Im Rahmen der dem leistenden Unternehmer gem. § 27 Abs. 19 Satz 4 Nr. 4 UStG obliegenden Mitwirkungspflichten hat dieser alles ihm Zumutbare zu tun, um dem Finanzamt die Realisation des abzutretenden Anspruchs zu ermöglichen. Eine Verletzung dieser Mitwirkungspflichten liegt nicht vor, wenn das Finanzamt ein Abtretungsangebot des leistenden Unternehmers ermessensfehlerhaft ablehnt.
Hintergrund: Gesetzliche Regelung
Nach § 47 AO erlöschen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis insbesondere durch Zahlung. Dem steht die Wirkung eines Vorgangs an Zahlungs statt gleich, wie sie § 27 Abs. 19 Satz 4 UStG für die Abtretung des Anspruchs des Leistenden gegen den Leistungsempfänger auf Nachzahlung der Umsatzsteuer vorsieht. Über diese Wirkung ist durch Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 Satz 1 AO zu entscheiden.
Sachverhalt: Keine Erfüllungswirkung bzw. keine Abtretung an Zahlungs statt bei nicht zeitgerechtem Abschluss der Abtretungsvereinbarung?
Streitig ist, ob eine Abtretung gem. § 27 Abs. 19 Satz 4 UStG an Zahlungs statt wirkt.
Die Klägerin ist eine GmbH. Unternehmensgegenstand ist die Herstellung von Estrichen. Sie war in den Jahren 2012 und 2013 für verschiedene Bauträger tätig. Diese meldeten die auf die Umsätze der Klägerin entfallenden Umsatzsteuerbeträge als Leistungsempfänger gem. § 13b UStG an und führten die Umsatzsteuer ab.
Nach Ergehen des BFH-Urteils v. 22.8.2013, V R 37/10, BStBl II 2014, 128, beantragten mehrere Bauträger gegenüber den für sie zuständigen Finanzämtern die Erstattung der für die Umsätze der Klägerin jeweils angemeldeten und abgeführten Umsatzsteuer. Hierbei handelte es sich u.a. um die Umsatzsteuer aus den in den Jahren 2012 an die … GmbH & Co. KG (G) sowie 2013 an die … GmbH & Co. KG (F) ausgeführten Umsätzen der Klägerin.
Das Finanzamt (FA) teilte dies der Klägerin im November 2014 mit und forderte sie zugleich auf, berichtigte Steuererklärungen für die Jahre 2012 und 2013 einzureichen. Es wies u.a. darauf hin, dass sie berichtigte Rechnungen (mit Steuerausweis) erstellen und den sich gegen den jeweiligen Leistungsempfänger zusätzlich (in Höhe der ausgewiesenen Umsatzsteuer) ergebenden Zahlungsanspruch abtreten könne.
Die Klägerin berief sich auf Vertrauensschutz gem. § 176 der AO und brachte gegenüber dem FA ferner vor, § 27 Abs. 19 UStG sei möglicherweise nicht verfassungskonform. Zugleich erklärte die Klägerin ihre Bereitschaft, nach einer einvernehmlichen Lösung zu suchen.
Im März 2015 stellte die Klägerin gegenüber dem FA in Aussicht, geänderte Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis zu erstellen und einen Abtretungsvertrag zu unterzeichnen. Eine Erklärung, dass die Umsatzsteuerbeträge nicht streitbefangen seien, könne sie jedoch nicht abgeben. Ihrer Bitte, einen Termin für ein Gespräch an Amtsstelle zu vereinbaren, kam das FA nicht nach.
Das FA kündigte der Klägerin an, geänderte Umsatzsteuerbescheide für 2012 und 2013 zu erlassen. Es legte ferner dar, entsprechende Abtretungen anzunehmen, wenn die Klägerin korrigierte Rechnungen vorlege, den Leistungsempfänger informiere und die abgetretenen Forderungen nicht streitbefangen seien. Die Klägerin teilte dem FA hierauf wiederum mit, sie könne nicht unterzeichnen, dass die Forderungen nicht streitbefangen seien. Zugleich wies die Klägerin erneut auf ihre Bereitschaft, eine einvernehmliche Lösung zu suchen, hin und bat abermals, ohne Erfolg, um ein Gespräch.
Die Umsatzsteuerbescheide für 2012 und 2013 wurden am 15.9.2015 unter Berücksichtigung der Umsätze der Klägerin, für die die Steuerschuldnerschaft der Bauträger nach § 13b UStG rückgängig zu machen war, geändert.
