Viel Begabung und wenig Geld? Wenn sich Studenten und Nachwuchswissenschaftler in dieser Situation wiederfinden, kann ein Stipendium ein geeigneter Weg sein, um finanzielle Unterstützung zu erhalten.
Das Einkommensteuergesetz stellt Stipendienzahlungen steuerfrei, sofern gewisse Fördervoraussetzungen erfüllt sind. Nach § 3 Nr. 44 EStG müssen die Zahlungen beispielsweise aus öffentlichen Mitteln stammen, zudem darf der Stipendiat nicht zu einer bestimmten Gegenleistung oder Arbeitnehmertätigkeit verpflichtet werden. Das Stipendium muss ferner der Förderung der Forschung bzw. der wissenschaftlichen oder künstlerischen Aus- oder Fortbildung dienen und darf einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.
OFD beleuchtet Stipendienprogramme
Mit aktualisierter Verfügung vom 15.8.2024 hat die OFD Frankfurt am Main dargelegt, wie bestimmte Stipendienprogramme steuerlich einzuordnen sind und welche Zuständigkeitsregelungen bei in- und ausländischen Stipendiengebern beachtet werden müssen. Die wichtigsten Aussagen im Überblick:
Welches Finanzamt ist bei inländischen Stipendiengebern zuständig?
Ob ein Stipendium nach § 3 Nr. 44 EStG steuerfrei belassen werden kann, müssen die Finanzämter prüfen, die für die Körperschaftsteuerveranlagung des Stipendiengebers zuständig sind (oder bei nicht bestehender Steuerpflicht zuständig wären). Diese Ämter müssen auf Anforderung des Stipendiaten oder dessen Wohnsitzfinanzamts eine Bescheinigung darüber ausstellen, dass die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung erfüllt sind bzw. die Ausstellung einer Bescheinigung ablehnen.
Hinweis: Die Bescheinigung bindet das Wohnsitzfinanzamt des Stipendiaten hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung der Steuerfreiheit; eine erneute Prüfung darf dort daher nicht mehr erfolgen.
Besonderheiten bei EU/EWR-Stipendiengebern
Nach der Rechtsprechung des BFH müssen auch Stipendien von bestimmten gemeinnützigen EU- bzw. EWR-Institutionen steuerfrei belassen werden, da eine ausschließlich inländische Begünstigung eine unzulässige Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstellen würde (Urteil v. 15.9.2010, X R 33/08). Die OFD weist darauf hin, dass diese Rechtsprechung von der Finanzverwaltung allgemein und in allen offenen Fällen angewandt wird. Zum Nachweis, dass diese Institutionen die deutschen gemeinnützigkeitsrechtlichen Vorgaben erfüllen, müssen deren Stipendiaten aus Deutschland ihrem Wohnsitzfinanzamt gegenüber allerdings umfangreiche Nachweispflichten erfüllen – unter anderem müssen sie die Satzung, den Tätigkeitsbericht, eine Aufstellung von Einnahmen und Ausgaben, sowie den Kassenbericht vorlegen.
Hinweis: Die OFD weist ausdrücklich darauf hin, dass allein eine Bescheinigung über ein erhaltenes Stipendium von einer nicht in Deutschland steuerpflichtigen Organisationen nicht zur Nachweisführung genügt.
Begünstigte Höhe des Stipendiums
Eine Steuerbefreiung setzt voraus, dass die Stipendienzahlungen nicht höher ausfallen, als sie für die Erfüllung der Forschungsaufgabe oder für die Bestreitung des Lebensunterhalts und der Deckung des Ausbildungsbedarfs erforderlich sind (§ 3 Nr. 44 Satz 3 Buchst. a EStG). Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist dieses Angemessenheitserfordernis erfüllt, wenn das Stipendium die Einnahmen aus einer vormaligen Beschäftigung nicht übersteigt (BFH, Urteil v. 24.2.2015, VIII R 43/12).
Einzelne Förderprogramme im Fokus
Die OFD greift in ihrer Verfügung abschließend einzelne Förderprogramme auf und äußert sich wie folgt zu deren steuerlichen Behandlung:
Stipendien nach dem Heisenberg-Programm und Butenandt-Stipendien
Stipendien der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) nach dem Heisenberg-Programm wurden von der Finanzverwaltung bislang nicht als nach § 3 Nr. 44 EStG steuerfrei angesehen. Nach bisheriger Verwaltungsmeinung überstiegen sie den Betrag, der für Lebensunterhalt und Ausbildungsbedarf erforderlich ist (die Höhe des Stipendiums orientiert sich am mittleren Einkommen eines Hochschullehrers der Besoldungsgruppe C 2). Die Einnahmen mussten daher bislang vom Stipendiaten als Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit versteuert werden. Gleiches galt für sogenannte Butenandt-Stipendien der Max-Planck-Förderstiftung.
