Die Ausbildungsmaßnahme eines Kindes muss kindergeldrechtlich nicht die Zeit und Arbeitskraft des Kindes überwiegend in Anspruch nehmen. Wenn aber Anhaltspunkte für eine reine „Pro-forma-Immatrikulation“ bestehen, liegt keine Berufsausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG vor.

Das FG Münster stellte klar: Ein Vollzeit-Fernstudium in „Psychologie“ stellt bei Zahlung einer monatlichen Studiengebühr von 348 EUR keine Pro-forma-Einschreibung dar, wenn sich aus den Leistungsnachweisen ernsthafte und nachhaltige Lernbemühungen ergeben. Es steht der Kindergeldberechtigung nicht entgegen, dass das Kind sich in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis befindet.

Fernstudium in Vollzeit

Folgender Sachverhalt wurde verhandelt: Die Tochter des Klägers machte im Jahr 2022 ihr Abitur und meldete sich zum 12.7.2022 bei der Bundesagentur für Arbeit ausbildungsplatzsuchend. Die Familienkasse hat auf Antrag des Klägers Kindergeld ab dem Monat Juli 2022 in Höhe von monatlich 219 EUR festgesetzt. Im Rahmen einer routinemäßigen Überprüfung durch die Familienkasse erklärte der Kläger nach Aufforderung, dass sich die Tochter seit dem 2.11.2022 bis 30.6.2023 in einem sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnis befinde, und reichte eine Immatrikulationsbescheinigung ein, aus der hervorgeht, dass die Tochter für ein Fernstudium in Vollzeit zum Studiengang Psychologie eingeschrieben sei. 

Die Familienkasse hob die Festsetzung für den Zeitraum von September 2022 bis einschließlich Juni 2023 nach § 70 Abs. 2 EStG auf. Zur Begründung führt die Familienkasse aus, dass die vorgelegten Unterlagen kein Nachweis auf ein ernsthaftes und nachhaltiges Betreiben des Studiums darstellten. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren begehrt der Kläger mit seiner Klage weiter die Gewährung des Kindergeldes, da vor dem Hintergrund der Bemühungen seiner Tochter keine Rede davon sein könne, dass sie sich nicht ernsthaft um die von ihr angestrebte Erstausbildung bemüht habe, sodass auch die Voraussetzungen für eine Kindergeldgewährung gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG im Zeitraum September bis November 2022 vorgelegen hätten.

Anspruch auf Kindergeld

Das FG hat der Klage stattgegeben und entschieden, dass der Anspruch auf Kindergeld nicht automatisch entfällt, wenn ein Kind neben einer Ausbildung einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehe. Entscheidend sei vielmehr, ob die Ausbildung ernsthaft betrieben werde und auf ein konkretes Berufsziel ausgerichtet sei. Eine Ausbildungsmaßnahme müsse nicht überwiegend die Zeit und Arbeitskraft des Kindes beanspruchen, um kindergeldrechtlich anerkannt zu werden. Nur wenn durchgreifende Anhaltspunkte für eine reine „Pro-forma-Immatrikulation“ bestünden, liege keine Berufsausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG vor. Der Kindergeldanspruch bleibe bestehen, selbst wenn das Kind in einem Beschäftigungsverhältnis stehe und weiterhin an einer Fernuniversität eingeschrieben bleibe, um den Berufswunsch „Kriminalpsychologin“ weiterzuverfolgen.

Erwerbstätigkeit schließt Kindergeldanspruch nicht automatisch aus

Das rechtskräftige Urteil stellt klar, dass eine parallele Erwerbstätigkeit eines Kindes den Kindergeldanspruch nicht automatisch ausschließt. Entscheidend ist die Ernsthaftigkeit der Ausbildung und das konkrete Berufsziel. Eltern sollten jedoch darauf achten, dass das Kind tatsächlich aktiv an der Ausbildung teilnimmt und diese nicht nur formal betreibt.

FG Münster, Urteil v. 5.2.2025, 7 K 1522/24 Kg, AO