Im Mai 2016 teilte das FA der Klägerin u.a. mit, dass es gehalten sei, das landeseinheitliche Muster eines Abtretungsvertrags zu verwenden. Abtretungen würden grundsätzlich angenommen, wenn die in den einzelnen Abtretungsverträgen aufgelisteten Voraussetzungen erfüllt seien. Die Klägerin übersandte hierauf einen nicht diesem Muster entsprechenden Abtretungsvertrag und erläuterte, weshalb sie nicht erklären könne, dass die Forderungen nicht streitbefangen seien.
Am 8.8.2016 erließ das FA erneut Umsatzsteuer-Änderungsbescheide für 2012 und 2013, die weitere Umsätze, für die die Steuerschuldnerschaft nach § 13b UStG rückgängig zu machen war, berücksichtigten. Auf Nachfrage der Klägerin zum übersandten Abtretungsvertrag wies das FA erneut darauf hin, dass diese nicht dem Muster entsprächen, worauf die Klägerin erwiderte, diese aufgrund der Klausel, dass die Forderungen nicht streitbefangen seien, nicht unterschreiben könne.
Daraufhin legte das FA der Klägerin im Oktober 2017 geänderte Muster von Abtretungsverträgen vor. Zugleich teilte es mit, dass für einen Teil der Sachverhalte eine Abtretung mit Wirkung an Zahlungs statt aus seiner Sicht nicht mehr möglich sei, weil die Klägerin ihre Mitwirkungspflichten verletzt habe.
Die Klägerin änderte am 19.12.2017 die Rechnungen gegenüber G und F und reichte am 21.12.2017 die erforderlichen Unterlagen sowie Abtretungen beim FA ein. Das FA nahm die Abtretungen nunmehr am 22.12.2017 an, verweigerte aber die Anerkennung an Zahlungs statt. Am 11.1.2018 erließ das FA Abrechnungsbescheide zur Umsatzsteuer für 2012 und 2013, gegen die die Klägerin Einspruch einlegte.
Nach mehreren Änderungen setzte das FA die Umsatzsteuer für 2012 und 2013 zuletzt mit Änderungsbescheiden vom 14.8.2018 und 10.7.2019 fest. Die Abrechnungsbescheide zur Umsatzsteuer für 2012 und 2013 vom 11.1.2018 änderte es ebenfalls mehrfach. Mit Einspruchsentscheidung vom 29.11.2019 lehnte das FA die Erfüllungswirkung der erfolgten Abtretungen dabei endgültig ab.
Mit ihrer Klage machte die Klägerin u.a. geltend, dass durch die Abtretung ihrer Forderungen die Ansprüche aus den entsprechenden Umsatzsteuerfestsetzungen jeweils zum Fälligkeitstag getilgt worden seien. Im Laufe des Klageverfahrens hat das FA unter dem 24.8.2020 die Abrechnungsbescheide zur Umsatzsteuer für 2012 und 2013 erneut geändert.
Das Finanzgericht (FG) gab der darauf gerichteten Klage, in den zuletzt am 24.8.2020 geänderten Abrechnungsbescheiden zur Umsatzsteuer für 2012 und 2013 aus anderen Gründen teilweise statt, wies die Klage aber im hier maßgeblichen Streitpunkt ab. Die Klägerin sei ihren Mitwirkungspflichten i.S.d. § 27 Abs. 19 Satz 4 Nr. 4 UStG, zu denen auch der zeitgerechte Abschluss der Abtretungsvereinbarung gehöre, nicht in der gebotenen Weise nachgekommen. Aufgrund der Verzögerung des Abschlusses der Abtretungsvereinbarung durch die Klägerin sei von einer Verletzung der Mitwirkungspflichten auszugehen, die dem Eintritt der Erfüllungswirkung entgegenstehe.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision.
Entscheidung: BFH gibt der Klägerin Recht
Die Revision der Klägerin ist begründet. Der Klage ist in vollem Umfang stattzugeben.
Das FA war zum Erlass eines Abrechnungsbescheids berechtigt und verpflichtet.
Die Voraussetzungen hierzu lagen vor. Im Revisionsverfahren ist allein noch streitig, ob die vom FA am 22.12.2017 angenommenen Abtretungen der Klägerin vom 21.12.2017 der gegen F und G bestehenden zivilrechtlichen Ansprüche auf Zahlung der gesetzlichen Umsatzsteuer gem. § 27 Abs. 19 Satz 4 UStG an Zahlungs statt wirken.
