Die Steuerberaterplattform bindet seit zweieinhalb Jahren den Berufsstand an die relevanten Player in Justiz und Verwaltung an. Was derzeit schon funktioniert, wo es noch Kritik gibt und wie genau es weitergehen wird, erklärt Dipl.-Kfm. Dr. Dieter Mehnert, StB, WP, FB f. IStR, Präsidialmitglied der Bundessteuerberaterkammer und Präsident der Steuerberaterkammer Nürnberg.

Herr Dr. Mehnert, seit wann gibt es die Steuerberaterplattform, was waren die entscheidenden Meilensteine, und wie ist der aktuelle Stand?

StB, WP, FB f. IStR Dipl.-Kfm. Dr. Dieter Mehnert: Die Steuerberaterplattform und mit ihr das besondere elektronische Steuerberaterpostfach startete zum 1. Januar 2023 den Regelbetrieb. Sie wurde im Jahr 2021 durch die BStBK mit dem Ziel initiiert, eine zentrale, sichere und berufsständisch getragene Infrastruktur zu schaffen, die Steuerberaterinnen und Steuerberatern eine rechtskonforme, effiziente und medienbruchfreie Digitalisierung ihrer Arbeitsprozesse ermöglicht.

Die Steuerberaterplattform stellt ein digitales Ökosystem dar, welches den Berufsangehörigen ermöglicht, im digitalen Raum als das aufzutreten, was sie sind: als Steuerberaterinnen und Steuerberater. Das Ganze geschieht mit einer geprüften und authentifizierten digitalen Identität. Ein Abgleich mit dem Berufsregister stellt sicher, dass nur Steuerberater hierüber agieren können.

Was waren wichtige Meilensteine?

Das besondere elektronische Steuerberaterpostfach, kurz beSt, stellt die erste Ausbaustufe der Steuerberaterplattform dar. Der Go-Live war der erste wichtige Meilenstein innerhalb dieses Mammutprojekts. Wir haben mit der Steuerberaterplattform die Basis geschaffen, den Berufsstand im digitalen Ökosystem zu verankern. Mit unserer gesetzlich normierten Stellung als Organ der Steuerrechtspflege ist dies für uns von zentraler Bedeutung. Wir schaffen damit nicht nur die Voraussetzung für OZG-konforme Portalangebote durch die regionalen Steuerberaterkammern. Im ersten Schritt kommunizieren wir hierüber mit den Gerichten, den Kammern und anderen Freien Berufen, wie bspw. Rechtsanwälten und Notaren.

Was ist gerade besonders nutzwertig für die Steuerberatenden?

In den kommenden Ausbaustufen sollen weitere Portale angeschlossen werden, so dass wir vom Single Sign-On Verfahren profitieren. Die lästige Mehrfachanmeldung und Authentifizierung bei anderen Verwaltungsdiensten entfällt.

Darüber hinaus stellt das beSt die Teilnahme des Berufsstands am EGVP-Verbund sicher. Dies wird benötigt, um unter anderem mit den Gerichten, anderen Berufsträgern oder auch Rechtsanwälten und Notaren sicher digital kommunizieren zu können. Außerdem erhalten Steuerberaterinnen und Steuerberater nicht nur einen Zugang zum besonderen elektronischen Steuerberaterpostfach, sondern auch zu weiteren Fachverfahren wie dem OZG-Antragsportal der Steuerberaterkammern, dem Akteneinsichtsportal der Justiz oder dem Bundesanzeiger.

Unsere berufliche Verschwiegenheit ist gesetzlich geschützt. Das macht es so wichtig, dass unser Auftreten im digitalen Raum authentifiziert und gesichert ist.

Was finden Sie selbst sehr gelungen?

Besonders gelungen ist aus heutiger Sicht der konsequent berufsständisch getragene Aufbau der Steuerberaterplattform. Anders als viele isolierte Digitalisierungslösungen wurde hier von Beginn an ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt, der Sicherheit, Rechtskonformität und tatsächliche Praxistauglichkeit verbindet. Die Steuerberaterplattform ist kein Produkt ‚von der Stange‘, sondern wurde gezielt auf die spezifischen Anforderungen des steuerberatenden Berufs zugeschnitten.

Aufgrund der detaillierten Kenntnis der wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse unserer Mandanten tragen wir ein hohes Maß an Verantwortung und haben eine besondere Vertrauensstellung. Unsere berufliche Verschwiegenheit ist gesetzlich geschützt. Das macht es so wichtig, dass unser Auftreten im digitalen Raum authentifiziert und gesichert ist.

Gelungen ist auch die Etablierung einer digitalen Infrastruktur, die verschiedene Anwendungen und Dienste miteinander vernetzt. Das zeigt sich etwa bei der mit der Steuerberaterplattform geschaffenen digitalen Steuerberateridentität: Mit dieser erhalten Steuerberaterinnen und Steuerberater wie bereits erwähnt Zugang zum beSt, zum OZG-Antragsportal der Steuerberaterkammern, dem Akteneinsichtsportal der Justiz oder dem Bundesanzeiger.

Woran gibt es (noch) Kritik?

Wie bei jedem großen Digitalisierungsprojekt gibt es auch bei der Steuerberaterplattform Punkte, die weiter optimiert werden können – und an denen wir bereits arbeiten. Eine häufig geäußerte Rückmeldung betrifft die Nutzerfreundlichkeit in der täglichen Anwendung. Zwar bietet die Steuerberaterplattform hohe technische Sicherheit und funktionale Tiefe, jedoch wünschen sich viele Kanzleien eine noch intuitivere Benutzerführung sowie klarere Erklärungen bei der erstmaligen Einrichtung. Auch ein bisher noch nicht umgesetztes Berechtigungsmanagement wird angemahnt.

