Aktualisierung (5.12.2024): Verkündung Jahressteuergesetz 2024; BMF-Schreiben v. 4.12.2024 (Verlängerung steuerliche Maßnahmen Ukraine)
Jedes Jahr zum Jahreswechsel besteht noch einmal die Chance, Sachverhalte des alten Veranlagungszeitraums zu prüfen und sich auf die Änderungen im neuen Jahr einzustellen. Gerade der Jahreswechsel 2024/2025 ist aufgrund der diversen gesetzlichen Änderungen eine besondere Herausforderung für die Praxis. Aber auch die Rechtsprechung und die Veränderungen bei der Rechtsauffassung der Finanzverwaltung müssen in diesem Zusammenhang noch einmal für 2024 geprüft werden, gleichzeitig aber auch für das Jahr 2025 berücksichtigt werden.
Die gesetzlichen Änderungen im Umsatzsteuerrecht 2024/2025
Das Kalenderjahr 2024 war bzw. ist für gesetzliche Änderungen im Umsatzsteuerbereich ein besonderes Jahr gewesen. Während sich die gesetzlichen Veränderungen in den Vorjahren eher in Grenzen hielten, sind im Jahr 2024 diverse wesentliche Veränderungen verabschiedet worden bzw. sind auch schon in Kraft getreten. Wichtige Änderungen treten zum 1.1.2025 in Kraft. Darunter befinden sich auch 2 „Schwergewichte“ im Umsatzsteuerrecht, die sicher noch in der folgenden Zeit zu Fragen und Anpassungsnotwendigkeiten führen werden: die neue E-Rechnung und die durch das Jahressteuergesetz eingeführte Reform der Kleinunternehmerbesteuerung. Daneben sind die zum 1.1.2024 ausgelaufene Absenkung des Steuersatzes für die Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen und die zum 1.4.2024 ebenfalls beendete Anwendung des ermäßigten Steuersatzes für die Lieferung von Gas und Wärme fast schon „Geschichte“, müssen aber im Zusammenhang mit der Jahressteuererklärung 2024 auch noch mit beachtet werden.
Für die Steueränderungen 2024, insbesondere zum Jahreswechsel 2024/2025 sind 3 Gesetzgebungsverfahren zu beachten, die zu Änderungen im Umsatzsteuerrecht geführt haben bzw. führen werden:
- das Wachstumschancengesetz
- das Vierte Bürokratieentlastugsgesetz
- das Jahressteuergesetz 2024
Wachstumschancengesetz
Das Wachstumschancengesetz sollte eigentlich schon im Jahr 2023 verabschiedet werden, das Gesetzgebungsverfahren ist aber aufgrund politischer Auseinandersetzungen erst nach Einschaltung des Vermittlungsausschusses im März 2024 abgeschlossen worden. Deshalb sind auch einige der in diesem Gesetzespaket enthaltenen Änderungen erst verspätet in Kraft getreten.
Überblick über die wichtigsten Änderungen
Durch das Wachstumschancengesetz haben sich sowohl mittelbar als auch unmittelbar Veränderungen des Umsatzsteuerrechts ergeben. Die wichtigsten Änderungen sind:
Eine mittelbare Änderung hat sich durch eine ertragsteuerrechtliche Anpassung ergeben: In § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG ist die Grenze für Geschenke von geringem Wert von bisher 35 EUR auf 50 EUR rückwirkend zum 1.1.2024 angehoben worden. Dies wirkt sich mittelbar auf die Frage der unentgeltlichen Wertabgabe in § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG sowie unmittelbar auf die Abzugsfähigkeit von Vorsteuern nach § 15 Abs. 1a UStG aus. Die Finanzverwaltung hat mittlerweile die diesbezüglichen Umsatzgrenzen im UStAE angepasst (BMF, Schreiben v. 12.7.2024, BStBl 2024 I S. 1131).
Praxis-Tipp: Die in den ersten Monaten des Jahres 2024 als „nicht abzugsfähige Geschenke“ erfolgten Buchungen ohne Vorsteuerabzug bis 50 EUR sollten noch einmal überprüft werden. Bei der Grenze von 50 EUR kommt es aber nicht auf das einzelne Geschenk an, sondern auf die Summe aller Geschenke eines Kalenderjahrs an eine Person.
Änderung bei der Möglichkeit zur Anwendung der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (Istbesteuerung) nach § 20 Satz 1 Nr. 1 UStG. Die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten ist möglich, wenn der Gesamtumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 800.000 EUR (bis 31.12.2023: 600.000 EUR) betragen hat. Die Regelung ist rückwirkend zum 1.1.2024 in Kraft getreten.
Praxis-Tipp: Obwohl die Änderung erst im März 2024 verabschiedet worden war, konnte sie schon für 2024 in Anspruch genommen werden, wenn der Gesamtumsatz im Kalenderjahr 2023 nicht mehr als 800.000 EUR betragen hat.
In § 4 Nr. 16 Buchst. m UStG ist geregelt worden, dass auch Verfahrenspfleger steuerfreie Leistungen ausführen, soweit ihre Preise genehmigt sind oder genehmigte Preise nicht überstiegen werden. Die Gesetzesänderung folgt der Rechtsprechung und ist zum 1.4.2024 in Kraft getreten.
Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 25 Satz 3 Buchst. d UStG ist um die im Rahmen einer Unterbringung oder freiheitsentziehender Maßnahmen nach § 167 Abs. 1 i. V .m. § 317 FamFG für Minderjährige tätigen Verfahrensbeistände ergänzt worden (Neuaufnahme des § 167 FamFG in die Aufzählung). Die Regelung ist zum 1.4.2024 in Kraft getreten.
In § 13b Abs. 5 Satz 8 UStG wurde die Vertrauensschutzregelung zur Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens auf die in § 13b Abs. 2 Nr. 6 UStG (Emissionsrechte) enthaltenen Leistungen erweitert. Die Regelung ist zum 1.4.2024 in Kraft getreten.
Hinweis: Die Vertrauensschutzregelung setzt voraus, dass die Vertragsparteien in den Zweifelsfällen das Reverse-Charge-Verfahren anwenden. Es gibt keine Vertrauensschutzregelung zur Nichtanwendung des Reverse-Charge-Verfahrens.
In die Vertrauensschutzregelung sind aber nur die ausdrücklich in § 13b Abs. 5 Satz 8 UStG erfassten Umsätze einbezogen.
Anpassung der unteren Grenze bei der Verpflichtung zur Abgabe vom Umsatzsteuer-Voranmeldungen: Hat die Steuer für das vorangegangene Kalenderjahr nicht mehr als 2.000 EUR betragen, kann das Finanzamt den Unternehmer von der Verpflichtung zur Abgabe der Voranmeldungen und Entrichtung der Vorauszahlungen befreien (§ 18 Abs. 2 Satz 3 UStG). Die Regelung tritt zum 1.1.2025 in Kraft.
Praxis-Tipp: Die Regelung gilt erstmals für den Veranlagungszeitraum 2025. Bei Unternehmern, deren Zahllast im Jahr 2024 nicht mehr als 2.000 EUR betragen hat, kann die Finanzverwaltung in Zukunft auf die Abgabe von (vierteljährigen) Voranmeldungen verzichten. Die Befreiung von der Abgabeverpflichtung wird zwar bei Vorlage der Voraussetzungen regelmäßig von der Finanzverwaltung erteilt, begründet aber für den Unternehmer keinen Rechtsanspruch.
Die neue E-Rechnung ab 2025
Das bei Weitem wichtigste Thema bei den umsatzsteuerrechtlichen Änderungen durch das Wachstumschancengesetz ist die verpflichtende Einführung der neuen E-Rechnung ab dem 1.1.2025.
Hinweis: Die neuen Regelungen zur E-Rechnung ab 2025 sind ein sehr umfassendes Thema, das die Möglichkeiten dieser Darstellung sprengen würde. Es werden an dieser Stelle deshalb nur die wichtigsten Punkte dargestellt. Zu den Details und den für die Praxis notwendigen Umsetzungsschritten siehe Wachstumschancengesetz: Verpflichtung zur elektronischen Rechnung. Die Finanzverwaltung (
BMF, Schreiben v. 15.10.2024, BStBl 2024 I S. 1320) hat zu diesem wichtigen Thema auch schon vorab Stellung genommen (siehe Kommentierung).
Die neue E-Rechnung wird jeden Unternehmer ab dem 1.1.2025 betreffen – dabei geht es nicht nur um die Ausstellung und Übermittlung der Rechnung durch den Rechnungsaussteller, sondern auch um die Notwendigkeit, eine solche E-Rechnung empfangen zu können, lesbar zu machen und dann den gesetzlichen Vorschriften entsprechend auch archivieren zu können. Die folgenden – wichtigsten – Punkte zur neuen E-Rechnung sollte jeder Unternehmer ab 2025 beachten:
Die Verpflichtung mit einer E-Rechnung abzurechnen, besteht nur, wenn eine Leistung von einem Unternehmer an einen anderen Unternehmer ausgeführt wird („B2B“). Dabei müssen beide Unternehmer im Inland ansässig sein. Die Leistung muss im Inland steuerbar und nicht steuerfrei nach § 4 Nr. 8 – 29 UStG sein.
Praxis-Tipp: Für die Beurteilung, ob mit einer E-Rechnung abgerechnet werden muss, kommt es nicht auf die Art der Umsätze des Leistungsempfängers an. Auch Unternehmer, die z. B. steuerfreie Vermietungsleistungen ausführen oder steuerfreie heilkundliche Leistungen erbringen, sind Unternehmer, die E-Rechnungen empfangen können müssen. Dies gilt auch für Kleinunternehmer, die ab 2025 ebenfalls steuerfreie Umsätze ausführen (§ 19 Abs. 1 UStG in der durch das JStG 2024 geänderten Fassung).
Eine E-Rechnung ist eine in einem maschinenlesbaren elektronischen Format erstellte, übermittelte und empfangene Rechnung, die auch elektronisch verarbeitbar sein muss (sie muss aber nicht zwingend elektronisch verarbeitet werden, sie muss jedoch elektronisch archiviert werden). Die Rechnung muss der europäischen Norm für die elektronische Rechnungsstellung und der Liste der entsprechenden Syntaxen entsprechen (nach RL 2014/55/EU v. 16.4.2014 – EN 16931). Das Format kann aber auch zwischen Rechnungsaussteller und -empfänger vereinbart werden, wenn es die richtige und vollständige Extraktion der notwendigen Angaben in die EU-Norm ermöglicht oder mit dieser interoperabel ist.
Praxis-Tipp: Die E-Rechnung kann ausschließlich in einem maschinenlesbaren Format ausgestellt werden (als XML-Datei ), sie kann aber auch als „hybride Rechnung“ erstellt werden, die sowohl einen maschinenlesbaren Teil als auch eine normale PDF-Datei enthält. Eine einfache PDF-Rechnung, die ohne einen maschinenlesbaren Teil lediglich an eine E-Mail angehängt und übermittelt wird, erfüllt ab 2025 nicht die Voraussetzung als E-Rechnung.
Im Zusammenhang mit der Einführung der E-Rechnung sind Übergangsregelungen (§ 27 Abs. 38 UStG) verabschiedet worden. Für Leistungen, die in den Jahren 2025 und 2026 erbracht werden und für die die Rechnungen dann auch bis zum 31.12.2026 ausgestellt werden, kann der leistende Unternehmer noch mit einer anderen Rechnung (sog. „sonstige Rechnung“ ) abrechnen. Eine Zustimmung des Leistungsempfängers ist in diesem Fall bei Abrechnung mit einer Papier-Rechnung nicht notwendig, allerdings dann, wenn mit einer „sonstigen elektronischen Rechnung“ abgerechnet wird (z. B. einfache PDF-Rechnung). Für Unternehmer, deren Gesamtumsatz im Kalenderjahr 2026 nicht mehr als 800.000 EUR betragen hat, gilt die Übergangsregelung noch ein Jahr länger bis zum 31.12.2027.
