Die Finanzverwaltung hatte sich im April 2024 zu den umsatzsteuerrechtlichen Folgen von Online-Veranstaltungsdienstleistungen positioniert und den UStAE an diversen Stellen angepasst. Das Schreiben wird nun aufgehoben und durch ein – nur in wenigen Punkten geändertes – neues Schreiben ersetzt.

Die Finanzverwaltung hatte im April 2024 (

BMF, Schreiben v. 29.4.2024, BStBl 2024 I S. 72
) ausführlich zu den Online-Veranstaltungsdienstleistungen im kulturellen Bereich Stellung genommen (siehe dazu auch unsere Kommentierung). Aussagen wurden dabei sowohl zum Ort der sonstigen Leistung, der Möglichkeit einer Steuerbefreiung sowie zur Anwendung des ermäßigten Steuersatzes getätigt. In einer kurzen Feststellung wurden diese Grundsätze dann auch für Bildungsleistungen und medizinische Leistungen als analog anwendbar erklärt. In diesem Zusammenhang wurde der UStAE an diversen Stellen geändert. Die Finanzverwaltung hebt jetzt dieses Schreiben auf und ersetzt es durch ein in wesentlichen Punkten identisches Schreiben.

Die rechtliche Problematik

Kulturelle Angebote (Konzerte, Theateraufführungen o. ä.), Fort- und Ausbildungsangebote wie auch Angebote zur Freizeitgestaltung (z. B. Fitness- oder Yogakurse) oder Gesundheitsleistungen können sowohl als Präsenzveranstaltung (Live-Veranstaltung) als auch über das Internet als Download einer vorproduzierten Aufzeichnung zur Verfügung gestellt werden. Es sind aber auch Kombinationen beider Varianten möglich, indem eine Präsenzveranstaltung aufgezeichnet wird und – gegen Sonderentgelt oder im Rahmen der Zahlung für die Teilnahme an der Präsenzveranstaltung – auch noch zum späteren Abruf über das Internet bereitgestellt wird.

Die Art der Ausführung des Angebots kann bei der umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung von entscheidender Bedeutung sein. So richtet sich der Ort bei einer über das Internet ausgeführten Leistung gegenüber einem Nichtunternehmer nach anderen Regelungen, als wenn die Veranstaltung als Präsenzveranstaltung ausgeführt wird.

Praxis-Tipp: Dies ist gerade auch bei grenzüberschreitenden Leistungen von Bedeutung. Bei einer über das Internet ausgeführten Leistung befindet sich der Ort der sonstigen Leistung (§ 3a Abs. 5 UStG, soweit die sog. Umsatzschwelle von 10.000 EUR überschritten ist) regelmäßig dort, wo der Leistungsempfänger ansässig ist. Bei einer Präsenzveranstaltung (§ 3a Abs. 3 Nr. 3 UStG) ist der Ort regelmäßig dort, wo die Leistung erbracht wird (wo die Veranstaltung stattfindet).

Umsätze, die im Bereich Kultur, Bildung u. ä. ausgeführt werden, können unter weiteren Voraussetzungen auch Steuerbefreiungen (§ 4 Nr. 20 Buchst. a und Buchst. b UStG bei kulturellen Leistungen, § 4 Nr. 21 UStG bei Bildungsleistungen) unterliegen. Soweit die Steuerbefreiungen nicht zur Anwendung kommen, kann unter weiteren Voraussetzungen der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 UStG in Betracht kommen. Dies betrifft insbesondere Eintrittsberechtigungen für kulturelle Veranstaltungen (§ 12 Abs. 2 Nr. 7 UStG).

Das BMF-Schreiben v. 8.8.2025

Wichtig: Das BMF-Schreiben ergänzt den UStAE an diversen Stellen, insbesondere Abschn. 3a.6 Abs. 2b, Abschn. 4.20.1 Abs. 1, Abschn. 4.21.2 Abs. 2 und Abschn. 12.5 Abs. 6 UStAE. Dabei werden in einem ersten Schritt alle Änderungen des UStAE aus dem BMF-Schreiben v. 29.4.2024 aufgehoben und in einem zweiten Schritt bis auf einen Hinweis in Abschn. 3.10 Abs. 6 UStAE alle wieder identisch mit aufgenommen.

