Die Digitalisierung bringt Kanzleien dazu, über ihren Tellerrand hinaus zu schauen. Bei vielen Themen schafft naturgemäß der Mandant über sein Geschäftsmodell, seine Prozesse und Tools bis hin zu seiner Persönlichkeit Fakten, die in der Kanzlei nachgelagert nicht mehr geändert werden können. Daraus ergibt sich eine „neue“ Arbeitsteilung, die über das reine „Belegsammeln“ seitens des Mandanten hinausgehen kann.
Die Gestaltung und Umsetzung dieser Arbeitsteilung mit dem Mandanten, der als „Team-Mitglied“ angesehen werden sollte, ist sicher eine Herausforderung. Auf dem steinigen Weg zu Digitalisierung und Automatisierung sind in den vergangenen Jahren die Steine immerhin kleiner und die Werkzeuge besser geworden.
Das gilt auch bei Software für Mandanten: Es gibt mittlerweile unzählige Buchhaltungs-, Lohn- und Steuer-Tools bzw -Apps, die alle cool aussehen und dem Mandanten versprechen, er könne damit alles sehr einfach und schnell lösen. Und einige davon liefern auch mittlerweile ganz ordentlich. So ganz einfach und schnell sind sie dann allerdings doch nicht. Daher sollten Sie sich grundsätzlich Gedanken über die Gestaltung der Arbeitsteilung mit Ihren Mandanten machen. Unsere Denkanstöße sollen Ihnen hierbei zu mehr Klarheit verhelfen.
Die Mandanten-Motivation für arbeitsteilige Zusammenarbeit
Die Motivation Ihres Mandanten ist die Basis für seine Nutzenbetrachtung Ihres Arbeitsteils. Er wird nur bereit sein für das zu zahlen, was er als tatsächlichen Nutzen empfindet. Erfahrungsgemäß gibt es auf Mandantenseite zwei große Motivationsfaktoren:
Steuerberater vermuten hier beim Mandanten oft eher die Kosten-Motivation. Tatsächlich ist es meist eine Mischung der beiden Motivationen (nach dem Motto: „Ich tue das in erster Linie für mich als Unternehmer, aber wenn ich mir eh schon die Arbeit mache…“). Mandanten, die eine reine Kostenreduktionsmentalität haben, ohne auf die Gegenleistung zu schauen, haben Sie hoffentlich gar nicht mehr. Das ist eine Sache der Positionierung.
Keine Rolle spielt bei Mandanten dagegen die Überlegung, dem Steuerberater die Arbeit erleichtern zu wollen. Warum auch? Im Mandanten-Kanzlei-Verhältnis ist die Kanzlei der Dienstleister!
Die Daseinsberechtigung als Steuerberater
Eine große Rolle, nicht zuletzt auch für Ihre Honorargestaltung – von der Konzeption bis zur Kommunikation – spielt die Grundmotivation, als Unternehmer überhaupt einen Steuerberater zu haben: Die Sicherheit.
Menschen möchten sich sicher fühlen und keine bösen Überraschungen erleben. Ob Finanzamt, Bank, Sozialversicherung oder auch die eigenen Mitarbeiter: Unternehmer der „kleinen“ KMU, die meist zur Mandantschaft zählt (also eher 50 als 500 Mitarbeiter), haben dieselben Probleme wie Steuerkanzleien: Sie wollen sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren – sei es Handel, Produktion oder Beratung. Für die „Nebenthemen“ wie Buchhaltung oder Mitarbeiterführung haben sie wenig Zeit und möchten daher genau dort keine Probleme haben.
Auch wenn Ihre Mandanten denken, dass sie die „rein automatischen Tätigkeiten“ wie Buchhaltung oder die monatliche Gehaltsabrechnung gut selbst machen können, wünschen sie sich doch die Steuerberater-Expertise als „Sicherheitsnetz“. Das Thema Steuern sparen kommt noch dazu. Die Daseinsberechtigung des Steuerberaters und damit auch das Honorar hängt direkt davon ab, wie der Mandant dessen Performance an dieser Stelle wahrnimmt. Dafür muss dem Mandanten klar sein, worin Ihre Expertise besteht. Und das ist neben Ihrer Kompetenz, den Mandanten vor bösen Überraschungen schützen zu können vor allem Ihre Kompetenz, aus dem Ergebnis der „Buchhaltung“ (egal ob Fibu/Lohn, Abschluss oder Steuern) Handlungsempfehlungen bzw. Unterlassungsempfehlungen abzuleiten, die Sie auf den Mandanten, seine Situation, seine Ziele und seine Persönlichkeit individuell abstimmen. Genau das ist „Beratung“.
Nur, wenn Ihr Mandant diese Kompetenz bei Ihnen konkret wahr nimmt, wird er auf Dauer bereit sein, Ihre Dienstleistungen auch entsprechend zu honorieren.