Ein weiterer Punkt betrifft die Anbindung weiterer Fachverfahren. Steuerberater agieren in verschiedenen digitalen Ökosystemen – um Steuererklärungen abzugeben, Daten für die Betriebsprüfung elektronisch bereitzustellen, den geldwäscherechtlichen Anforderungen zur Einsichtnahme in das Transparenzregister und vieles mehr. Hier besteht der berechtigte Bedarf an engerer technischer Verzahnung, um Workflows vollständig medienbruchfrei zu gestalten. Zwar gibt es bereits Schnittstellen zu ausgewählten Fachverfahren, aber der Wunsch nach weiteren, für den Berufsalltag sinnvollen Anbindungen ist deutlich spürbar.

Wie gehen Sie damit um?

Digitalisierung bedeutet auch Veränderung – und die braucht Zeit, Überzeugung und teilweise auch Unterstützung beim Kompetenzaufbau in den Kanzleien. Hier sind flächendeckende Schulungsangebote und praxisnahe Hilfen ebenso entscheidend wie ein langfristiger Dialog mit dem Berufsstand.

Insgesamt zeigt die Erfahrung: Die Steuerberaterplattform wird angenommen – aber der Anspruch muss sein, sie kontinuierlich an die Bedarfe der Berufspraxis anzupassen und gemeinsam mit den Nutzenden weiterzuentwickeln.

Welche Ausbaustufen und zusätzlichen Funktionalitäten sind geplant?

Wie schon erläutert, bietet die Steuerberaterplattform bereits jetzt, zweineinhalb Jahre nach der Einführung, neben dem beSt weitere Anwendungsfälle. Steuerberater haben mittlerweile die Möglichkeit sich hierüber am OZG-Antragsportal der Steuerberaterkammern anzumelden, sich beim Bundesanzeiger zu registrieren und sich gegenüber dem Akteneinsichtsportal der Justiz zu authentifizieren. Auch der Zugang zur Vollmachtsdatenbank ist seit Januar 2025 mit der Steuerberaterplattform möglich.

Geplant ist, weitere externe Verfahren anzubinden, sodass die Steuerberaterplattform als Identitätsprovider (IDP) von den Fachverfahren akzeptiert wird. Steuerberater können sich dann mit nur einer, nämlich ihrer digitalen Steuerberateridentität, bei den für sie relevanten Verfahren anmelden und agieren. Auch ein Berechtigungsmanagement ist geplant, da nicht jede Handlung ausschließlich vom Steuerberater selbst ausgeführt wird. Delegierbare Aufgaben müssen auch in der digitalen Welt delegierbar sein.

Die Plattform wird bewusst keine Konkurrenz zu am Markt etablierten Kanzleiprozesslösungen aufbauen, sondern versteht sich als sichere Basis und integrativer Knotenpunkt.

Wo sehen Sie selbst die Grenzen der Plattform?

Die Steuerberaterplattform ist als zentrale Infrastruktur für den Berufsstand konzipiert – nicht als Allzwecklösung für jede digitale Herausforderung. Ihre Stärke liegt in der sicheren, berufsrechtlich verankerten Bereitstellung von Diensten, die für die hoheitliche und administrative Arbeit von Steuerberaterinnen und Steuerberatern notwendig sind. Dort, wo gesetzliche Vorgaben, datenschutzrechtliche Anforderungen und berufsständische Besonderheiten eine einheitliche, kontrollierte Umgebung erfordern, spielt die Steuerberaterplattform ihre Vorteile voll aus.

Grenzen entstehen hingegen dort, wo sehr individuelle, kanzleispezifische Anforderungen dominieren – etwa bei internen Workflow-Systemen, individueller Mandatskommunikation oder bei der Wahl und Nutzung kommerzieller Softwarelösungen. Die Plattform wird bewusst keine Konkurrenz zu am Markt etablierten Kanzleiprozesslösungen aufbauen, sondern versteht sich als sichere Basis und integrativer Knotenpunkt.

Welche Aufgaben werden in Zukunft möglicherweise über andere Wege angegangen werden müssen?

Die Plattform kann viel ermöglichen – sie ersetzt aber nicht die Notwendigkeit, Digitalisierung aktiv zu gestalten. Grenzen können sich auch aufgrund derzeit nicht absehbarer Entwicklungen beispielsweise des elektronischen Rechtsverkehrs oder weiterer Digitalisierungsprojekten der Finanzverwaltung und der Bundesregierung ergeben. Wir sind gespannt, was das neue Digitalministerium vorhat.

Insgesamt wäre es wünschenswert, wenn Deutschland innerhalb der Behördenkommunikation weg von den Insellösungen kommt. Davon abhängig müssen auch wir agil schauen, wie wir unsere bestehenden Lösungen anpassen können oder neue Lösungen schaffen müssen. Nicht zuletzt ist die Steuerberaterplattform keine Lösung für mangelnde digitale Bereitschaft. Sie stellt Werkzeuge bereit – wie erfolgreich diese in der Kanzlei genutzt werden, hängt wesentlich vom individuellen Veränderungswillen, von der internen Organisation und auch vom digitalen Reifegrad der jeweiligen Kanzlei ab.

Zur Person

Dr. Dieter Mehnert ist Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Fachberater für Internationales Steuerrecht. Seit 1990 ist er Vorstandsmitglied der Steuerberaterkammer Nürnberg, seit 2015 ist er dort Präsident. Seit 2019 ist Mitglied im Präsidium der Bundessteuerberaterkammer und hier zuständig für die Steuerberaterplattform.