Eine Rückstellung darf nicht für eine Rückzahlungsverpflichtung von vorläufig festgesetzten Erstattungszinsen erfolgen, entschied das FG Münster.

Festsetzung von Erstattungszinsen

Vor dem FG Münster wurde folgender Streitfall behandelt: Die Parteien stritten um die Zulässigkeit einer Rückstellung wegen einer drohenden Inanspruchnahme für vorläufig festgesetzte Erstattungszinsen. Im Jahr 2020 änderte das Finanzamt nach einem erfolgreichen Rechtsbehelfsverfahren die Umsatzsteuerbescheide 2001 bis 2016 der Klägerin. Das Finanzamt setzte auch Erstattungszinsen fest. Bezüglich der Erstattungszinsen enthielten die Bescheide einen Vorläufigkeitsvermerk unter Verweis auf anhängige Verfahren beim Bundesverfassungsgericht, in denen es um die Verfassungsmäßigkeit der Zinsen ging.

Bildung einer Rückstellung nicht zulässig

Die Klägerin bildete aufgrund dieser Verfahren sowie seinerzeit diskutierter Gesetzesentwürfe eine Rückstellung in Höhe von 50 % der festgesetzten Zinsen. Die Bescheide 2020 ergingen zunächst wie erklärt. Im Rahmen einer Betriebsprüfung kam der Prüfer zu der Auffassung, dass diese Rückstellung nicht habe gebildet werden dürfen, da nicht ernsthaft mit einer Inanspruchnahme habe gerechnet werden können. Die Norm des § 176 AO führe in jedem Fall dazu, dass eine Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur im Ausnahmefall rückwirkend anzuwenden sei. Eine Rückstellung wegen einer Rückzahlung von Zinsen komme deshalb nicht in Betracht. Gegen die geänderten Steuerbescheide legte die Klägerin Einspruch ein. Dieser wurde zurückgewiesen.

Hinreichende Wahrscheinlichkeit ist nicht allein durch Vorläufigkeitsvermerk gegeben

Das Gericht wies die erhobene Klage als unbegründet ab. Eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten sei zu bilden, wenn eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des künftigen Entstehens der Verbindlichkeit bestehe, die wirtschaftlich vor dem Bilanzstichtag verursacht worden sei. Zudem sei es erforderlich, dass der Schuldner ernsthaft mit einer Inanspruchnahme rechnen müsse. Hier seien die Erstattungszinsen bestandskräftig festgesetzt worden. Der Vorläufigkeitsvermerk habe nicht dazu geführt, dass eine Rückzahlung der Erstattungszinsen hinreichend wahrscheinlich gewesen sei. Auch bei einer Verfassungswidrigkeit der Bestimmung sei die Klägerin vor einer Rückzahlung von Zinsen durch die Bestimmung des § 176 AO geschützt. Von einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme habe die Klägerin deshalb nicht ausgehen können

Geringe Wahrscheinlichkeit für eine Rückzahlungsverpflichtung

Die Entscheidung des FG Münster ist als zutreffend anzusehen. Zu dem Klageverfahren gekommen ist es denn wohl auch im Wesentlichen, weil hier ein Insolvenzverwalter für die Klägerin, eine Genossenschaft in der Insolvenz, tätig gewesen ist. Vermutlich wäre ein „normaler“ gesetzlicher Vertreter nicht so klagefreudig gewesen. Wie das Finanzgericht ausführlich darlegt, bestand hier eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit für eine Rückzahlungsverpflichtung. Die Bestimmung des § 176 AO schützt insofern regelmäßig die Steuerpflichtigen.

Zwar besteht auch die Möglichkeit, dass das Bundesverfassungsgericht eine von ihm für verfassungswidrig erachtete Bestimmung außer Kraft setzt und in diesem Fall eine Rückzahlung von Zinsen möglich gewesen wäre. Eine solche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts war jedoch nicht ernsthaft zu erwarten. Insofern war es richtig, dass das FG Münster der Klägerin hier die Bildung einer Rückstellung verwehrte.

FG Münster, Urteil v. 28.8.2024, 9 K 615/24 K,G,F