellungsbescheinigung kann auf einen bestimmten Zeitpunkt, längstens aber für 3 Jahre ausgestellt werden.

Existenzgründer und auftragsbezogene Tätigkeiten

Bei Existenzgründern und Unternehmern, die nur kurzfristig – auftragsbezogen – im Inland ausführen, muss das Finanzamt nach § 48b Abs. 2 EStG eine Freistellungsbescheinigung erteilen. Ein Ermessen hat das Finanzamt in diesen Fällen nicht. Insbesondere bei neugegründeten Unternehmen kann die Freistellungsbescheinigung auf ein bestimmtes Projekt ausgestellt werden. Der Ausstellung einer projektbezogenen Freistellungsbescheinigung wird sich das Finanzamt insbesondere dann bedienen, wenn das neu gegründete Unternehmen ein Nachfolgeunternehmen eines Unternehmens ist, dass seinen Zahlungs- und Erklärungspflichten nur unzuverlässig nachgekommen ist.

Freistellungsbescheinigung aus der Sicht des Auftraggebers

Für Unternehmer, die Bauleistungen i. S. v. §§ 48 ff. EStG in Auftrag gegeben haben, ist es enorm wichtig, im Zeitpunkt der Begleichung der Rechnung eine gültige Freistellungsbescheinigung des Auftragnehmers in den Händen zu halten oder elektronisch vorzuhalten. Ist die Freistellungsbescheinigung ungültig und die Bauabzugsteuer wird nicht einbehalten, kann das Finanzamt den Auftraggeber für den nicht einbehaltenen Betrag in Haftung nehmen. Eine Haftung ist nur dann ausgeschlossen, wenn der Leistungsempfänger auf die Rechtmäßigkeit der vorgelegten Freistellungsbescheinigung vertrauen durfte. Grundsätzlich hat sich der Leistungsempfänger der Rechtmäßigkeit der Bescheinigung zu versichern (Prüfung Dienstsiegel und ob eine Sicherheitsnummer vorhanden ist).  

Praxis-Tipp: Wie die Gültigkeit einer Freistellungsbescheinigung überprüft werden kann

Der Leistungsempfänger hat die Möglichkeit die Gültigkeit der Freistellungsbescheinigung zu überprüfen und so sein eigenes Risiko zu minimieren. Hierzu kann er eine

Abfrage auf elektronischem Weg beim BZSt
machen oder aber beim zuständigen Finanzamt des leistenden Unternehmers anrufen und sich die Rechtmäßigkeit und Gültigkeit der Freistellungsbescheinigung bestätigen lassen.

Wird die Gegenleistung mittels Abschlagszahlungen, z. B. entsprechend des Baufortschritts beglichen, kann von einem Steuerabzug durch den Auftraggeber nur abgesehen werden, wenn vor Auszahlung des Teilbetrages eine gültige Freistellungsbescheinigung des leistenden Unternehmers vorgelegt werden konnte.

Freistellungsbescheinigung für Bauleistungen ist ungültig: Was Auftraggeber tun sollten

Hat die vom Auftragnehmer ausgehändigte Freistellungsbescheinigung zum Jahreswechsel ihre Gültigkeit verloren, weil die Bescheinigung vom Finanzamt nur auf längstens 3 Jahre ausgestellt werden kann, empfiehlt sich für den Auftraggeber folgende Vorgehensweise:

  • Der Auftragnehmer ist schriftlich zur Vorlage einer neuen – gültigen – Freistellungsbescheinigung zur Bauabzugsteuer aufzufordern.
  • Wird eine Zahlung fällig und die neue Freistellungsbescheinigung liegt nicht vor, muss zur Haftungsvermeidung die 15%ige Bauabzugsteuer einbehalten und ans Finanzamt abgeführt werden (bis zum 10. Kalendertag des Folgemonats des Monats des Einbehalts). Alternativ kann ein neues Zahlungsziel vereinbart werden, nämlich dann, wenn die neue Freistellungsbescheinigung vorliegt.

Bemessungsgrundlage für den Steuereinbehalt des Leistungsempfängers

Bemessungsgrundlage für den Steuereinbehalt ist regelmäßig die Gegenleistung. Als Gegenleistung gehört das Entgelt zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer. Die Umsatzsteuer ist auch im Falle von § 13b-Leistungen mit in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. 15 % der Bemessungsgrundlage sind als Steuerabzug einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen. Solidaritätszuschlag wird auf den Steuerabzug nicht erhoben.

Praxis-Hinweis: Anrechnung der Bauabzugsteuer

Der Steuerabzug wird auf die vom Leistungserbringer zu entrichtenden Steuern angerechnet, wenn der Steuereinbehalt beim Finanzamt angemeldet und an dieses entrichtet wurde.

Folgen für Leistungsempfänger bei fehlendem Steuereinbehalt

Behält der Leistungsempfänger widerrechtlich keine Bauabzugsteuer ein und meldet diese auch nicht fristgerecht beim Finanzamt, kann ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden. Für jeden Monat der Verspätung beträgt der Verspätungszuschlag 0,25 % der festgesetzten Steuer, mindestens aber 10 EUR, je angefangenen Monat. Der Verspätungszuschlag kann bis zu 25.000 EUR betragen. Kommt es darüber hinaus zu einer verspäteten Zahlung der Bauabzugsteuer entstehen Säumniszuschläge.

Darüber hinaus entfällt hinsichtlich der Gegenleistung (Zahlung des geschuldeten Geldbetrags) der Betriebsausgaben- oder Werbungskostenabzug für den Leistungsempfänger.