Wichtig: Keine Zustimmung des Leistungsempfängers ist notwendig, wenn der leistende Unternehmer ab dem 1.1.2025 mit einer neuen E-Rechnung abrechnet. Ob die Übergangsregelung in Anspruch genommen wird oder nicht, ist allein die Entscheidung des leistenden Unternehmers. Damit muss jeder Unternehmer in der Lage sein, ab 1.1.2025 E-Rechnungen empfangen und visualisieren zu können. Zur Entgegennahme einer E-Rechnung reicht aber ein normales E-Mail-Postfach aus.
Kleinbetragsrechnungen (§ 33 UStDV – Rechnungen mit einem Gesamtbetrag bis zu 250 EUR) sowie Fahrausweise (§ 34 UStDV) können auch weiterhin in jedem Fall als sonstige Rechnung (z. B. auf Papier oder als normale PDF-Datei) ausgestellt werden. Ebenfalls werden Kleinunternehmer von der Verpflichtung befreit, E-Rechnungen auszustellen (§ 34a UStDV, neu eingefügt durch Jahressteuergesetz 2024).
Praxis-Tipp: Kleinunternehmer müssen aber ab dem 1.1.2025 wie jeder andere Unternehmer auch in der Lage sein, E-Rechnungen zu empfangen, zu lesen und digital zu archivieren.
Viertes Bürokratieentlastungsgesetz
Durch das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz sind 3 Änderungen des Umsatzsteuerrechts verabschiedet worden:
Die Aufbewahrungspflicht für Rechnungen (§ 14b Abs. 1 Satz 1 UStG) ist auf 8 Jahre abgesenkt worden (bisher mussten Rechnungen 10 Jahre aufbewahrt werden). Die Regelung steht im Zusammenhang mit der Absenkung der Aufbewahrungspflicht für Buchungsbelege nach § 147 AO. Die Regelung gilt für alle Rechnungen, deren Aufbewahrungsfrist zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderungen zum 1.1.2025 noch nicht abgelaufen ist (§ 27 Abs. 40 UStG; Sonderregelungen gelten in bestimmten Fällen für Finanzdienstleister, § 27 Abs. 40 Satz 2 UStG). Korrespondierend dazu sind die Bußgeldvorschriften (§ 26a Abs. 2 Nr. 2 UStG) bei einem Verstoß gegen die Aufbewahrungsfristen angepasst worden.
Zum 1.1.2025 ist auch die obere Grenze für die Verpflichtung, monatliche Voranmeldungen abzugeben, angepasst worden. Die Verpflichtung greift nun erst, wenn die Zahllast im vorigen Kalenderjahr mehr als 9.000 EUR (§ 18 Abs. 2 Satz 2 UStG; bisher 7.500 EUR) betragen hat. Korrespondierend dazu ist auch die Antragsgrenze bei Erstattungen im Vorjahr auf 9.000 EUR angepasst worden (§ 18 Abs. 2a Satz 1 UStG).
Praxis-Tipp: Damit ergeben sich ab 2025 die folgenden Verpflichtungen für die reguläre Abgabe von Voranmeldungen: Hat die Zahllast im Jahr 2024 nicht mehr als 2.000 EUR betragen, kann das Finanzamt den Unternehmer von der Verpflichtung befreien, Voranmeldungen abgeben zu müssen. Hat die Zahllast im Jahr 2024 mehr als 2.000 EUR, aber nicht mehr als 9.000 EUR betragen, sind vierteljährlich Voranmeldungen abzugeben. Wenn die Zahllast im Jahr 2024 mehr als 9.000 EUR betragen hat, sind monatliche Voranmeldungen abzugeben.
Die Wertgrenze zur Anwendung der Gesamtdifferenzbildung bei der Differenzbesteuerung (§ 25a Abs. 4 UStG) für den Einkaufspreis eines Gegenstands ist von bisher 500 EUR ab dem 1.1.2025 auf 750 EUR angehoben worden.
Hinweis: Um insbesondere für Unternehmer, die mit einer großen Anzahl preiswerter Gegenstände handeln, die Differenzbesteuerung anwendbar zu machen, ist ein Wahlrecht bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage, die sog. Gesamtdifferenzbildung, in § 25a Abs. 4 UStG geregelt. Der Unternehmer kann alle Gegenstände im Rahmen der Gesamtdifferenzbesteuerung bündeln, wenn der Einkaufspreis des einzelnen Gegenstands (ab 2025) 750 EUR nicht übersteigt. Bei Gegenständen, deren Einkaufspreis darüber liegt, ist eine solche zusammengefasste Betrachtungsweise nicht möglich. Soweit der Unternehmer die Gesamtdifferenzbesteuerung in Anspruch nimmt, hat er in einem Besteuerungszeitraum nur die Einkäufe (unabhängig davon, ob die Gegenstände schon wieder verkauft wurden) den Verkäufen (unabhängig davon, wann der verkaufte Gegenstand eingekauft wurde) dieses Besteuerungszeitraum gegenüberzustellen. Aus der Differenz dieser An- und Verkäufe des Besteuerungszeitraum ergibt sich die Gesamtmarge, aus der die Steuer mit dem Regelsteuersatz herauszurechnen ist. Im Ergebnis entspricht diese Betrachtungsweise einem Zufluss-Abfluss-Prinzip.
Jahressteuergesetz 2024
Hinweis: Das Jahressteuergesetz 2024 (JStG 2024) führt zu diversen Änderungen des Umsatzsteuerrechts, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten in Kraft treten.
Der Bundestag hat das JStG 2024 in dritter Lesung am 18.10.2024 verabschiedet. Der Bundesrat hat dem Gesetz in seiner Sitzung am 22.11.2024 zugestimmt. Die Verkündung im Bundesgesetzblatt (Teil I Nr. 387) ist am 5.12.2024 erfolgt.
Änderungen nach Inkrafttreten des Gesetzes
Am Tag nach Verkündung des JStG 2024 (= 6.12.2024) treten diverse Änderungen in Kraft. Dies sind teilweise Korrekturen, die sich aufgrund von fehlerhaften Abstimmungen aus vorigen Gesetzesänderungen ergeben haben (fehlerhafte Verweise auf andere Rechtsnormen). Teilweise handelt es sich um gesetzliche Klarstellungen zu Änderungen, die sich aufgrund der Rechtsprechung und der Umsetzung durch die Finanzverwaltung schon in der praktischen Anwendung befinden. In einem Fall werden sich materielle Änderungen ergeben. Bei den Änderungen, die nach Verkündung in Kraft treten, sind hervorzuheben:
Klarstellung in § 3 Abs. 4 Satz 1 UStG, dass eine Werklieferung nur vorliegt, wenn der Unternehmer einen „fremden“ Gegenstand be- oder verarbeitet. Wird kein „fremder“ Gegenstand be- oder verarbeitet, handelt es sich um eine reine Lieferung. Die Auslegung basiert auf der Rechtsprechung des BFH (Urteil v. 22.8.2013, V R 37/10, BStBl 2014 II S. 128 (sog „Bauträger“-Urteil)) und entspricht der schon seit Jahren von der Finanzverwaltung (Abschn. 3.8 Abs. 1 UStAE) vertretenen Auffassung.
Praxis-Tipp: Die Abgrenzung einer Werklieferung von einer Lieferung ist u.a. wichtig, wenn ausländische Unternehmer solche Leistungen im Inland ausführen. Führt ein ausländischer Unternehmer im Inland eine steuerbare und steuerpflichtige Werklieferung an einen anderen Unternehmer aus, geht die Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger über (Reverse-Charge-Verfahren). Bei einer reinen Lieferung, bei der kein fremder Gegenstand be- oder verarbeitet wird, bleibt der leistende ausländische Unternehmer Steuerschuldner und muss sich regelmäßig im Inland veranlagen lassen.
In den § 13 Abs. 1 Buchst. f – h UStG wird jeweils klargestellt, dass in den Fällen der Anwendung der One-Stop-Shop-Regelungen (§ 18i bis § 18k UStG) die Steuer auch nach dem „Ist-Prinzip“ entsteht, wenn dem Unternehmer die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten gestattet worden ist.
Weist ein Unternehmer in einer Rechnung (oder einem anderen Abrechnungspapier) einen Steuerbetrag aus, obwohl er dazu nicht berechtigt ist oder weil er eine Leistung nicht ausführt (z. B. Schein- oder Gefälligkeitsrechnung), schuldet er nach § 14c Abs. 2 UStG den ausgewiesenen Steuerbetrag (unberechtigter Steuerausweis). Dies gilt auch, wenn das Abrechnungspapier von einem Nichtunternehmer ausgestellt wird oder ein Unternehmer aus seinem nichtunternehmerischen Bereich heraus handelt. Nachdem der BFH entschieden hatte, dass eine Gutschrift , die nicht über eine Leistung eines Unternehmers ausgestellt ist, einer Rechnung nicht gleichsteht und keine Steuerschuld nach § 14c Abs. 2 UStG begründen kann, wird jetzt durch Änderung in § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG klargestellt, dass eine Steuerschuld aufgrund eines unberechtigten Steuerausweise vorliegen kann, wenn jemand einem nach einer vorherigen Vereinbarung erstellten, als Gutschrift verwendeten Dokument mit gesondertem Steuerausweis nicht unverzüglich widerspricht. Damit ist im Ergebnis bei einem unberechtigten Steuerausweis nicht zwischen Gutschrift und Rechnung zu unterscheiden.
Zur Vorsteueraufteilung erfolgt in § 15 Abs 4 Satz 3 UStG eine Klarstellung, dass eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Gesamtumsätzen nur zulässig ist, wenn keine andere, präzisere wirtschaftliche Zuordnung möglich ist.
Hinweis: Bisher war eine Aufteilung nach einem Umsatzschlüssel nur möglich, wenn ein anderer Aufteilungsmaßstab nicht ermittelbar ist. Nach der Rechtsprechung von EuGH und BFH darf eine vom Umsatzschlüssel abweichende Aufteilungsmethode nur vorgeschrieben werden, wenn sie präziser ist. Im Wortlaut des § 15 Abs. 4 UStG wird damit die mittlerweile auch von der Finanzverwaltung übernommene Rechtsprechung umgesetzt.
Zur Beförderungseinzelbesteuerung (§ 16 Abs. 5 UStG; besonderes Besteuerungsverfahren bei Personenbeförderungen im drittlandsgrenzüberschreitenden Busverkehr) wird in einer neuen Regelung des § 16 Abs. 5c UStG klargestellt, dass anstelle der sofortigen Besteuerung an der Drittlandsgrenze auch eine Besteuerung über die One-Stop-Shop-Regelung (§ 18i ff. UStG) vorgenommen werden kann. Damit zusammenhängend wird auch das besondere Bescheinigungsverfahren nach § 18 Abs. 12 UStG angepasst.
Die Vergütung von Vorsteuerbeträgen an im Drittlandsgebiet ansässige Unternehmer ist für den Bezug von Kraftstoffen ausgeschlossen. Durch Änderung in § 18 Abs. 9 Satz 7 UStG wird klargestellt, dass der Ausschluss nur dann gilt, soweit die Kraftstoffe nicht weitergeliefert werden.
Der Durchschnittssteuersatz für die land- und forstwirtschaftlichen Erzeuger nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Satz 3 UStG, der in den letzten Jahren kontinuierlich abgesenkt wurde , wird zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des JStG 2024 (= 6.12.2024) weiter abgesenkt, auf nunmehr 8,4 %.
Hinweis: Die Absenkung auf 8,4 % sollte schon durch das Wachstumschancengesetz vorgenommen worden. Da die Verabschiedung des Gesetzes sich dann bis ins Jahr 2024 verschob, wurde die Absenkung nicht umgesetzt. Jetzt wurde die geplante Absenkung unterjährig umgesetzt. Allerdings erfolgt durch das JStG 2024 – allerdings dann erst zum 1.1.2025 – eine weitere Absenkung auf dann 7,8 %. Ob es sinnvoll ist, den Steuersatz noch im Dezember auf 8,4 % abzusenken, um dann gleich zum 1.1.2025 eine weitere Absenkung vorzunehmen, ist wohl eher zu bezweifeln.