Die Finanzverwaltung hat das im April 2024 veröffentlichte Schreiben zu den Online-Veranstaltungsdienstleistungen aufgehoben und durch ein im Wesentlichen inhaltsgleiches – nur an einer Stelle geändertes – Schreiben ersetzt. Die Finanzverwaltung unterscheidet weiterhin zwischen dem Angebot vorproduzierter Inhalte, dem Live-Streaming und den Leistungskombinationen.

Hinweis: Im Wesentlichen stellt die Finanzverwaltung die Konsequenzen für kulturelle Angebote i. S. d. § 4 Nr. 20 UStG dar. Sie überträgt die Konsequenzen dann aber auch auf weitere Angebote der Aus- und Fortbildung bzw. auch auf Gesundheitsleistungen.

Vorproduzierte Inhalte

Werden vorproduzierte Inhalte den Nutzern über das Internet bereitgestellt und können die Nutzer diese Angebote zu einem festen oder von ihnen zu wählenden Zeitpunkt abrufen (Download oder Streaming), handelt es sich um eine auf elektronischem Weg erbrachte Leistung, die dort ausgeführt ist, wo der nichtunternehmerische Leistungsempfänger ansässig  ist (§ 3a Abs. 5 UStG, soweit die unionseinheitliche Umsatzschwelle von 10.000 EUR überschritten ist).

Praxis-Tipp: Sollten solche Leistungen an einen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt werden, ist der Leistungsort auch dort, wo der Leistungsempfänger ansässig ist (§ 3a Abs. 2 Satz 1 UStG). Bei EU-grenzüberschreitenden Leistungen würde in diesem Fall die Steuerschuld zwingend auf den Leistungsempfänger übergehen (Art. 196 MwStSystRL, in Deutschland § 13b Abs. 1 i. V. m. Abs. 5 Satz 1 UStG). Werden diese Leistungen an Nichtunternehmer in anderen Mitgliedstaaten ausgeführt, schuldet der leistende Unternehmer die dort ggf. entstehende Umsatzsteuer, sie kann aber über die One-Stop-Shop-Regelung (§ 18j UStG) für die jeweiligen Mitgliedstaaten der Ansässigkeit der Leistungsempfänger erklärt werden.

Wenn die Leistungen neben der Übertragung im Internet gleichzeitig auch durch Rundfunk- oder Fernsehsender übertragen wird, handelt es sich zwar nicht um eine auf elektronischem Weg erbrachte Dienstleistung, die Rundfunk- oder Fernsehdienstleistungen unterliegen aber denselben umsatzsteuerrechtlichen Konsequenzen, sodass diese Unterscheidung keine praktischen Auswirkungen hat.

Wichtig: Die Finanzverwaltung vertritt die Auffassung, dass für die Leistungen, die auf vorproduzierten Inhalten basieren, weder die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 20 UStG noch die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 UStG in Betracht kommt. Dies soll auch auf vergleichbare Leistungen im Bildungs- oder Gesundheitswesen so anwendbar sein.

Live-Streaming

Bei der Bereitstellung eines Live-Streamings handelt es sich nicht um eine auf elektronischem Weg erbrachte Dienstleistung, es handelt sich – soweit der Leistungsempfänger ein Nichtunternehmer ist – vielmehr um eine Leistung i. S. d. § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a UStG (kulturelle, künstlerische, wissenschaftliche, unterrichtende, sportliche, unterhaltende oder ähnliche Leistungen, wie Leistungen im Zusammenhang mit Messen und Ausstellungen, einschließlich der Leistungen der jeweiligen Veranstalter sowie die damit zusammenhängenden Tätigkeiten, die für die Ausübung der Leistungen unerlässlich sind.). Als Leistungsort gilt nach den Feststellungen der Finanzverwaltung in diesem Fall der Ort, an dem der Leistungsempfänger ansässig ist (diese Rechtsfolge für die Leistungen, die per Streaming übertragen werden, entspricht der zum 1.1.2025 auch gesetzlich in § 3a Abs. 3 Nr. 3 Satz 2 UStG umgesetzten unionsrechtlichen Vorgabe. Die Finanzverwaltung hatte dies – ohne gesetzliche Grundlage – schon im Jahr 2024 in ihrem Schreiben so umgesetzt.).