Wirkung der Abtretung an Zahlungs statt
Nach § 27 Abs. 19 Satz 4 UStG wirkt die Abtretung an Zahlungs statt, wenn der leistende Unternehmer dem Leistungsempfänger eine erstmalige oder geänderte Rechnung mit offen ausgewiesener Umsatzsteuer ausstellt (Nr. 1 der Vorschrift), die Abtretung an das FA wirksam bleibt (Nr. 2), der Leistende dem Leistungsempfänger diese Abtretung unverzüglich mit dem Hinweis anzeigt, dass eine Zahlung an den leistenden Unternehmer keine schuldbefreiende Wirkung mehr hat (Nr. 3) und der Leistende seiner Mitwirkungspflicht nachkommt (Nr. 4).
Nach Auffassung des BFH hat das FG zu Unrecht angenommen, dass den Abtretungen nach § 27 Abs. 19 Satz 4 UStG keine Erfüllungswirkung zukomme, weil die Klägerin ihre Mitwirkungspflichten verletzt habe.
Mitwirkungspflichten
Was im Einzelnen Inhalt der in § 27 Abs. 19 Satz 4 Nr. 4 UStG genannten Mitwirkungspflichten ist, ist weder dem Gesetzestext noch der Gesetzesbegründung (BTDrucks 18/1995, S. 111) zu entnehmen. Die in § 27 Abs. 19 Satz 4 Nr. 4 UStG bezeichneten Mitwirkungspflichten beziehen sich auf § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG, in dessen Rahmen der leistende Unternehmer alles ihm Zumutbare zu tun hat, um dem FA die Realisation des abgetretenen zivilrechtlichen Anspruchs zu ermöglichen. Der leistende Unternehmer muss ihnen nachgekommen sein, damit die Abtretung seiner Forderung auf Umsatzsteuernachzahlung Erfüllungswirkung entfalten kann. Dem Fiskus soll die Möglichkeit gegeben werden, die nachträgliche Steuererstattung an den Leistungsempfänger zu kompensieren, indem die Finanzbehörde der Steuererstattung in gleicher Höhe einen Gegenanspruch entgegenhalten kann. Es soll mithin die Situation herbeigeführt werden, die bestanden hätte, wenn alle Beteiligten von Anfang an von der zutreffenden materiellen Rechtslage ausgegangen wären. Dann hätte der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer zusätzlich zur vereinbarten Nettovergütung an den leistenden Unternehmer gezahlt und der Leistende sie an den Fiskus abgeführt. Der leistende Unternehmer hat daher im Rahmen seiner Mitwirkungspflichten die Informationen und vertraglichen Unterlagen, insbesondere die Höhe des möglichen Umsatzsteuernachforderungsanspruchs betreffend, dem FA bereitzustellen, damit es die Umsatzsteuer vom Bauträger nachfordern kann.
Danach ist die Klägerin ihren Mitwirkungspflichten in der nach § 27 Abs. 19 Satz 4 Nr. 4 UStG gebotenen Weise nachgekommen.
Rechtsanspruch auf Annahme des Abtretungsangebots
Die Klägerin hat dem FA bereits im Jahr 2016 einen Abtretungsvertrag übersandt. Dieses Angebot auf Abschluss eines Abtretungsvertrags i.S.d. § 398 Satz 1 BGB hat das FA ermessenswidrig nicht angenommen. Das FA war verpflichtet, die ihm von der Klägerin angebotene Abtretung anzunehmen, obwohl die Klägerin nicht versichern konnte, dass die gegenüber G und F bestehenden Ansprüche auf Zahlung der gesetzlichen Umsatzsteuer nicht streitbefangen waren.
Für den Fall, dass ein ordnungsgemäßes Abtretungsangebot vorliegt, ist das Ermessen des FA, ob es die Abtretung nach § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG annimmt, bereits aus Gründen des Unionsrechts auf null reduziert, sodass der leistende Unternehmer für die in § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG umschriebene Fallgestaltung (Annahme einer Steuerschuld des Leistungsempfängers im Vertrauen auf eine Verwaltungsanweisung und Mitwirkung des leistenden Unternehmers bei der Durchsetzung des abgetretenen Anspruchs) einen Rechtsanspruch auf Annahme seines Abtretungsangebots hat.
Rechnungserteilung nicht Voraussetzung für die Abtretung
Das Angebot der Klägerin war ordnungsgemäß, obwohl die Klägerin zu diesem Zeitpunkt noch keine geänderten Rechnungen mit Steuerausweis gegenüber G und F erteilt hatte, weil die Rechnungserteilung mit Steuerausweis nicht Voraussetzung für die Abtretung nach § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG ist, sondern nur Bedingung für die besondere Erfüllungswirkung nach § 27 Abs. 19 Satz 4 Nr. 1 UStG.