Neu eingeführt wird ein § 30 UStG, der die Rechtsfolgen betrifft, die sich aus dem „Brexit“ ergeben haben. Aufgrund des Austrittsabkommens mit dem Königreich Großbritannien und Nordirland wird Nordirland für Lieferungen und innergemeinschaftliche Erwerbe weiterhin als Gemeinschaftsgebiet behandelt. Unternehmer aus Nordirland haben die USt-IdNr. mit dem Präfix XI. Die sich schon seit 2021 ergebenden Rechtsfolgen des Warenverkehrs zwischen der EU und Nordirland werden jetzt auch gesetzlich abgesichert.
Praxis-Tipp: Seit dem 1.1.2021 Lieferungen an einen Unternehmer in Nordirland – unter den weiteren Bedingungen – weiterhin als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung zu erfassen und damit auch in die Zusammenfassende Meldung mit aufzunehmen; umgekehrt sind Warenbezüge aus Nordirland unter den weiteren Voraussetzungen als innergemeinschaftliche Erwerbe zu erfassen. An Unternehmer in Nordirland ausgeführte sonstige Leistungen nach § 3a Abs. 2 UStG – die bis 31.12.2020 auch in der Zusammenfassenden Meldung zu erfassen waren – sind seit dem 1.1.2021 nicht mehr in der Zusammenfassenden Meldung aufzunehmen.
Anpassungen werden auch bei den Zolltarifsnummern vorgenommen. § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG verweist für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf die Anlage 2 zum UStG. Die dort festgelegten Wirtschaftsgüter, die dem ermäßigten Steuersatz unterliegen, werden regelmäßig über die maßgeblichen Zolltarifsnummern abgegrenzt. In Nr. 48 der Anlage 2 wird jetzt klargestellt, dass auch Holzhackschnitzel als Brennholz dem ermäßigten Steuersatz unterliegen.
Hinweis: Bisher wurde die Lieferung von Holzhackschnitzeln nur dann mit dem ermäßigten Steuersatz besteuert, wenn die Holzhackschnitzel den Charakter von Holzabfällen hatten. Dabei handelt es sich insbesondere um solche, die im Rahmen eines Holzverarbeitungsvorgangs als Nebenprodukte angefallen sind (sog. Industriehackschnitzel). Die Lieferung von Holzhackschnitzeln, die nicht als Abfall angefallen sind, sondern als eigentliches Produkt aus dem Stamm hergestellt werden (sog. Waldhackschnitzel), war bisher nicht begünstigt. Aufgrund der Rechtsprechung (EuGH, Urteil v. 3.2.2022, C-515/20 (B-AG), UR 2022 S. 219 sowie nachfolgend BFH, Urteil v. 21.4.2022, V R 2/22, BStBl 2023 II S. 460) kann an dieser Unterscheidung nicht weiter festgehalten werden.
Änderungen zum 1.1.2025
Zum 1.1.2025 treten diverse Änderungen in Kraft, die umfassendsten Auswirkungen werden sich dabei durch die Reform der Kleinunternehmerbesteuerung ergeben (vgl. dazu 1.3.3.). Allerdings sind von den ursprünglich geplanten Änderungen nicht alle umgesetzt worden bzw. nur in einem geringeren Umfang.
Hinweis: Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens sind geplante (und eigentlich seit Langem unionsrechtlich gebotene) Regelungen zur Steuerbefreiung von Leistungen im Bereich von Sport und Körperertüchtigung und zur Steuerbefreiung bei der Verwaltung von Kreditsicherheiten wieder fallen gelassen worden. Darüber hinaus sind die Anpassungen bei der Steuerbefreiung von Bildungsleistungen nur in einem geringeren, dafür aber deutlich problematischeren Umfang realisiert worden.
Bei dem Ort der sonstigen Leistung kommt es im Bereich des § 3a Abs. 3 Nr. 3 UStG zu einer Neustrukturierung, die keine materielle Änderung bedeutet. Im Zusammenhang mit den kulturellen, künstlerischen u.ä. Leistungen wie auch bei Messen und Ausstellungen und der Gewährung des Zutritts zu solchen Leistungen kommt es aber zu einer unionsrechtlich notwendigen Anpassung (§ 3a Abs. 3 Nr. 3 UStG): Werden die Leistungen per Streaming übertragen oder auf andere Weise virtuell verfügbar gemacht, gilt abweichend vom Veranstaltungsort der Ort als Ort der sonstigen Leistung, an dem der Empfänger ansässig ist, seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort hat. Dies gilt entsprechend auch durch eine Ergänzung in § 3a Abs. 3 Nr. 5 UStG (Eintrittsberechtigungen gegenüber Unternehmern zu kulturellen, künstlerischen o.ä. Veranstaltungen, Messen etc.): Wird mit der Eintrittsberechtigung eine virtuelle Teilnahme an einer Veranstaltung ermöglicht, gilt abweichend vom Veranstaltungsort für die Einräumung dieser Eintrittsberechtigung nach § 3a Abs. 2 UStG („B2B-Grundregelung“) der Ort als Ort der sonstigen Leistung, an dem der Leistungsempfänger sein Unternehmen betreibt bzw. eine die Leistung empfangende Betriebsstätte unterhält.
Hinweis: Die Finanzverwaltung hatte hier (eigentlich zu früh) schon in einem BMF-Schreiben (v. 29.4.2024, BStBl 2024 I S. 726) eine vergleichbare Rechtsfolge für die Zeit ab dem 1.7.2024 umgesetzt.
Bei Schulungsleistungen sollte eigentlich eine umfassende Anpassung an die in den vergangenen Jahren ergangene Rechtsprechung von EuGH und BFH erfolgen, die auch eine Abkehr von dem bisherigen Bescheinigungsverfahren ermöglicht hätte. Kurzfristig ist hier aus wenig nachvollziehbaren Gründen nur eine geringfügige Modifizierung der derzeitigen Rechtsgrundlage vorgenommen worden, die vermeintlich nur zu geringfügigen Änderungen führen soll. Dies wird aber insbesondere im Bereich der Fortbildung zu erheblichen Problemen und einer deutlichen Ausweitung des Bescheinigungsverfahrens führen. Der Anwendungsbereich der (zwingenden) Steuerbefreiung wird dabei von derzeit „Leistungen, die auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten“ auf „wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung erbringen“ ausgedehnt werden. Damit wird auch die berufliche Fortbildung mit in die Steuerbefreiung integriert. Außerdem erfolgt eine Ergänzung in § 4 Nr. 21 Buchst. c UStG, dass auch Schul- und Hochschulunterricht von Privatlehrern steuerfrei ist.
Hinweis: In der Praxis werden sich dadurch insbesondere erhebliche Veränderungen im Bereich der beruflichen Fortbildung ergeben, die derzeit regelmäßig steuerpflichtig ausgeführt wird. Unklar ist dabei, welches die „zuständige Landesbehörde“ bei beruflicher Fortbildung ist. In der Folge hat dann das Fortbildungsinstitut aufgrund der Steuerfreiheit der Leistungen keinen Vorsteuerabzug für Eingangsleistungen, ggf. muss eine Vorsteuerberichtigung für Investitionen der Vorjahre vorgenommen werden. Da die Regelung zum 1.1.2025 in Kraft tritt, wirkt dies auch schon für laufende Fortbildungsveranstaltungen, wenn sie erst nach dem 31.12.2024 abgeschlossen sind (vorbehaltlich einer ggf. von der Finanzverwaltung noch zu veröffentlichenden Nichtbeanstandungsregelung). Fraglich ist auch, wer die Bescheinigung beantragen kann. Nach derzeitiger Rechtsgrundlage kann die Bescheinigung nicht nur von dem Unternehmer, sondern auch (rückwirkend) von der Verwaltung oder einem Konkurrenten beantragt werden.
Eine Änderung ergibt sich bei der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes und stellt insoweit den Zustand wieder her, der bis zum 31.12.2013 galt: Der Verkauf von Kunstgegenständen und Sammlungsstücken unterliegt ab dem 1.1.2025 wieder in allen Fällen dem ermäßigten Steuersatz. In der Zeit vom 1.1.2014 bis 31.12.2024 war die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes für diese Gegenstände aus der allgemeinen Anwendung des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG ausgenommen worden, aber in Ausnahmefällen (z. B. bei Einfuhren, bei Verkäufen durch den Urheber oder dessen Rechtsnachfolger (§ 12 Abs. 2 Nr. 12 und Nr. 13 UStG)) doch ermöglicht worden. Aufgrund unionsrechtlicher Änderungen wird ab dem 1.1.2025 die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes wieder in allen Fällen bei diesen Wirtschaftsgütern möglich sein, insbesondere auch für Wiederverkäufer (gewerbliche Händler, Galeristen).
Praxis-Tipp: Zumindest bei der Veräußerung von teuren Kunstgegenständen an nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Leistungsempfänger sollte der Verkauf in das Jahr 2025 verschoben werden, da dann der Verkauf wieder insgesamt mit dem ermäßigten Steuersatz möglich sein wird.
Der erst durch das JStG 2024 (mit Inkrafttreten des Gesetzes zum 6.12.2024) auf 8,4 % abgesenkte Durchschnittssteuersatz für die land- und forstwirtschaftlichen Erzeuger in § 24 Abs. 1 UStG wird erneut – diesmal dann zum 1.1.2025 – abgesenkt, dann auf 7,8 %.
Hinweis: Darüber hinaus wird in einer neuen Anlage 5 zum UStG eine schematische Berechnung des Durchschnittssatzes für Land- und Forstwirte i. S. d. § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG mit aufgenommen, nach der sich die Berechnung des Steuersatzes aufgrund eines 3-jährigen Zeitraums ergibt. Soweit sich aus dieser Berechnung eine Abweichung vom bisher festgesetzten Prozentsatz ergibt, soll das BMF diesen Steuersatz durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats zum nächsten 1.1. ändern (Neufassung des § 24 Abs. 5 UStG).
Eine Änderung wird sich in § 25a UStG (Differenzbesteuerung) ergeben. Derzeit ist eine optionale Anwendung der Differenzbesteuerung nach § 25a Abs. 2 UStG möglich, wenn der Wiederverkäufer Kunstgegenstände, Sammlungsstücke oder Antiquitäten selbst aus dem Drittlandsgebiet eingeführt hat oder wenn er Kunstgegenstände von einem Unternehmer erworben hatte, der nicht Wiederverkäufer ist. Ob die Gegenstände in diesem Fall auf der Leistungseingangsseite dem Regelsteuersatz oder dem ermäßigten Steuersatz unterlagen, war bisher unbedeutend. Diese optionale Anwendung der Differenzbesteuerung darf aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben nur noch dann erfolgen, wenn auf den der Lieferung des Wiederverkäufers vorangehenden Umsatz kein ermäßigter Steuersatz angewandt worden ist (§ 25a Abs. 7 Nr. 1 Buchst. c UStG).
Hinweis: Der Optionsmöglichkeit für § 25a Abs. 2 UStG ist damit im Wesentlichen die Grundlage entzogen. Es sind kaum Fälle denkbar, in denen es noch zur (sinnvollen) Anwendung dieser Optionsmöglichkeit kommen kann. Für die Praxis wird sich dies aber weniger als wirtschaftliches Problem herausstellen, da ab dem 1.1.2025 wegen der Änderung des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG grundsätzlich der ermäßigte Steuersatz für diese Wirtschaftsgüter wieder anzuwenden ist.
Ob eine juristische Person des öffentlichen Rechts (jPdöR) Leistungen als Unternehmer ausführt, bestimmt sich seit 2017 nach § 2b UStG. Diese Regelung hatte die bis dahin geltende – deutlich weniger strenge – Regelung des § 2 Abs. 3 UStG ersetzt. Allerdings war den jPdöR eine (großzügige) Übergangsregelung von 4 Jahren eingeräumt worden (§ 27 Abs. 22 UStG). Diese Übergangsregelung war zuerst coronabedingt, danach inhaltlich unbegründet zweimal um je 2 Jahre verlängert worden. Die jetzt eigentlich zum 31.12.2024 auslaufende Übergangsregelung wird nun nochmals um weitere 2 Jahre (bis zum 31.12.2026) verlängert (§ 27 Abs. 22a UStG).