Hinweis: Unter einem Live-Streaming-Angebot versteht die Finanzverwaltung ein Angebot, das parallel oder anstelle einer „Vor-Ort-Veranstaltung“ stattfindet und in Echtzeit durchgeführt wird. 

Wichtig: Anders als bei den vorproduzierten Inhalten kann bei einem Live-Streaming unter den weiteren Voraussetzungen die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 20 UStG sowie – soweit keine Steuerbefreiung einschlägig ist – der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG zur Anwendung kommen. Auch bei Bildungsleistungen (§ 4 Nr. 21 UStG) oder bei Gesundheitsleistungen (§ 4 Nr. 14 UStG) kann es in diesen Fällen unter den weiteren Voraussetzungen zur Anwendung einer Steuerbefreiung kommen.

Leistungskombinationen

Wird neben der Möglichkeit zur Teilnahme an einer Live-Veranstaltung (Live-Streaming) auch die Nutzung von Aufzeichnungen zu einem vom Kunden zu wählenden späteren Zeitpunkt angeboten, handelt es sich um eine von der Finanzverwaltung so bezeichnete Leistungskombination. In diesen Fällen kann es sich um eine einheitliche Leistung eigener Art oder um jeweils getrennt zu beurteilende Leistungen handeln.

Wichtig: In der Altfassung des Schreibens hatte die Finanzverwaltung an dieser Stelle noch den Hinweis aufgenommen, dass jede Leistung i. d. R. als selbstständige Leistung zu erfassen ist. Zur Erläuterung wurden „folgende Grundsätze“ angegeben, nach denen zwischen „einheitlichen Leistungen eigener Art“ und „selbstständigen Leistungen“ zu unterscheiden war. Diese Hinweise sind entfallen. Ebenfalls ist ein Hinweis auf die Aufteilung von Entgelten in diesen Fällen entfallen (in der Fassung vom April 2024 wurde noch auf Abschn. 3.10 Abs. 2 und Abs. 3 UStAE verwiesen). Damit ergibt sich keine Festlegung der Finanzverwaltung. mehr, wie mit diesen kombinierten Angeboten im konkreten Fall umzugehen ist, man zieht sich auf eine sehr wenig belastbare Aussage – die „Sicht des Durchschnittsverbrauchers“ zurück. Ob damit eine Abkehr der systematisch problematischen Festlegung aus dem April 2024 verbunden ist, bleibt offen.

Die Finanzverwaltung weist weiter darauf hin, dass solche Angebote auch im Rahmen einer Dienstleistungskommission (§ 3 Abs. 11 UStG; vgl. auch Abschn. 3.15 UStAE) ausgeführt werden können, wenn ein Unternehmer im eigenen Namen, aber für fremde Rechnung in die Ausführung einer sonstigen Leistung eingebunden ist. In diesem Fall gelten die umsatzsteuerrechtlichen Konsequenzen für die ausgeführte Leistung auch für die Leistung des eingeschalteten Unternehmers.

Hinweis: Dies gilt auch entsprechend für die Fiktion einer Dienstleistungskommission nach § 3 Abs. 11a UStG, wenn eine sonstige Leistung über eine elektronische Schnittstelle (Portal) oder ein Telekommunikationsnetz ausgeführt wird.

Konsequenzen für die Praxis

Das BMF-Schreiben vom April 2024 war wenig überzeugend gewesen und wies – insbesondere im Zusammenhang mit den „Kombinationsangeboten“ und der fast nur im Nebensatz festgestellten Übertragung dieser Grundsätze auf die Bildungsleistungen – systematische Schwächen auf. Die Finanzverwaltung hat jetzt das Schreiben aufgehoben und durch ein im Ergebnis genauso wenig überzeugendes Schreiben ersetzt.