Streitbefangenheit
Das FA durfte die Annahme der Abtretung auch nicht mit der Begründung ablehnen, dass die Klägerin nicht versichert hat, dass die gegenüber G und F bestehenden Ansprüche auf Zahlung der gesetzlichen Umsatzsteuer nicht streitbefangen waren. Da der einfachgesetzliche Ausschluss des abgabenrechtlichen Vertrauensschutzes nach § 27 Abs. 19 Satz 2 UStG nur dann mit den unionsrechtlichen Vorgaben im Einklang steht, wenn dem leistenden Unternehmer hieraus keine Nachteile entstehen, ist das Realisationsrisiko letztlich dem Fiskus zuzuweisen. Es darf nicht zu Lasten des leistenden Unternehmers gehen, wenn die Realisation scheitert, weil keine wirksame Aufrechnung vorgenommen werden kann und eine Durchsetzung der Forderung auf anderem Wege scheitert. Steht dem leistenden Unternehmer kein abtretbarer Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer gegen den Leistungsempfänger zu, darf das FA die Steuerfestsetzung nicht nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG ändern.
Daher reduzierte sich das dem FA nach § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG eingeräumte Ermessen auf null, so dass seine Entscheidung, dieses zunächst von der Klägerin abgegebene Abtretungsangebot nicht anzunehmen, ermessensfehlerhaft war.
Verjährung
Gem. § 215 BGB schließt die Verjährung die Aufrechnung nicht aus, wenn der Anspruch in dem Zeitpunkt noch nicht verjährt war, in dem erstmals aufgerechnet werden konnte. Die Vorschrift lässt die Aufrechnung auch mit verjährten Ansprüchen zu, wenn die Aufrechnungslage in noch unverjährter Zeit bestanden hat.
FA hält sich nicht an Weisung
Das Bauträgerfinanzamt hat bei der Auszahlung die seinerzeit bestehende Weisung (BMF v. 31.7.2014, BStBl I 2014, 1073) nicht beachtet, dass eine Entscheidung über den (anteiligen) Erstattungsanspruch des Leistungsempfängers bis zur Rückmeldung des jeweils für den leistenden Unternehmer zuständigen Finanzamts über das Vorliegen einer (wirksamen) Abtretung nach § 27 Abs. 19 Satz 4 UStG zurückgestellt werden soll. Später hat das BMF (Schreiben v. 26.7.2017, BStBl I 2017, 1001) die Weisung dadurch ergänzt, dass Leistungsempfängern beantragte Umsatzsteuererstattungen – unter Berufung auf den Grundsatz von Treu und Glauben und des unionsrechtlichen Neutralitätsgebots – nur gewährt werden, soweit sie die nachträgliche Zahlung der fraglichen Umsatzsteuer an den leistenden Unternehmer nachweisen oder mit dem Erstattungsanspruch gegen nach § 27 Abs. 19 UStG vom leistenden Unternehmer an die Finanzbehörde abgetretene (zivilrechtliche) Forderungen aufgerechnet werden kann; im Übrigen bestand die Weisung, die Umsatzsteuererstattung abzulehnen. Soweit sich die Finanzverwaltung nicht an die Weisung gehalten und sich dadurch des möglichen Schutzes des § 215 BGB freiwillig selbst begeben hat, obwohl die Klägerin eine Abtretung nicht endgültig abgelehnt hatte, kann dies nicht zu Lasten der Klägerin gehen.
Verjährungshemmende Maßnahmen
Auch konnte im Hinblick auf den mit der Abtretung verbundenen Zweck des § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG, es dem Fiskus grundsätzlich zu ermöglichen, dem Erstattungsbegehren des Leistungsempfängers eine Gegenforderung in gleicher Höhe entgegenzusetzen oder ein bereits erstattetes Guthaben zurückzuverlangen, selbst noch mit der von der Klägerin am 21.12.2017 abgegebenen Erklärung, die mit Ablauf des 31.12.2017 verjährten Forderungen gegen G und F abzutreten, erreicht werden.
Das FA hat dieses Abtretungsangebot am 22.12.2017 angenommen und am selben Tag das Bauträgerfinanzamt hiervon in Kenntnis gesetzt. Dem Bauträgerfinanzamt wäre es daher noch möglich und auch unter Berücksichtigung der bevorstehenden Weihnachtsfeiertage und des Jahreswechsels zumutbar gewesen, diese Ansprüche gegenüber G und F noch vor dem 31.12.2017 geltend zu machen und verjährungshemmende Maßnahmen i.S.d. § 204 BGB zu ergreifen, z.B. eine Klage gegen G und F zu erheben oder einen Mahnbescheid zu beantragen. Die Hemmung der Verjährung wäre auch eingetreten, wenn die Klage oder der Mahnbescheid erst im Jahr 2018 zugestellt worden wären, da in diesen Fällen die Hemmung der Verjährung nach § 167 ZPO bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung eintritt, wenn die Zustellung demnächst erfolgt.