Umfassende Reform der Kleinunternehmerbesteuerung zum 1.1.2025
Hinweis: Die Reform der Kleinunternehmerbesteuerung zum 1.1.2025 ist ein vielschichtiges Thema, das die Möglichkeiten dieser Darstellung sprengen würde. Es werden an dieser Stelle deshalb nur die wichtigsten Punkte dargestellt.
Bis zum 31.12.2024 ist die Kleinunternehmerbesteuerung ausschließlich national aufgestellt. Nur im Inland ansässige Unternehmer können im Inland die Kleinunternehmerregelung in Anspruch nehmen, eine grenzüberschreitende Kleinunternehmereigenschaft besteht bislang nicht. Ab dem 1.1.2025 ändern sich zum einen die nationalen Bedingungen für die Kleinunternehmereigenschaft, zum anderen wird es innerhalb der Europäischen Union erstmals auch eine grenzüberschreitende Kleinunternehmerbesteuerung geben.
Zum 1.1.2025 ergeben sich Veränderungen bei der nationalen Kleinunternehmereigenschaft:
Kleinunternehmereigenschaft liegt ab 2025 vor, wenn der Gesamtumsatz des Unternehmers im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 25.000 EUR betragen hat. Die Kleinunternehmereigenschaft besteht dann im laufenden Jahr solange, bis der Gesamtumsatz in diesem (laufenden) Jahr die Grenze von 100.000 EUR überschritten hat.
Hinweis: Damit kann es erstmals unterjährig zu einem Wechsel von der Kleinunternehmerbesteuerung zur Regelbesteuerung kommen (z. B. Unternehmer U hat im Jahr 2024 einen Gesamtumsatz von nicht mehr als 25.000 EUR realisiert und überschreitet am 24.11.2025 mit seinem Gesamtumsatz erstmals die Gesamtumsatzgrenze von 100.000 EUR. U ist bis 23.11.2025 Kleinunternehmer, ab 24.11.2025 muss er die Regelbesteuerung anwenden).
Der Gesamtumsatz ermittelt sich nach § 19 Abs. 2 UStG immer nach vereinbarten Entgelten und ist eine Netto-Größe (ohne Hinzurechnung einer Umsatzsteuer).
Kleinunternehmer führen ab 2025 steuerfreie Umsätze aus (bis 31.12.2024 führen Kleinunternehmer steuerpflichtige Umsätze aus, die Umsatzsteuer wird aber nicht erhoben). Aufgrund der Änderung ergeben sich die regulären Konsequenzen für steuerfreie Umsätze (kein Vorsteuerabzug (§ 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG), kein Ausweis einer Umsatzsteuer in einer Rechnung (ansonsten unrichtiger Steuerausweis nach § 14c Abs. 1 UStG), Vorsteuerberichtigung nach den allgemeinen Vorschriften bei einer Änderung des Besteuerungsverfahrens (§ 15a Abs. 1 ff. UStG) , Ausnahme von der Besteuerung von innergemeinschaftlichen Erwerben unter den allgemeinen Voraussetzungen (§ 1a Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a i. V. m. Nr. 2 UStG)).
Hat die Unternehmereigenschaft nicht das gesamte (vorige) Kalenderjahr bestanden, kommt es nicht mehr zu einer Hochrechnung auf einen Gesamtjahresumsatz. Bei Unternehmensgründungen starten damit alle „Neugründer“ erst einmal als Kleinunternehmer.
Kleinunternehmer sind grundsätzlich nicht mehr verpflichtet, Voranmeldungen und Jahressteuererklärungen abzugeben, können aber individuell von der Finanzverwaltung dazu aufgefordert werden.
Hinweis: Schulden Kleinunternehmer aufgrund in Anspruch genommener Leistungen Umsatzsteuer nach § 13b UStG oder bei Überschreiten oder Verzicht auf die Erwerbsschwelle Umsatzsteuer für innergemeinschaftliche Erwerbe, müssen auch Kleinunternehmer für den betreffenden Meldezeitraum Voranmeldungen und eine Jahressteuererklärung abgeben (§ 18 Abs. 4a UStG). Vorsteuerabzugsberechtigung ergibt sich für Kleinunternehmer aber grundsätzlich nicht.
Kleinunternehmer müssen in ihren Rechnungen (soweit eine Verpflichtung zur Rechnungsausstellung nach § 14 UStG besteht) auf die Steuerfreiheit als Kleinunternehmerumsatz hinweisen (§ 34a Satz 1 UStDV). Kleinunternehmer sind aber nicht verpflichtet, E-Rechnungen zu erstellen (§ 34a Satz 3 UStDV).
Kleinunternehmer können (wie bisher auch) auf die Anwendung der Kleinunternehmerbesteuerung verzichten. Dies bindet sie wie bisher 5 Kalenderjahre. Der rückwirkende Verzicht auf die Anwendung der Kleinunternehmerbesteuerung kann aber nur noch bis Ende Februar des übernächsten Kalenderjahrs ausgeübt werden (z. B. für 2025 somit spätestens bis zum 28.2.2027). Ein Widerruf des Verzichts auf die Anwendung der Kleinunternehmerbesteuerung kann nur (nach Ablauf der 5-jährigen Bindungsfrist) mit Wirkung zu Beginn eines folgenden Kalenderjahrs erklärt werden.
EU-grenzüberschreitende Kleinunternehmerbesteuerung
Völlig neu geregelt wird ab dem 1.1.2025 die EU-grenzüberschreitende Kleinunternehmerbesteuerung. Deutsche Unternehmer können dann unter bestimmten Voraussetzungen wahlweise in anderen Mitgliedstaaten nach den dort geltenden Regelungen die Kleinunternehmerbesteuerung in Anspruch nehmen und Unternehmer aus anderen Mitgliedstaaten können nach den nationalen Regelungen die deutsche Kleinunternehmerbesteuerung anwenden.
Damit deutsche Unternehmer in anderen Mitgliedstaaten die dort geltende Kleinunternehmerbesteuerung durchführen können, müssen die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein:
Der (deutsche) Unternehmer erfüllt in dem betreffenden Mitgliedstaat nach den dort geltenden Regelungen die Voraussetzungen für Kleinunternehmer (§ 19a Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 UStG).
Praxis-Tipp: Damit muss ab 2025 auch immer mit geprüft werden, wie die nationalen Voraussetzungen für die Anwendung der Kleinunternehmerbesteuerung in den anderen Mitgliedstaaten sind. Die in Deutschland geltende Gesamtumsatzgrenze von 25.000 EUR ist nicht in den anderen Mitgliedstaaten gültig. Mitgliedstaaten können hier eine nationale Grenze von bis zu 85.000 EUR festlegen.
Der Jahresumsatz im Gemeinschaftsgebiet (ermittelt nach Art. 288 MwStSystRL – entspricht im Wesentlichen der Ermittlung des Gesamtumsatzes in Deutschland.) hat im vorangegangenen Kalenderjahr 100.000 EUR nicht überschritten und hat bisher im laufenden Kalenderjahr die Grenze nicht überschritten (§ 19a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 UStG).
Der Unternehmer hat in Deutschland die Teilnahme beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) an einem besonderen elektronischen Meldeverfahren beantragt und dafür eine Kleinunternehmer-Identifikationsnummer erhalten (§ 19a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 UStG).
Der Unternehmer muss im Inland vierteljährlich (jeweils bis zum Ende des darauffolgenden Monats) beim BZSt unter der Kleinunternehmer-Identifikationsnummer eine Umsatzmeldung abgeben (elektronisch über amtliche Schnittstelle; § 19a Abs. 3 UStG).
Soweit der deutsche Unternehmer in anderen Mitgliedstaaten aufgrund der Kleinunternehmerregelung steuerfreie Umsätze ausführt, ist der Vorsteuerabzug für damit im Zusammenhang stehende inländische Leistungsbezüge ausgeschlossen (§ 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UStG).
Hinweis: Liegen die Voraussetzungen vor, ist der Umsatz in dem anderen Mitgliedstaat nach den dort geltenden Regelungen steuerfrei, eine Registrierung oder über die Umsatzmeldung beim BZSt hinausgehende Meldung muss der Unternehmer nicht vornehmen. Es ist dafür nicht Voraussetzung, dass der Unternehmer im Inland Kleinunternehmer ist, der Gesamtumsatz in der gesamten EU darf nur nicht die Grenze von 100.000 EUR überschreiten. Überschreitet der Unternehmer mit seinem Jahresumsatz im Gemeinschaftsgebiet die Grenze von 100.000 EUR, muss er dies dem BZSt innerhalb von 15 Werktagen elektronisch mitteilen. Es endet dann die Teilnahme am Meldeverfahren (§ 19a Abs. 4 UStG).
Auch Unternehmer aus anderen Mitgliedstaaten können in Deutschland nach den deutschen Vorgaben die Kleinunternehmerbesteuerung in Anspruch nehmen, wenn sie die nationalen (deutschen) Voraussetzungen erfüllen, im gesamten EU-Gebiet einen Gesamtumsatz von nicht mehr als 100.000 EUR erzielen, in ihrem Heimatstaat eine Kleinunternehmer-Identifikationsnummer erteilt bekommen haben und an dem Meldeverfahren teilnehmen.
Ob ein EU-ausländischer Unternehmer ab 2025 im Inland die Kleinunternehmerbesteuerung in Anspruch nehmen kann und will, hat auch Auswirkungen für den jeweiligen Leistungsempfänger, soweit dieser Unternehmer ist:
- Wendet der ausländische Unternehmer für im Inland ausgeführte Leistungen die Kleinunternehmerbesteuerung an, ist die Leistung im Inland steuerfrei, es kommt nicht zur Übertragung der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger. In diesem Fall muss der ausländische Unternehmer in seiner Rechnung auf die Steuerfreiheit des Umsatzes als Kleinunternehmerumsatz hinweisen.
- Kann der ausländische Unternehmer im Inland die Kleinunternehmerbesteuerung nicht anwenden oder möchte er dies nicht tun, ist der im Inland ausgeführt Umsatz steuerpflichtig (soweit keine andere Steuerbefreiung einschlägig ist) und der Leistungsempfänger wird – unter den weiteren Bedingungen des § 13b UStG – zum Steuerschuldner (Reverse-Charge-Verfahren) für die ihm gegenüber ausgeführte Leistung. In diesem Fall muss der leistende Unternehmer auf den Übergang der Steuerschuldnerschaft in seiner Rechnung hinweisen.
Ausblick auf Änderungen zum 1.1.2026 und zum 1.1.2028
Durch das JStG 2024 werden auch weitere Änderungen im Umsatzsteuerrecht vorgenommen, die allerdings erst zum 1.1.2026 bzw. zum 1.1.2028 in Kraft treten werden. Obwohl dies zum Jahreswechsel 2024/2025 damit noch nicht zu berücksichtigen ist, sollte mittelfristig zur Anpassung der praktischen Umsetzung darauf schon geachtet werden.
Zum 1.1.2026 wird die 2004 in das nationale Umsatzsteuerecht aufgenommene Steuerlagerregelung (§ 4 Nr. 4a UStG) ersatzlos aufgehoben. Die Steuerlagerregelung ermöglicht es, in einem bei den Finanzbehörden angemeldeten Steuerlager bestimmte, in der Anlage zum UStG aufgeführte Wirtschaftsgüter steuerfrei zu liefern. Erst bei der endgültigen Herausnahme der Gegenstände aus dem Steuerlager entsteht eine Umsatzsteuer. Da diese Regelung in der Praxis offensichtlich nur eine geringe Bedeutung erlangt hat, wird sie zum 1.1.2026 aufgehoben. Daraus ergeben sich auch in anderen Rechtsnormen Folgewirkungen (z. B. bei der Steuerbefreiung von Einfuhren (§ 5 UStG), bei der Bemessungsgrundlage (§ 10 Abs. 1 Satz 4 UStG), bei den Aufzeichnungsvorschriften (§ 22 UStG)).