In der aktualisierten Verfügung weist die OFD nun aber auf einen neuen Bund-Länder-Beschluss hin, nach dem Leistungen aus Heisenberg-Stipendien grundsätzlich nach § 3 Nr. 44 EStG steuerfrei belassen werden können. Die Finanzverwaltung folgt damit der neueren Rechtsprechung des BFH (Beschluss v. 24.10.2023, VIII R 11/22), die von einer Steuerfreiheit der Leistungen aus dem Heisenberg-Stipendium der DFG ausgeht.
Hinweis: Im zugrundeliegenden Fall hatte der BFH festgestellt, dass die bewilligten Mittel nicht den für die Bestreitung des Lebensunterhalts erforderlichen Betrag überschritten hatten. Dies hatte der BFH aus dem Umstand gefolgert, dass die Klägerin aus ihrer vorherigen Tätigkeit als Lehrstuhlvertretung deutlich höhere Bruttoeinnahmen bezogen hatte.
Für Butenandt-Stipendien gilt nach der OFD-Verfügung die gleiche (neue) steuerliche Einordnung, da diese den Heisenberg-Stipendien inhaltlich entsprechen.
Förderprogramm „Junges Kolleg“
Stipendien, die von der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaft im Rahmen des Förderprogramms „Junges Kolleg“ gewährt werden, können steuerfrei bezogen werden, da sie unmittelbar aus öffentlichen Mitteln stammen, kein Entgelt für eine Gegenleistung darstellen und der Höhe nach noch angemessen sind.
EXIST Gründerstipendien
EXIST Gründerstipendien sind nicht steuerbefreit, weil sie in erster Linie dazu dienen, Existenzgründervorhaben zu unterstützen (keine Förderung von Forschung und wissenschaftlicher Ausbildung).
Die OFD verweist in ihrer aktualisierten Verfügung auf die neuere Rechtsprechung des BFH (Urteil v. 25.3.2021, VIII R 47/18), wonach der Zweck eines EXIST-Gründerstipendiums nicht unter den Förderungszweck des § 3 Nr. 44 EStG fällt.
Hinweis: Die Finanzämter wurden von der OFD angewiesen, offene Einspruchsverfahren zu dieser Frage nun im Sinne der (gerichtlich bestätigten) Verwaltungsauffassung abzuschließen.
Arbeits- und Aufenthaltsstipendien der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen
Ob Arbeits- und Aufenthaltsstipendien der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen steuerfrei zu stellen sind, müssen die Finanzämter einzelfallabhängig entscheiden.
Thüringen-Stipendium für Assistenzärzte
Stipendien für Assistenzärzte, die von der Stiftung zur Förderung der ambulanten Versorgung im Freistaat Thüringen vergeben werden, mussten vom Stipendiaten nach bisheriger Verwaltungsmeinung bei monatlicher Zahlung als wiederkehrende Bezüge nach § 22 Nr. 1 EStG und bei Einmalzahlung als sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 3 EStG versteuert werden. In der aktualisierten Verfügung hat die OFD nun jedoch erklärt, dass es sich im Falle einer Einmalzahlung um eine nicht steuerbare Leistung handelt, da in diesem Fall kein leistungsbezogenes Entgelt vorliegt (Anschluss an das BFH-Urteil v. 11.12.2020, IX R 33/18).
Bei wiederkehrender (monatlicher) Zahlung bleibt die OFD bei der Auffassung, dass es sich um steuerpflichtige wiederkehrende Bezüge nach § 22 Nr. 1 EStG handelt. Dies geht aus einem neuen Bund-Länder-Beschluss hervor.
Studienbeihilfen für Medizinstudenten
Stipendien und Studienhilfen an Medizinstudenten sind von einem Steuerzugriff ausgenommen, da sie nicht steuerbar sind.
Stipendien der Carl-Zeiss-Stiftung
Stipendien der Carl-Zeiss-Stiftung sind nicht steuerfrei, da es sich bei dieser Institution nach OFD-Auffassung nicht um eine gemeinnützige Stiftung handelt.
Hinweis: Die OFD befasst sich in ihrer Verfügung ausschließlich mit der Steuerbefreiung des § 3 Nr. 44 EStG. In der Praxis sollte beachtet werden, dass bestimmte Ausbildungsstipendien auch nach § 3 Nr. 11 EStG steuerfrei belassen werden können.
OFD Frankfurt am Main, Verfügung v. 15.8.2024, S 2121 A – 00027 – 0357 – St 29