Eröffnung eines Insolvenzverfahrens
Das beklagte Hauptzollamt hatte nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer GmbH Kraftfahrzeugsteuer für die auf die GmbH zugelassenen Fahrzeuge (§3 FZV, § 6 FZV) als Masseverbindlichkeit gegen den Insolvenzverwalter (Kläger) festgesetzt. Nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit (§ 208 InsO) durch den Insolvenzverwalter erließ das Hauptzollamt Änderungsbescheide, mit denen die Kraftfahrzeugsteuer für die Zeit ab Insolvenzeröffnung bis zum Zeitpunkt der Anzeige nach § 208 Abs. 1 InsO (Altmasseverbindlichkeit) und die Zeit ab dieser Anzeige (Neumasseverbindlichkeit) festgesetzt wurde. Die Zurückweisung der hiergegen erhobenen Einsprüche hatte das Hauptzollamt auf § 5 Abs.1 KraftStG gestützt.
Kraftfahrzeugsteuerpflicht und Masseverbindlichkeit
Hiernach dauert die Kraftfahrzeugsteuerpflicht auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens so lange an, wie das Kfz zum Verkehr auf öffentlichen Straßen zugelassen ist. Die Einordnung als Masseverbindlichkeit hatte das Hauptzollamt auf den Umstand gestützt, dass die Kraftfahrzeugsteuer bei juristischen Personen stets als Masseverbindlichkeit zu entrichten sei. Daneben sei die Tatsache, dass die Fahrzeuge im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung auf die GmbH zugelassen gewesen seien, ein starkes Indiz dafür, dass ihr die Kfz gehören oder ihr zumindest Nutzungsrechte zugestanden hätten. Soweit dies nicht der Fall sei, sei es Aufgabe des Insolvenzverwalters, die Massezugehörigkeit zu klären und ggf. eine verkehrsrechtliche Abmeldung (Außerbetriebsetzung, § 16 FZV) anzustoßen.
Den Klagen gegen diese Einspruchsentscheidungen hatte das FG für zwei bereits abgemeldete Fahrzeuge abgeholfen, ansonsten in den Fällen, in denen die Fahrzeuge noch zugelassen waren, mit Datum vom 22.6.2021 die Klagen zurückgewiesen. Auf die zugelassene Revision hat der BFH das Urteil des Gerichts aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen, BFH, Urteil v. 11.4.2024, IV R 18/21.
Erst im weiteren Verfahrensgang hatte sich herausgestellt, dass sich die Fahrzeuge nicht in unmittelbarem Besitz des Insolvenzverwalters befinden, er im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung von der Insolvenzschuldnerin vielmehr in Unkenntnis über den tatsächlichen Standort der Autos gelassen wurde. Sie befinden sich außerhalb der Verfügungsgewalt des Insolvenzverwalters und sind dementsprechend nicht Teil der Insolvenzmasse. Die Kfz waren laut Vortrag von einem Mieter unterschlagen worden.
Aufhebung der Kraftfahrzeugsteuerbescheide
Nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens entstandene Kraftfahrzeugsteuer ist (nur) dann als Abgabenforderung nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO Masseverbindlichkeit, wenn ihre Festsetzung Bezug zur Insolvenzmasse hat. Voraussetzung ist somit die Zugehörigkeit des Kraftfahrzeugs, für dessen Halten die Steuer festgesetzt ist, zur Insolvenzmasse. Nur in diesem Fall ist die Kraftfahrzeugsteuer Masseverbindlichkeit. Im vorliegenden Falle ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, sodass die Kraftfahrzeugsteuerfestsetzungen rechtswidrig sind und den Kläger in seinen Rechten verletzten. Die angefochtenen Kraftfahrzeugsteuerbescheide wurden entsprechend aufgehoben.
Teil der Insolvenzmasse?
Im Falle der Insolvenz des Halters eines Fahrzeugs und damit des Schuldners der Kraftfahrzeugsteuer ist zu prüfen, ob das Fahrzeug Teil der Insolvenzmasse wird und damit die Kraftfahrzeugsteuer als Masseverbindlichkeit gegen den Insolvenzverwalter festzusetzen ist. Wer verkehrsrechtlicher Halter des Fahrzeuges ist und regelmäßig – außerhalb eines Insolvenzverfahrens – Schuldner der Kraftfahrzeugsteuer ist, kann hierbei nur ein Indiz sein. Gehört ein Fahrzeug z. B. zum insolvenzfreien Vermögen einer natürlichen insolventen Person, wird das Fahrzeug nicht Teil der Insolvenzmasse. Dies kommt bei der Insolvenz einer juristischen Person nicht in Betracht. Gleichwohl ist auch hier Voraussetzung, dass der Insolvenzverwalter über das Fahrzeug verfügen kann.
Damit wird auch hinreichend deutlich, dass die Steuer nur dann Masseverbindlichkeit sein kann, wenn der Insolvenzverwalter seine Befugnisse tatsächlich ausüben kann, weil das Kfz tatsächlich/körperlich Teil der Insolvenzmasse geworden ist. Auch wenn der BFH in der Entscheidung BFH, Urteil v. 11.4.2024, IV R 18/21, auf eine abstrakte „Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis“ abstellt, wird doch hinreichend deutlich, dass es um tatsächliche Inbesitznahme und nicht nur um die rechtliche Befugnis geht. Im vorliegenden Falle wären vertiefte diesbezügliche Ermittlungen auch vor dem Hintergrund der „Mitwirkung“ von Beteiligten aus meiner Sicht vor der Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer, spätestens jedoch im Rechtsbehelfsverfahren, hilfreich gewesen.