Zum 1.1.2028 ergibt sich eine umfassende Änderung bei dem Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs. Bisher ist es für den vorsteuerabzugsberechtigten Leistungsempfänger unerheblich, ob der leistende Unternehmer seine Umsätze nach vereinbarten Entgelten oder nach vereinnahmten Entgelten besteuert. Nachdem der EuGH (Urteil v. 10.2.2022, C-9/20 (Grundstücksgemeinschaft Kollaustr. 136), BFH/NV 2022 S. 399) darin einen Verstoß gegen Art. 167 MwStSystRL gesehen hatte, müssen die nationalen Bedingungen für den Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs angepasst werden. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG wird dahingehend modifiziert, dass der Leistungsempfänger den Vorsteuerabzug erst mit Zahlung vornehmen darf, wenn der leistende Unternehmer seine Umsätze nach vereinnahmten Entgelten besteuert (Istbesteuerung). Damit der Leistungsempfängers dies umsetzen kann, muss der leistende Unternehmer in diesem Fall auf die Anwendung der Istbesteuerung in seiner Rechnung hinweisen (neue Rechnungspflichtangabe ab dem 1.1.2028 in diesem Fall nach § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6a UStG).
Hinweis: Ursprünglich sollte die Änderung auch schon zum 1.1.2026 erfolgen, aufgrund der Umstellungen im Zusammenhang mit der Einführung der E-Rechnung ist dies aber auf den 1.1.2028 verschoben worden.
Unionsrechtliche Regelungen
Das nationale Umsatzsteuerecht ist wesentlich von den Vorgaben des Unionsrechts abhängig. In bestimmten Fällen können Mitgliedstaaten aber von den Vorgaben der MwStSystRL abweichende Regelungen treffen. Dazu bedarf es aber einer Genehmigung des Rates der EU. Genehmigungen für abweichende Maßnahmen können befristet oder unbefristet erteilt werden.
- Deutschland hatte sich eine Genehmigung erteilen lassen, die Steuerschuld für die Übertragung von Emissionszertifikaten nach dem BEHG auf den jeweiligen Leistungsempfänger zu übertragen (Reverse-Charge-Verfahren). Die Genehmigung war bis zum 31.12.2024 befristet. Aufgrund eines Verlängerungsantrags ist die Genehmigung vom Rat der Europäischen Union bis zum 31.12.2026 verlängert worden.
- Der Unternehmer darf einen gekauften, innergemeinschaftlich erworbenen oder aus dem Drittlandsgebiet eingeführten Gegenstand nach § 15 Abs. 2 Satz 1 UStG nur dann dem Unternehmen zuordnen, wenn der Gegenstand mindestens zu 10 % für die unternehmerischen Zwecke verwendet wird. Diese 10 %-Grenze hat aber keine Grundlage in der MwStSystRL und ist national von einer von der Kommission erteilten Ausnahmegenehmigung abhängig. Die Genehmigung wäre zum Jahresende 2024 ausgelaufen, wurde aber nochmal bis zum 31.12.2027 verlängert.
Steuererklärung 2024
Der Unternehmer hat – unabhängig von der Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldungen –eine Jahressteuererklärung über die amtlich bestimmte Schnittstelle zu übermitteln (bisher: nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung zu übertragen). Erstmals sind aber für 2024 Kleinunternehmer von der Verpflichtung, eine Jahressteuererklärung abgeben zu müssen, grundsätzlich befreit. Die Abgabefrist für die Steuererklärung endet gem. § 149 Abs. 2 AO regelmäßig 7 Monate nach Ablauf des Besteuerungszeitraums. Die reguläre Abgabefrist für die Jahressteuererklärung 2024 endet damit am 31.7.2025. Soweit Angehörige steuerberatender Berufe die Erklärungen erstellen, verlängert sich diese Frist grundsätzlich bis Ende Februar des übernächsten Jahres, wegen der Folgewirkungen der Corona-Pandemie gilt noch eine verlängerte Abgabefrist, die für die Steuererklärungen 2024 am 30.4.2026 endet.
Die Abgabefrist der Jahressteuererklärung hat auch einen Einfluss auf die Möglichkeit des Unternehmers, bezogene Leistungen, die er sowohl für unternehmerische als auch für private Zwecke verwenden möchte, seinem Unternehmen ganz oder nur teilweise zuzuordnen. Bis zu der gesetzlichen Abgabefrist (30.7. des Folgejahrs) muss die Zuordnungsentscheidung durch objektive Nachweise dokumentiert werden (z. B. ableitbar aus Bauantragsunterlagen bei Bau eines Hauses, Abschluss eines Stromlieferungsvertrags bei Anschaffung einer Photovoltaikanlage; vgl. Abschn. 15.2c UStAE. Zur Umsetzung und Änderung von Abschn. 15.2c UStAE vgl. auch BMF, Schreiben v. 17.5.2024, BStBl 2024 I S. 916).
Hinweis: Eine Zuordnungsentscheidung ist aber nur dann zu treffen, wenn ein Zuordnungswahlrecht vorliegt. Gegenstände, die ausschließlich für unternehmerische Zwecke verwendet werden, stellen Unternehmensvermögen dar (sog. Zuordnungsgebot); Gegenstände die gar nicht oder zu weniger als 10 % (§ 15 Abs. 1 Satz 2 UStG) für unternehmerische Zwecke verwendet werden, können dem Unternehmen nicht zugeordnet werden (sog. Zuordnungsverbot).
Für den Veranlagungszeitraum 2024 hatte die Finanzverwaltung im November 2023 die Erklärungsvordrucke für die Jahressteuererklärung 2024 vorgestellt (BMF, Schreiben v. 6.11.2023, BStBl 2023 I S. 1985. Aufgrund der ab 2024 entfallenen Abgabeverpflichtung für Kleinunternehmer wurde die Anleitung zur Umsatzsteuererklärung 2024 (Vordruckmuster USt 2 E) mit BMF, Schreiben v. 17.6.2024, BStBl 2024 I S. 1048 angepasst.). Inhaltliche Anpassungen bei dem Vordruck sind von der Finanzverwaltung nicht vorgenommen worden, da sich keine umsatzsteuerrechtlichen Änderungen ergeben haben, die die Struktur der Jahressteuererklärung beeinflussen.
Hinweis: Es sind zwar 2024 im Vergleich zu 2023 Änderungen bei dem Steuersatz (z. B. durch den Wegfall der Begünstigung der Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen oder der Lieferung von Wärme oder Gas) bzw. bei den Steuerbefreiungen (z. B. durch das Wachstumschancengesetz eingeführte Befreiung bei den Verfahrenspflegern) eingetreten. Diese Änderungen können aber problemlos in den vorhandenen Erfassungsfeldern aufgenommen werden.
Wichtige Nichtbeanstandungsregelungen
Im Laufe des Jahres werden von der Finanzverwaltung Änderungen im Umsatzsteuerrecht vorgenommen bzw. werden gesetzliche Regelungen oder Veränderungen aufgrund der Rechtsprechung umgesetzt. Häufig ergeben sich dabei Übergangs- oder Nichtbeanstandungsregelungen, die in der Praxis gerade im Zusammenhang mit einem Jahreswechsel zu beachten sind.
- Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen: Mit Ablauf des 31.12.2023 endete plangemäß die coronabedingte Absenkung des Steuersatzes (§ 12 Abs. 2 Nr. 15 UStG ) für die Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen (nur bezogen auf die Speisen, Getränke waren von der Absenkung des Steuersatzes nicht betroffen). Zur Vermeidung von Übergangsschwierigkeiten hat die Finanzverwaltung (BMF, Schreiben v. 21.12.2023, BStBl 2024 I S. 90) zugelassen, dass in der Nacht zum 1.1.2024 für die Abgabe von Speisen der ermäßigte Steuersatz von 7 % einheitlich angewendet werden kann, unabhängig davon, ob die Leistung vor oder nach 0:00 Uhr ausgeführt wurde.
- Die Finanzverwaltung hatte Ende April 2024 zu den Online-Dienstleistungsangeboten im Bereich Kultur, Bildung und Gesundheitswesen Stellung genommen. Dabei wird unterschieden, ob es sich um eine live übertragene Veranstaltung handelt, es sich um den Abruf vorproduzierter Inhalte handelt oder ob es eine Kombination von beiden darstellt. Neben der Frage der Feststellung des Orts der Leistung wird insbesondere auf die im Kultur- und Bildungsbereich wesentliche Frage der Steuerbegünstigung (Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 20 und Nr. 21 UStG; Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 UStG) eingegangen. Die Finanzverwaltung vertritt dabei die Auffassung, dass bei dem Abruf vorprogrammierter Inhalte sowie bei Kombinationsangeboten, die keine Trennung der Entgelte ermöglichen, eine Steuerbegünstigung nicht in Betracht kommen kann. Die Rechtsauffassung gilt in allen offenen Fällen. Für Leistungen, die vor dem 1.7.2024 ausgeführt werden, beanstandet es die Finanzverwaltung aber nicht, wenn die Beteiligten bezüglich der Festlegung des Orts der Leistung, der Steuerpflicht und der Anwendung des maßgebenden Steuersatzes noch von anderen Grundsätzen ausgehen.
- Die Finanzverwaltung hatte zu den Zahlungen von Vergleichsbeträgen eines Schädigers an den Geschädigten zum Ausgleich eines Kartellschadens (sog. Kartellschadensersatz) Stellung genommen und diesen als echten (nicht steuerbaren) Schadensersatz eingeordnet (BMF, Schreiben v. 8.10.2024, BStBl 2024 I S. 1319). Die Einordnung der Zahlungen von Beträgen zum Ausgleich eines Kartellschadens als echter Schadensersatz ist in allen offenen Fällen anzuwenden. Die Finanzverwaltung beanstandet es für Zahlungen vor dem 1.1.2025 nicht, wenn die Vertragsparteien einvernehmlich von einer Entgeltsminderung ausgehen und der leistende Unternehmer (Schädiger) eine Minderung der geschuldeten Umsatzsteuer und der Leistungsempfänger (Geschädigter) eine Kürzung des Vorsteuerabzugs vornimmt.
- Die aufgrund des Kriegs gegen die Ukraine getroffenen Sondermaßnahmen (siehe hierzu den Vorjahres-Beitrag Umsatzsteuer 2024: Wichtige Änderungen im Überblick) sind derzeit bis zum 31.12.2025 befristet (BMF, Schreiben v. 4.12.2024, IV D 5 – S 2223/19/10003 :030).
Zum Jahreswechsel zu beachten
Zum Jahreswechsel sollte noch einmal für die Veranlagungen der vergangenen Jahre überprüft werden, ob evtl. strittige Sachverhalte zu Änderungen des Umsatzsteuerrechts führen könnten. In diesem Zusammenhang sollten immer die wichtigen, gerade beim EuGH oder beim BFH anhängigen Verfahren beachtet werden – um ggf. für Vorjahre noch durch einen Einspruch die Festsetzungsverjährung zu hemmen. Wichtige Fragen, die derzeit vom EuGH bzw. vom BFH zu klären sind, sind insbesondere:
Die Frage, ob bei Hotelleistungen (§ 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG) ein einheitlicher Steuersatz anzuwenden ist oder ein sog. Aufteilungsgebot zur Anwendung kommen kann, wenn neben der Übernachtungsleistung auch noch Frühstücksleistungen, Zugang zum Spa-Bereich oder Parkplatzüberlassung angeboten wird, beschäftigt jetzt den EuGH. Nachdem der EuGH (Urteil v. 4.5.2023, C-516/21 (Y), BFH/NV 2023 S. 943; nachfolgend BFH, Beschluss v. 17.8.2023, V R 7/23, BFH/NV 2023 S. 1386) entschieden hatte, dass bei der einheitlichen Überlassung eines Gebäudes mit einer darin befindlichen Betriebsvorrichtung keine Aufteilung in unterschiedliche besteuerte Leistungselemente vorgenommen werden darf, wenn es sich um Haupt- und Nebenleistungsverhältnis handelt, hat der BFH in insgesamt 3 Verfahren den EuGH zu dem Aufteilungsgebot im Hotelgewerbe angerufen (BFH, Beschluss v. 10.1.2024, XI R 11/23, BFH/NV 2024 S. 1021 – beim EuGH anhängig unter C-409/24 (J-GmbH); BFH, Beschluss v. 10.1.2024, XI R 13/23, BFH/NV 2024 S. 1028 – beim EuGH anhängig unter C-410/24 (Blapp); BFH, Beschluss v. 10.1.2024, XI R 14/23, BFH/NV 2024 S. 1030 – beim EuGH anhängig unter C-411/24 (D GmbH)).