Individualität in den Griff bekommen
Ein besonderes Merkmal der „neuen“ Arbeitsteilung ist ihre Vielfältigkeit. Gefühlt ist jeder Mandant anders, nutzt andere Tools und hat andere Prozesse. Daher ist es für Sie wichtig, die Individualität zu begrenzen, indem Sie Ihren Mandanten klar sagen, welche Tools und Wege Sie zulassen. Es ist nicht realistisch (und wirtschaftlich), sich z. B. bei der Fibu auf jedes der vielen erhältlichen Mandanten-Software-Angebote einzustellen.
Tipp: Tools für Mandanten aussuchen
Es ist sinnvoll für die Kanzlei, die vorhandene Kanzleisoftware so weit wie möglich zu nutzen. Die Einschränkung liegt auf der Mandantenseite: Eine Reihe der „Mandanten-Features“ der Softwareanbieter für Steuerberater lassen an der Stelle „Usability“ für Mandanten dann doch oft einiges zu wünschen übrig. Dafür sollten Sie sich ein bis zwei der frei verfügbaren Tools für Mandanten aussuchen.
Der Hintergrund: Die Prozesse in der Kanzlei sollten soweit wie möglich einheitlich bleiben/werden.
Testen Sie die infrage kommenden Tools auf Herz und Nieren, ehe Sie sie dem Mandanten anbieten. Die Kriterien:
- Für Mandanten gut nutzbar – insbesondere wie sehen Hilfen und Support aus (Hilfevideos, Onboarding-Konzept).
- Kompatibel zu Ihrer Kanzleisoftware.
- Für die Kanzlei gut beherrschbar – um ein „Erlernen“ dieser Tools kommen Sie nicht herum.
Hilfe zur Selbsthilfe
Selbst, wenn sich Ihr Mandant das „richtige“ Tool ausgesucht hat, sollten Sie ihn damit gerade am Anfang nicht alleine lassen. Ein professionelles Onboarding (gegen Honorar) und eine Testphase (Empfehlung 3 Monate) sind unabdingbar, um auf Dauer zu einer befriedigenden Zusammenarbeit auf beiden Seiten zu kommen. Es kann aber nicht Ihre Aufgabe sein, dem Mandanten das entsprechende Tool „technisch“ zu erklären – deswegen ist ein vernünftiges Onboarding des Softwareanbieters so wichtig.
Es bleibt aber Ihre Aufgabe, dem Mandanten das Wissen an die Hand zu geben, das er braucht, damit die Buchhaltung/Löhne eine entsprechende Grundqualität haben. Und da schlägt die Individualität wieder zu: Der Wissensstand und der Organisationsgrad des Mandanten sowie sein Wille wirklich zu kooperieren entscheiden hier.
Klare Verantwortungsbereiche
Wenn Ihr Mandant Tätigkeiten selbst übernimmt, sollten Sie klar vereinbaren, was das für Ihre Verantwortung bedeutet:
Honorar „as you use“ – klar aber flexibel
Aus der Teilung der Verantwortung (nicht der bloßen Tätigkeit), ergibt sich das passende Honorar.
- Honorar für die Einrichtung: In den vergangenen Jahren haben hier viele Kanzleien echtes Lehrgeld bezahlt. Das lag am Mindset: „Damit der Mandant digital wird und so für uns die Buchhaltung effizienter, helfen wir ihm dabei.“ Allerdings ist „Helfen“ ein Honorar-Unwort. Das korrekte Wort heißt: „Unterstützen“. Der Mandant möchte sein Unternehmen besser organisieren und braucht Ihre Unterstützung? Gerne – gegen Honorar!
- Honorar für die monatliche Begleitung: Ohne regelmäßige Zahlen und Kontakte (je nach Größe des Mandats monatlicher oder vierteljährlich) funktioniert das System nicht. Sie wissen nicht genug, um den Mandanten zu beraten und sehen nicht genug, um ihn vor bösen Überraschungen zu bewahren. Je standardisierter Sie die Umstellung gestalten, desto eher kommen Sie von der reinen Stundenabrechnung zu Festpreisen.
- Honorar für die Durchsicht der Buchhaltung vor dem Abschluss: Bei regelmäßigen Zahlen mit Prüfungsauftrag bereits unterjährig kann dieser Honorarteil durchaus auch entfallen. Ansonsten sollten Sie diese Arbeiten auf jeden Fall berechnen. Im Package sollte auf jeden Fall dann ein schriftliches Feedback mit Optimierungsvorschlägen enthalten sein (mindestens die Umbuchungsliste). Statt Zeitabrechnung könnten Sie hier auch die Anzahl der notwendigen Umbuchungen als Grundlage nehmen.