Es werden zwar die in dem damaligen Schreiben ausführlichen Hinweise zu den „Kombinationsangeboten“ nicht mehr so vertreten. Es bleibt aber bei der allgemeinen Aussage, dass es sich bei einem Live-Streaming und dem später vom Nutzer zusätzlich möglichen Abruf der Aufzeichnung um eine einheitliche Leistung handeln kann, es aber auch selbstständige Leistungen sein können. Außer einem Hinweis auf die „Sicht des Durchschnittsverbrauchers“ werden dann aber keine Konkretisierungen vorgenommen – offensichtlich verfährt man beim BMF nun nach der Devise, dass keine Aussage wenigstens keine falsche Aussage sein kann. Dem Steueranwender hilft dies nicht weiter, da unklar bleibt, ob die Finanzverwaltung bei ihrer in dem alten Schreiben geäußerten Auffassung bleibt, diese nur nicht mehr so deutlich zum Ausdruck bringen möchte.

Unverändert bleibt die Finanzverwaltung bei der m. E. systematisch fragwürdigen Aussage, dass bei dem Abruf vorproduzierter Bildungsangebote (hier werden die Grundsätze für die kulturellen Angebote einfach übertragen) die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 UStG nicht in Betracht kommen kann. Bei kulturellen Veranstaltungen mag dies aus dem Gesetzeswortlaut ableitbar sein, da dort auf „Veranstaltungen“ Bezug genommen wird und bei Abruf von vorproduzierten Inhalten kaum von einer Veranstaltung ausgegangen werden kann. Dementgegen beruht die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 UStG nach dem Regelungszweck auf der Begünstigung von Bildungsleistungen – auf welchem Wege diese Bildungsleistungen im Ergebnis erbracht werden, ist weder nach der nationalen Fassung des UStG noch nach unionsrechtlichen Grundsätzen von Bedeutung. Die Finanzverwaltung gibt auch keine systematischen Hinweise, aus welchen Gründen hier eine Steuerbefreiung nicht anwendbar sein sollte.

Die Grundsätze sind bezüglich der Steuerbefreiungen und der Anwendung des maßgeblichen Steuersatzes in allen offenen Fällen anzuwenden. Für die Bestimmung des Orts der sonstigen Leistung gelten die Regelungen für alle nach dem 31.12.2024 ausgeführten Leistungen. Offensichtlich hat die Finanzverwaltung damit eingesehen, dass sie mit der in dem Schreiben vom April 2024 angeordneten Anwendung der neuen (ab dem 1.1.2025 geltenden) Regelungen schon ab dem 1.7.2024 etwas über das Ziel hinausgeschossen war. 

Für Leistungen, die vor dem 1.1.2026 ausgeführt werden, beanstandet es die Finanzverwaltung aber nicht, wenn die Beteiligten sich auf die Regelungen des aufgehobenen BMF-Schreibens vom April 2024 berufen (auch bezüglich eines Vorsteuerabzugs aus entsprechenden Eingangsleistungen).

Hinweis: Es ist eine in hohem Maße enttäuschende Anpassung der Auffassung der Finanzverwaltung. Warum es mehr als ein Jahr gedauert hat, das vielfach kritisierte BMF-Schreiben anzupassen, ist nur eine Frage. Warum man dann einen der wesentlichen Kritikpunkte bei den Kombinationsangeboten und den damit verbundenen Fragen zur evtl. notwendigen Aufteilung einer Bemessungsgrundlage dadurch „entschärfen will, dass keine präzise Aussage dazu getroffen wird, ist eine weitere Frage. Hilfreich ist es in jedem Fall nicht. Enttäuschend ist weiterhin, dass die Finanzverwaltung bei der m. E. systemwidrigen Steuerpflicht bei den vorproduzierten Inhalten im Bildungsbereich bleibt – hier kann wohl nur eine gerichtliche Klärung erfolgen.

Im Ergebnis kann nach mehr als einem Jahr nach Horaz festgestellt werden: „Parturiunt montes, nascetur ridiculus mus“ (Es kreißte ein Berg und gebar ein Mäuschen).



BMF, Schreiben v. 8.8.2025, III C 3 – S 7117-j/00008/006/043