Hinweis: Damit ist die Entscheidung über die Aufteilung bei den Hotelumsätzen erneut vertagt worden. Gewissheit wird es erst nach den Entscheidungen des EuGH geben. Die Vorlagefragen betreffen aber nur Fälle, bei denen die neben der Übernachtungsleistung erbrachten Leistungselemente weder zu- noch abgewählt werden konnten und deren Inanspruchnahme nicht separat, sondern als Pauschalpreis abgerechnet wurde. Damit liegen mit der Hauptleistung (der Beherbergung des das Hotel aufsuchenden Gastes) untrennbar verbundene Nebenleistungen vor, sodass eine einheitliche Leistung mit der Beherbergung vorliegt.
Soweit vom Gast zu- und abwählbare Leistungen vorliegen, handelt es sich nach der eindeutigen Aussage des BFH nicht um Nebenleistungen, sodass hier grundsätzlich eine eigenständige Beurteilung vorgenommen werden muss – und damit in aller Regel der Regelsteuersatz zur Anwendung kommt.
Grundsätzlich sollten vergleichbare Fälle bis zur Entscheidung offen gehalten werden. Es ist aber fraglich, ob dies den Hoteliers tatsächlich hilft. Es wäre riskant, jetzt schon im Vertrauen auf eine positive Entscheidung des EuGH, die dann ggf. einheitlich den ermäßigten Steuersatz anwenden ließe, nur mit dem ermäßigten Steuersatz zu kalkulieren. Wenn aber weiterhin für Übernachtungsleistungen und die damit zusammenhängenden Leistungen eine Aufteilung vorgenommen wird und für die unmittelbar der Übernachtung dienenden Leistungen der Regelsteuersatz in einer Rechnung ausgewiesen wird, würde diese Umsatzsteuer geschuldet werden, selbst wenn der EuGH ein Aufteilungsgebot auch hier verneinen würde.
Mit einer auf den ersten Blick eher unbedeutenden, aber in der Sache doch spannenden Frage muss sich ebenfalls der EuGH auseinandersetzen. Unterliegt der Verkauf von Sudoku-Rätselheften dem ermäßigten Steuersatz oder kommt der Regelsteuersatz zur Anwendung. Das FG Berlin-Brandenburg hat dazu den EuGH angerufen (beim EuGH anhängig unter C-375/24 (Keesing Deutschland)). Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i. V. m. Nr. 49 der Anlage 2 zum UStG unterliegen Bücher, Zeitschriften etc. dem ermäßigten Steuersatz. Diese Regelung ist unter Beachtung der entsprechenden zollrechtlichen Vorschriften der EU anzuwenden. Der EuGH wird nun gefragt, ob die Position 4902 der Kombinierten Nomenklatur (KN) zwingend voraussetzt, dass ein Druckerzeugnis vorwiegend aus Buchstabenfolgen besteht, sodass Zahlen-Sudokus nicht unter diese Position subsumiert werden können.
Hinweis: Wenn dies so sein sollte, stellt sich die Frage, ob es die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Neutralität gebieten, den ermäßigten Steuersatz auch auf die Lieferung von Rätselheften mit Zahlen-Sudokus anzuwenden, die aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers dem identischen Zweck dienen oder diesen befriedigen, wie Buchstaben-Sudokus und Kreuzworträtsel, die eindeutig unter Position 4902 KN fallen, sowie Symbol- Sudokus und Noten-Sudokus, die eindeutig in Position 4904 KN einzuordnen sind und damit ebenfalls dem ermäßigten Steuersatz unterliegen.
Ebenfalls der EuGH muss sich mit der Frage beschäftigen, ob sog. Kaffeefahrten als Reiseleistung i. S. d. § 25 UStG anzusehen sind. Bei der Besteuerung von Reiseleistungen unterliegt (zwingend) nur die Marge zwischen den Zahlungen der Reisegäste und den für die Reisevorleistungen aufgewandten Beträgen als Bruttobetrag der Umsatzsteuer. Typischerweise sind die bei den Kaffeefahrten entstandenen Kosten höher als die Einnahmen aus den Zahlungen der Reisegäste. Der BFH (Beschluss v. 20.6.2024, V R 30/23, BFH/NV 2024 S. 1305; ein vergleichbares Verfahren unter V R 29/23 wurde vom BFH bis zur Entscheidung des EuGH ausgesetzt) fragt deshalb den EuGH (anhängig unter C-565/24 (P-GmbH & Co. KG)), ob eine solche Veranstaltung als Reiseleistung eingeordnet werden kann und ob dies davon abhängig ist, dass die tatsächlichen Kosten den vom Reisenden zu zahlenden „Gesamtbetrag ohne Mehrwertsteuer“ übersteigen.
Der EuGH muss sich erneut mit einer Frage beschäftigen, die eigentlich schon geklärt erschien und auch schon zu Konsequenzen für die Umsatzsteuer in Deutschland geführt hat. Der EuGH hatte sich in einer richtungsweisenden (österreichischen) Entscheidung mit der Steuerschuld und der Berichtigungsmöglichkeit eines überhöhten Steuerausweises in Kleinbetragsrechnungen befassen müssen (EuGH, Urteil v. 8.12.2022, C-378/21 (P-GmbH), BFH/NV 2023 S. 365). Aufgrund des Vorlageverfahrens ging der EuGH davon aus, dass die Rechnungen mit einem überhöhten Steuersatz ausschließlich gegenüber Endverbrauchern ausgestellt worden waren. Da er in diesem Fall keine Gefahr für das Steueraufkommen nach Art. 203 MwStSystRL sah, wurde festgestellt, dass in diesem Fall die überhöht ausgewiesene Umsatzsteuer vom Unternehmer nicht geschuldet wird. Der EuGH muss sich jetzt aber erneut mit diesem Fall befassen. Der österreichische Verwaltungsgerichtshof (v. 14.12.2023, Ro 2023/13/0014) hat diese Sache wieder den EuGH vorgelegt. In der ersten Vorlage war unterstellt worden, dass keine Unternehmer ggf. Leistungsempfänger sein können. In der daran anschließenden Entscheidung des BGH in Österreich wurde ein Betrag i. H. v. 0,5 % des Gesamtumsatzes angenommen, der potenziell zu einer Gefährdung des Steueraufkommens führen könnte. Gegen diese Entscheidung hatte die Finanzverwaltung Revision erhoben, da der EuGH nicht entschieden habe, ob eine schätzweise Aufteilung erfolgen könne. Der EuGH wird jetzt in der „zweiten Runde“ (anhängig unter C-794/23 (P GmbH II)) gefragt, ob ein „Endverbraucher“ nur ein Nichtunternehmer ist oder auch ein Unternehmer sein kann, der die Leistung für private Zwecke bezieht und ob ggf. eine schätzweise Aufteilung vorgenommen werden kann.
Hinweis: Die Finanzverwaltung hat sich schon zu den sich aus der ersten Entscheidung des EuGH ergebenden Rechtsfolgen geäußert (BMF, Schreiben v. 27.2.2024, BStBl 2024 I S. 361; vgl. auch Abschn. 14c.1 Abs. 1a und Abschn. 14c.2 Abs. 1a UStAE). Sie wendet die Grundsätze aus der Rechtsprechung des EuGH (vorerst) nur für die Fälle an, in denen der leistende Unternehmer eine Leistung tatsächlich ausführt und nachweisbar einem Nichtunternehmer gegenüber die Leistung unter Ausweis eines zu hohen Steuerbetrags erbracht hat. In diesem Fall wird die überhöht ausgewiesene Umsatzsteuer grundsätzlich nicht geschuldet, sodass keine Berichtigung der Rechnung zu erfolgen hat. Wird die Leistung nicht nachweisbar an einen Endverbraucher ausgeführt, sondern unter Umständen auch an Unternehmer für deren Unternehmen („Mischfälle„), kann keine Schätzung der betroffenen Umsätze oder des Anteils der an Endverbraucher ausgestellten Rechnungen, keine Wahrscheinlichkeitsberechnung oder Ähnliches erfolgen.
Eine für die System-Gastronomie interessante Frage ist Gegenstand eines Verfahrens vor dem BFH . Werden Speisen und Getränke (als Lieferung „to go“) im Rahmen eines Gesamtangebots zu einem einheitlichen Preis abgegeben, handelt es sich trotzdem um getrennte Lieferungen. Wegen der unterschiedlichen Steuersätze muss eine Aufteilung des Kaufpreises vorgenommen werden. Der BFH hatte schon festgestellt, dass die „einfachstmögliche Aufteilungsmethode“ anzuwenden sei und deshalb (soweit ermittelbar) das Verhältnis der Einzelverkaufspreise den Aufteilungsmaßstab bestimmt (BFH, Beschluss v. 3.4.2013, V B 125/12, BStBl 2013 II S. 973 sowie auch Abschn. 10.1 Abs. 11 Satz 4 UStAE). Das FG Baden-Württemberg (Urteil v. 9.11.2022, 12 K 3098/19) hatte dementgegen festgestellt, dass die umsatzsteuerliche Aufteilung des einheitlichen Preises für teils dem Regelsteuersatz, teils dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterliegende, von einem Franchisenehmer verkaufte Sparmenüs nach dem Verhältnis der Wareneinsatzanteile vorgenommen werden kann (sog. „Food & Paper-Methode“).
Zur Frage der Behandlung von Mitgliedsbeiträgen, die an Fitnessstudios während coronabedingter Schließungszeiten weiter gezahlt worden waren, sind beim BFH weiterhin 2 Revisionsverfahren (XI R 5/23 und XI R 36/22) anhängig. Es geht dabei um die Frage, ob es sich bei diesen Zahlungen um nicht steuerbare Einnahmen der Fitnessstudios oder um der Besteuerung unterliegende (Voraus-)Zahlungen handelt. Finanzgerichte hatten hier teilweise unterschiedlich entschieden.
Praxis-Tipp: Sachverhalte, bei denen es um die Besteuerung während pandemiebedingter (Zwangs-)Schließungszeiten weiter gezahlter Mitgliedsbeiträge bei Fitnessstudios oder vergleichbarer Einrichtungen geht, sollten bis zur Entscheidung des BFH offen gehalten werden.
Weitere wichtige Änderungen im Umsatzsteuerrecht
Wichtige gerichtliche Entscheidungen
Sowohl der EuGH als auch der BFH haben in diversen Verfahren das Umsatzsteuerrecht fortentwickelt. Insbesondere sind hier die folgenden Entscheidungen zu nennen:
Zur Organschaft hat der EuGH in einer wichtigen Frage für Entwarnung gesorgt. Unklar war nach einer früheren Entscheidung des EuGH (Urteil v. 1.12.2022, C-269/20 (S), UR 2023 S. 36), ob Innenumsätze innerhalb eines Organkreises steuerbar sein können oder als nicht steuerbare Innenumsätze ausgeführt werden. National war bisher unstrittig, dass innerhalb des Organkreises nur nicht steuerbare Innenumsätze vorliegen können. Nachdem der EuGH 2022 zu solchen Innenumsätzen festgestellt hatte, dass es sich um entgeltliche Umsätze handelt, war unklar, ob an der bisherigen nationalen Beurteilung festgehalten werden kann. Der BFH (Beschluss v. 26.1.2023, V R 20/22, BFH/NV 2023 S. 679) hatte deshalb den EuGH angerufen und gefragt, ob die Organschaft dazu führt, dass entgeltliche Leistungen innerhalb der Organschaft nicht der Umsatzsteuer unterliegen und ob dies von der Vorsteuerabzugsberechtigung für die aus dem Organkreis heraus erbrachten Ausgangsleistungen abhängig ist. Der EuGH (Urteil v. 11.7.2024, C-184/23 (S), BFH/NV 2024 S. 1127) hat in seiner Entscheidung kurz – aber eindeutig – festgestellt, dass entgeltliche Leistungen innerhalb eines Organkreises nicht in den Anwendungsbereich des Umsatzsteuerrechts fallen, selbst wenn keine Vorsteuerabzugsberechtigung besteht. Damit dürfte national abgesichert sein, dass die Innenumsätze innerhalb des Organkreises nicht steuerbar sind.
Unentgeltlich ausgeführte Lieferungen (Wertabgaben) gelten nach § 3 Abs. 1b UStG als Lieferungen gegen Entgelt. Der BFH (Beschluss v. 22.11.2022, XI R 17/20, BFH/NV 2023 S. 686) hatte dem EuGH die Frage vorgelegt, ob eine unentgeltliche Wertabgabe auch dann der Besteuerung unterliegt, wenn der Empfänger der Wertabgabe Unternehmer ist und den bezogenen Gegenstand selbst wieder für vorsteuerabzugsberechtigte Leistungen verwendet. In dem Fall ging es um die unentgeltliche Abgabe von Wärme aus einer Biogasanlage an einen Bauern, der mit der Wärme seine Spargelfelder beheizte. Der EuGH hat – entgegen den Zweifeln des BFH – eine unentgeltliche Abgabe der Wärme als steuerbaren Vorgang angesehen. Es kommt dabei nicht darauf an, ob der Empfänger die Gegenstände für vorsteuerabzugsberechtigende Zwecke verwendet oder nicht.
Wichtig: Der EuGH und nachfolgend der BFH haben sich auch zur Höhe der Bemessungsgrundlage geäußert. Grundsätzlich sind nach § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG die Wiederbeschaffungskosten anzusetzen. Nur wenn keine solchen am Markt zu zahlenden Kosten ermittelbar sind, kommt es zum Ansatz der (anteiligen) Selbstkosten. Da in diesem Fall keine Wiederbeschaffungskosten vorliegen, sind die Selbstkosten anzusetzen. Die Selbstkosten nach § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG umfassen dabei nicht nur die unmittelbaren Herstellungskosten oder Erzeugungskosten, sondern auch mittelbar zurechenbare Kosten wie Finanzierungsaufwendungen, wobei es keine Rolle spielt, ob es sich um vorsteuerbelastete Kosten handelt oder nicht.
Wichtige Entscheidungen hat der BFH im Zusammenhang mit der Abgrenzung von Nebenleistungen bei der steuerfreien Wohnungsvermietung getroffen. Nach einer Entscheidung des EuGH waren Zweifel aufgekommen, ob die Nebenkosten (auf die die Mieter durch ihr Verbrauchsverhalten einen Einfluss haben) tatsächlich Nebenleistungen darstellen, die das Schicksal der Hauptleistung teilen. In 2 Verfahren hat jetzt der BFH zumindest vorläufig für Klarheit gesorgt:
- In dem ersten Verfahren hatte ein Finanzgericht (FG Münster, Urteil v. 6.4.2021, 5 K 3866/18 U, EFG 2021 S. 1238) einer Vermietungs-GbR den vollen Vorsteuerabzug aus der Erneuerung einer Heizungsanlage trotz steuerfreier Wohnungsvermietung zugesprochen, da die Vermietungs-GbR die Wärmelieferung als eigenständige Leistung der Umsatzsteuer unterworfen hatte. Der BFH (Urteil v. 7.12.2023, V R 15/21, BStBl 2024 II S. 503) hat hingegen der Vermietungs-GbR den Vorsteuerabzug aus der Erneuerung vollständig versagt. Die Begründung des BFH ist in diesem Fall genauso einfach wie zutreffend: Wenn den Mietern Nebenkosten für die Wärmelieferung berechnet werden, können nach den einschlägigen (zivilrechtlichen) Vorschriften über die Weiterberechnung dieser Kosten nur die Betriebskosten weiterberechnet werden. Die Anschaffungs- oder Instandhaltungskosten sind nicht über die Abrechnung der Betriebskosten auf die Mieter umlagefähig, sondern werden über die Mieteinnahmen finanziert. Damit stehen die Kosten aus der Erneuerung der Heizungsanlage nicht in einem Zusammenhang mit der Weiterberechnung der Betriebskosten für die Wärmeerzeugung, sondern haben einen unmittelbaren Zusammenhang mit der nach § 4 Nr. 12 Satz 1 UStG steuerfreien Vermietung, sodass der Vorsteuerabzug aus der Erneuerung der Heizungsanlage nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ausgeschlossen ist.
- In einem weiteren Verfahren ging es um die Frage, ob die Lieferung von selbsterzeugtem Strom durch einen Vermieter an seine Mieter eine Nebenleistung zur (steuerfreien) Wohnungsvermietung darstellt oder nicht. Der Vermieter hatte auf seinem Gebäude eine Photovoltaikanlage installiert und mit den Mietern jeweils einen individuellen Vertrag über die Lieferung von Strom geschlossen. Soweit die Leistung der Anlage nicht ausreichte, kaufte der Vermieter im öffentlichen Netz entsprechende Leistung dazu. Die Finanzverwaltung ging von einer steuerfreien Nebenleistung der Stromlieferung zur Wohnungsvermietung aus und versagte den Vorsteuerabzug aus der Errichtung der Photovoltaikanlage. Das Niedersächsische FG (Urteil v. 25.2.2021, 11 K 201/19, EFG 2021 S. 883) war dagegen davon ausgegangen, dass eine Nebenleistung in diesem Fall nicht vorliegt. Der BFH (Urteil v. 17.7.2024, XI R 8/21, BFH/NV 2024 S. 1397) hat das Urteil des Niedersächsischen FG bestätigt. Die Lieferung von Strom aus einer vom Vermieter unterhaltenen Photovoltaikanlage für den privaten Bedarf der Mieter stellt keine Nebenleistung zu der steuerfreien Wohnungsvermietung dar.
- Hinweis: Neben verschiedenen Hinweisen des BFH zur Frage der Nebenleistungen hat der BFH seine Entscheidung auch darauf gestützt, dass nach § 42a EnWG ein sog. Kopplungsverbot vorliegt. Danach darf in einem (Wohnungs-)Mietvertrag keine Stromlieferung einheitlich vereinbart werden.
Eine Weiterentwicklung hat es bei der Frage gegeben, ob Aufsichtsgremien (Aufsichtsrat, Verwaltungsrat, Beirat o. ä.) eine unternehmerische Tätigkeit ausüben (und damit der Umsatzsteuer unterliegen) oder nicht. Der EuGH hatte 2019 entschieden, dass Aufsichtsräte nicht unternehmerisch tätig sind, wenn sie eine tätigkeitsunabhängige Festvergütung erhalten (EuGH, Urteil v. 13.6.2019, C-420/18 (IO), BFH/NV 2019 S. 1053 sowie auch BFH, Urteil v. 27.11.2019, V R 23/19, BStBl 2021 II S. 542). Die Finanzverwaltung (BMF, Schreiben v. 8.7.2021, BStBl 2021 I S. 919) hatte dies entsprechend der Vorgabe der Rechtsprechung umgesetzt. Jetzt hat der EuGH (Urteil v. 21.12.2023, C-288/22 (TP), DStRE 2024 S. 402) in einem Verfahren entschieden, dass auch die Tätigkeit, bei der ein Verwaltungsrat (in Luxemburg) auch erfolgsabhängige Vergütungen (Tantiemen) erhielt, keine unternehmerische Tätigkeit darstellt. Nach der Entscheidung des EuGH wird die Tätigkeit nicht selbstständig ausgeführt, da die Ergebnisse der Handlungen nicht den Verwaltungsrat, sondern die Gesellschaft als solche betreffen.
Praxis-Tipp: Selbst wenn die Entscheidung des EuGH von den Gründen her nicht überzeugen kann, sollten zumindest in der Praxis Sachverhalte offen gehalten werden, bei denen Aufsichtsgremien nach der bisherigen nationalen Sichtweise aufgrund von tätigkeitsabhängiger Vergütung unternehmerisch gegenüber nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten Einrichtungen (z. B. gemeinnützigen Einrichtungen) oder Unternehmen tätig sind.
Seit 2019 sind die neuen Regelungen zu den Gutscheinen (§ 3 Abs. 13 – 15 UStG) in der Europäischen Union in Kraft. Der EuGH musste sich jetzt in einem Verfahren mit der Abgrenzung der sog. Einzweckgutscheine von den Mehrzweckgutscheinen beschäftigen. Ein Einzweck-Gutschein (§ 3 Abs. 14 UStG) liegt vor, wenn der Ort, auf den sich die Leistung bezieht, und der jeweilige Steuersatz für die Leistung bei Ausstellung feststehen. In diesem Fall unterliegt jede Übertragung des Gutscheins nach den Grundsätzen der sich aus dem Gutschein ergebenden Leistung der Umsatzsteuer. In dem vorliegenden Fall wurden Gutscheine zum Aufladen von Konten für deutsche Endkunden über mehrere B2B-Umsätze verkauft, wobei die Unternehmer teilweise in anderen Mitgliedstaaten ansässig waren. Fraglich war, ob in diesen Fällen von einem Einzweckgutschein auszugehen ist, da sich aus den Zwischenumsätzen umsatzsteuerrechtliche Konsequenzen in verschiedenen Ländern ergeben können. Der EuGH (Urteil v. 18.4.2024, C-68/23 (M-GbR), BFH/NV 2024 S. 1047) hat entschieden, dass die Einordnung als Einzweck-Gutschein nur von den gesetzlichen Voraussetzungen abhängig ist. Dazu muss der Ort der Leistung für die an den Endkunden zu erbringende Leistung und die daraus resultierende Umsatzsteuer (vom Steuersatz her) feststehen. Dass der Gutschein vorher B2B noch (evtl. EU-grenzüberschreitend) gehandelt wird, ist dafür unerheblich.
Hinweis: Unklar bleibt in der EuGH-Entscheidung, in welchem Staat die B2B-Umsätze aus dem Verkauf der Gutscheine erfasst werden.
Eine wichtige Entscheidung zu dem innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäft (§ 25b UStG) ist nach den Vorgaben des EuGH (Urteil v. 8.12.2022, C-247/21 (Luxury Trust Automobil), BFH/NV 2023 S. 365) jetzt vom BFH (Urteil v. 17.7.2024, XI R 35/22, BFH/NV 2024 S. 1401) umgesetzt worden. Bei einem innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäft geht die Steuerschuld für die Lieferung des zweiten Unternehmers (Zwischenerwerber) an den dritten Unternehmer (diese Lieferung ist im Bestimmungsland ausgeführt, wo der Gegenstand sich am Ende der Beförderung befindet (§ 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 2 UStG)) auf den dritten Unternehmer (letzter Abnehmer) über, sodass sich der Zwischenerwerber nicht im Bestimmungsstaat registrieren lassen muss. Der innergemeinschaftliche Erwerb (§ 3d Satz 1 UStG i. V. m. § 25b Abs. 2 UStG) des Zwischenerwerbers im Bestimmungsstaat gilt in diesem Fall als besteuert. Ebenso ergibt sich kein innergemeinschaftlicher Erwerb in dem Staat, mit dessen USt-IdNr. der Zwischenerwerber gegenüber seinem Vorlieferanten aufgetreten war (§ 3d Satz 2 UStG, wenn der zweite Unternehmer seiner Meldepflicht nach § 18a Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 UStG nachgekommen ist). Die Übertragung der Steuerschuldnerschaft für die Lieferung des Zwischenerwerbers auf den letzten Abnehmer ist aber davon abhängig, dass er in seiner Rechnung auf den Übergang der Steuerschuldnerschaft und das innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäft hinweist (in Deutschland § 14a Abs. 7 UStG). Der EuGH hatte in der Entscheidung Luxury Trust Automobil festgelegt, dass der Enderwerber im Rahmen eines Dreiecksgeschäfts nicht wirksam als Schuldner der Umsatzsteuer bestimmt ist, wenn die vom Zwischenerwerber ausgestellte Rechnung nicht die Angabe „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers“ enthält. Der BFH hat dies in der Folge so umgesetzt und festgestellt, dass die nachträgliche Korrektur von Rechnungen im Hinblick auf die Voraussetzungen des § 14a Abs. 7 UStG keine Rückwirkung entfaltet. Damit können sich die positiven Wirkungen der Regelungen zum innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäft bei fehlenden Hinweisen in der Rechnung des Zwischenerwerbers in der Reihe nicht ergeben.
Praxis-Tipp: Damit ergeben sich bei einem solchen Verstoß gegen die Rechnungsvorschriften erhebliche Konsequenzen für den zweiten Unternehmer (Zwischenerwerber). Es muss zwar noch abgewartet werden, wie die Finanzverwaltung diese Rechtsprechung umsetzt, es sollte aber in jedem Fall auf die vollständige und richtige Abrechnung in solchen Fällen geachtet werden.
Ein wichtiges Folgeurteil ist zu einer Entscheidung des EuGH im Zusammenhang mit dem sog. Direktanspruch (auch sog. „Reemtsma-Anspruch“ aufgrund einer Grundsatzentscheidung des EuGH, Urteil v. 15.3.2007, C-35/05 (Reemtsma Cigarettenfabriken), BFH/NV Beilage 2007 S. 293) gefällt worden. Ein Direktanspruch stellt einen Anspruch an die Finanzverwaltung auf Rückzahlung einer rechtsgrundlos an einen Leistenden gezahlten Umsatzsteuer dar, bei der eine Korrektur – und damit eine Rückzahlung einer unrichtig ausgewiesenen Umsatzsteuer – durch den leistenden Unternehmer z. B. wegen zwischenzeitlich eingetretener Insolvenz nicht erfolgen kann. Die Finanzverwaltung (BMF, Schreiben v. 12.4.2022, BStBl 2022 I S. 652) hatte sich 2022 sehr zurückhaltend zur Umsetzung des Direktanspruchs geäußert, sodass ein solcher Anspruch kaum durchsetzbar erschien. Der EuGH (Urteil v. 7.9.2023, C-453/22 (Michael Schütte), BFH/NV 2023 S. 1391) hat dementgegen einem Kläger dem Grunde nach den Anspruch gegen die Verwaltung bestätigt und ihm auch einen Verzugsschaden zugesprochen, wenn keine Erstattung in angemessener Frist erfolgt. Dieser Erstattungsanspruch ergibt sich nicht nur in den Fällen, in denen die Korrektur eines überhöhten Steuerausweises durch den leistenden Unternehmer aufgrund einer Insolvenz nicht erfolgen kann, sondern auch dann, wenn der leistende Unternehmer die Berichtigung aufgrund von zivilrechtlicher Verjährung verweigert. Der Erstattungsanspruch kann nur bei Betrug oder Missbrauch versagt werden.
Hinweis: Auch die Möglichkeit, dass der leistende Unternehmer dem Grunde nach die unrichtig ausgewiesene Umsatzsteuer berichtigen und bei seinem Finanzamt zurückverlangen kann, steht dem Erstattungsanspruch nicht entgegen. Der Erstattungsanspruch des leistenden Unternehmers wäre nach den Feststellungen des EuGH dann missbräuchlich, wenn dieser sich vorher auf Verjährung berufen hätte und wäre deshalb abzulehnen.
Das FG Münster hat dem Kläger – erwartungsgemäß – den Direktanspruch gegen die Finanzverwaltung in diesem Fall zugesprochen (FG Münster, Urteil v. 23.1.2024, 15 K 2327/20 AO; gegen das Urteil ist Revision beim BFH anhängig unter XI R 17/24). Der Kläger erhält auch Verzugszinsen, wobei das Finanzgericht eine Karenzzeit von 6 Monaten eingeräumt hat. Ein Erlass der Nachzahlungszinsen kommt danach nicht in Betracht, da der Kläger in diesem Fall besser gestellt wäre, als wenn die Korrektur der unrichtig ausgewiesenen Umsatzsteuer durch den leistenden Unternehmer erfolgen würde.
Hinweis: In einem weiteren Verfahren (EuGH, Urteil v. 5.9.2024, C-83/23 (H GmbH), BB 2024 S. 2133) wurde aber ein Direktanspruch vom EuGH abgelehnt. Für eine Lieferung, die irrtümlich als in Deutschland als steuerbar und steuerpflichtig behandelt wurde (tatsächlich wurde die Leistung aber in Italien ausgeführt und unterlag dort der Umsatzsteuer), wurde deutsche Umsatzsteuer berechnet. Nach einer später durchgeführten Betriebsprüfung korrigierte der Insolvenzverwalter des Leistenden die Rechnung und bekam die Umsatzsteuer erstattet. Aufgrund des Insolvenzverfahrens bekam aber der Rechnungsempfänger die ihm unrichtig berechnete und von ihm bezahlte Umsatzsteuer nicht zurückgezahlt. Daraufhin begehrte der Leistungsempfänger im Rahmen des Direktanspruchs die Erstattung der gezahlten Umsatzsteuer gegenüber dem Finanzamt. Der EuGH lehnte (m.E.) berechtigterweise die Erstattung der Umsatzsteuer im Rahmen des Direktanspruchs ab, da Umsatzsteuer von der Finanzbehörde schon dem leistenden Unternehmer erstattet worden war und sich bei einem erfolgreichen Begehren eine doppelte Erstattung ergeben hätte.
Wichtige Veröffentlichungen der Finanzverwaltung
Auch die Finanzverwaltung hat sich in den vergangenen Monaten wieder zu umsatzsteuerrechtlichen Fragen geäußert. Neben den schon zuvor genannten mit Nichtbeanstandungsregelungen versehenen Verwaltungsanweisungen hat sie die folgenden Feststellungen getroffen:
Bezieht ein Unternehmer Leistungen, ist er zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn er die Leistungen für seine entgeltlichen Ausgangsleistungen zu verwenden beabsichtigt. Soweit die Eingangsleistungen für dem Grunde nach der Besteuerung unterliegende unentgeltliche Ausgangsleistungen verwendet werden sollen, ist nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil v. 9.12.2010, V R 17/10, BStBl 2012 II S. 53) kein Vorsteuerabzug möglich. Dies musste aber aufgrund der Rechtsprechung des EuGH (Urteil v. 16.9.2020, C-528/19 (Mitteldeutsche Hartstein-Industrie AG), UR 2020 S. 840) bei mittelbarer Verwendung für besteuerte Ausgangsleistungen eingeschränkt werden. Die Finanzverwaltung hat Anfang 2024 (BMF, Schreiben v. 24.1.2024, BStBl 2024 I S. 213) zu der mittelbaren Verwendung von Eingangsleistungen Stellung genommen und dabei eine sehr restriktive Haltung eingenommen.
Hinweis: Eine mittelbare Veranlassung kann (in seltenen Fällen) auch einen Vorsteuerabzug aus einer bezogenen Leistung begründen. Die bezogene Leistung darf nicht über das hinausgehen, was für die Erbringung der unternehmerischen Leistungen erforderlich bzw. unerlässlich ist. Der Bezug einer Leistung ist insbesondere dann erforderlich bzw. unerlässlich, wenn der Unternehmer seine wirtschaftliche Tätigkeit ohne Ausführung dieses Leistungsbezugs nicht ausüben oder fortführen könnte. Der Leistungsbezug ist nicht schon deswegen erforderlich bzw. unerlässlich, weil dieser sich allein aus der Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung (wie z. B. einer behördlichen Auflage) begründet (Abschn. 15.2b Abs. 2a Satz 4 UStAE).
Die Finanzverwaltung hatte sich schon in der Vergangenheit mehrfach mit der Aufteilung von Vorsteuerbeträgen aufgrund der Rechtsprechung beschäftigt (BMF, Schreiben v. 20.10.2022, BStBl 2022 I S. 1497 zur Vorsteueraufteilung bei Immobilien; BMF, Schreiben v. 18.11.2022, BStBl 2022 I S. 1590 zur Vorsteueraufteilung in besonderen Fällen). Sie hat nun noch mit speziellen Aussagen bei Anwendung eines Gesamtumsatzschlüssels (BMF, Schreiben v. 13.2.2024, BStBl 2024 I S. 280) nachgelegt. Definiert werden die Umsätze, die bei Anwendung eines Umsatzschlüssels zu berücksichtigen sind. Weiterhin sind aufgrund der Rechtsprechung des EuGH (Urteil v. 16.6.2016, C-186/15 (Kreissparkasse Wiedenbrück), BFH/NV 2016 S. 1246) unterschiedliche Rundungsvorschriften für den Prozentsatz des Vorsteuerabzugs abgeleitet worden. Wird eine Vorsteueraufteilung nach einem Gesamtumsatzschlüssel vorgenommen, ist der ermittelte Prozentsatz zugunsten des Unternehmers auf volle Prozentpunkte aufzurunden. Soweit ein davon abweichender – präziserer – Aufteilungsmaßstab angewendet wird (z. B. bei Immobilien anhand eines objektbezogenen Umsatzschlüssels oder anhand eines Flächenschlüssels) ist der Prozentsatz kaufmännisch auf 2 Nachkommastellen zu runden.
Hinweis: Da unterjährig in der laufenden Buchhaltung der genaue Aufteilungssatz für dieses Jahr noch nicht feststeht, ist erst einmal anhand eines geschätzten Aufteilungssatzes (z. B. anhand der Vorjahreswerte) eine Aufteilung vorzunehmen, die dann in der Jahressteuererklärung anzupassen ist.
In den vergangenen Jahren mussten sich EuGH (Urteil v. 14.10.2021, C-45/20 (E) und Urteil v. 14.10.2021, C-46/20 (Z), BFH/NV 2021 S. 1629) und BFH (Urteil v. 4.5.2022, XI R 28/21, BStBl 2024 II S. 447; Urteil v. 4.5.2022, XI R 29/21, BStBl 2024 II S. 450 sowie Urteil v. 29.9.2022, V R 4/20, BStBl 2024 II S. 454) mit der Dokumentation der Zuordnungsentscheidung zum Unternehmen beschäftigen, wenn der Unternehmer für bezogene Gegenstände ein Zuordnungswahlrecht hat. Die Zuordnung muss danach innerhalb der gesetzlichen Abgabefrist für Jahressteuererklärungen nicht steuerrechtlich vertretener Steuerpflichtiger in objektiv nachvollziehbarer Weise dokumentiert sein. Eine Dokumentation innerhalb dieser Frist gegenüber der Finanzverwaltung ist nicht notwendig. Die Finanzverwaltung (BMF, Schreiben v. 17.5.2024, BStBl 2024 I S. 916) hat diese Rechtsprechung in den UStAE (Abschn. 15.2c UStAE) mit übernommen.
Praxis-Tipp: Insbesondere bei der Anschaffung oder Herstellung einer sowohl unternehmerisch als auch privat genutzten Immobilie wird sich die vollständige Zuordnung der Immobilie zum Unternehmen aufgrund des beschränkten Vorsteuerabzugs (§ 15 Abs. 1b UStG) nicht aus Voranmeldungen oder einer Jahressteuererklärung ergeben können. Da in diesen Fällen die vollständige Zuordnung der Immobilie für eine evtl. später durchzuführende Vorsteuerberichtigung sinnvoll ist und sich diese Zuordnung kaum aus anderen, objektiven Nachweisen ergeben wird, ist innerhalb der Abgabefristen für Steuererklärungen die individuelle Mitteilung über die Zuordnungsentscheidung gegenüber der Finanzverwaltung notwendig.