Die Tatsache, dass die Klägerin die Forderungen erst am 21.12.2017 an das FA abgetreten hat, hatte daher nicht zwingend zur Folge, dass die Forderungen gegenüber G und F nicht mehr hätten realisiert werden können. Der Klägerin kann daher auch nicht der Vorwurf gemacht werden, nicht im gebotenen Maße an der Durchsetzung des abgetretenen Anspruchs i.S.d. § 27 Abs. 19 Satz 4 Nr. 4 UStG mitgewirkt zu haben. Es ist ihr nicht zuzurechnen, wenn das Bauträgerfinanzamt an den im Jahr 2017 verbleibenden Arbeitstagen organisatorisch nicht mehr in der Lage war, unverzüglich verjährungshemmende Maßnahmen zu ergreifen.
Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Rechtsnorm
Außerdem musste der Klägerin als Bauleistender zugestanden werden, dass sie die anfangs vielfach rechtlich in Zweifel gezogene Norm des § 27 Abs. 19 UStG bis zur Klärung ihrer Verfassungs- und Unionsrechtmäßigkeit durch das BFH-Urteil v. 23.2.2017, V R 16/16, V R 24/16, BStBl 2017, 760, zunächst kritisch hinterfragte. Eine Verletzung der Mitwirkungspflichten im Sinne des § 27 Abs. 19 Satz 4 Nr. 4 UStG kann jedenfalls ebenso wenig darin gesehen werden, dass die Klägerin die Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Rechtsnorm und ihrer Anwendung teilte. Es konnte von der Klägerin nicht erwartet werden, dass sie unmittelbar nach Kenntniserlangung über die Erstattungsanträge der G und F und deren Rechtsfolgen mit Schreiben des FA vom November 2014 die Abtretung erklärte und geänderte Rechnungen ausstellte.
Gesprächsverweigerung
Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin seit 2015 wiederholt erklärt hat, an einer einvernehmlichen Lösung interessiert zu sein, und hierzu mehrfach – sowohl das FA als auch den Abteilungsleiter Umsatzsteuer des Ministeriums der Finanzen des Landes – um ein Gespräch an Amtsstelle ersucht hat, was ihr jeweils verwehrt wurde. Dies zeigt, dass die Klägerin ihrer Pflicht, i.S.d. § 27 Abs. 19 Satz 4 Nr. 4 UStG mitzuwirken, nachgekommen ist. Für eine Verletzung ihrer Mitwirkungspflichten bleibt im Hinblick auf die behördliche Gesprächsverweigerung insoweit kein Raum.
Voraussetzungen des § 27 Abs. 19 Satz 4 UStG erfüllt
Die weiteren Voraussetzungen des § 27 Abs. 19 Satz 4 UStG liegen vor.
Die Klägerin hat gem. § 27 Abs. 19 Satz 4 Nr. 1 UStG als leistende Unternehmerin gegenüber den Leistungsempfängern G und F am 19.12.2017 geänderte Rechnungen mit offenem Umsatzsteuerausweis erteilt.
Die gegenüber G und F bestehenden Ansprüche auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer hat die Klägerin am 21.12.2017 dem FA nach § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG zur Abtretung angeboten. Das FA hat diese Abtretungen am 22.12.2017 angenommen. Die Abtretungen sind nach § 398 Satz 1 BGB wirksam erfolgt und i.S.d. § 27 Abs. 19 Satz 4 Nr. 2 UStG auch wirksam geblieben.
Zwischen den Beteiligten steht nicht im Streit, dass die Abtretungen gegenüber G und F unverzüglich mit dem Hinweis angezeigt wurden, dass eine Zahlung an die Klägerin als die leistende Unternehmerin keine schuldbefreiende Wirkung mehr hat. Aus den Akten ergibt sich, dass die Klägerin die unter dem 19.12.2017 geänderten Rechnungen jeweils mit Schreiben vom 20.12.2017 an G und F versendet hat mit dem Hinweis, dass die jeweilige Forderung aus der geänderten Rechnung an das zuständige FA abgetreten ist und eine Zahlung an sie, die Abtretende, keine schuldbefreiende Wirkung mehr hat. Die Klägerin hat das FA mit Schreiben vom 21.12.2017 auch darüber in Kenntnis gesetzt, dass es diese Hinweise gegenüber G und F erteilt hat.
BFH, Urteil v. 17.4.2024, XI R 16/22; veröffentlicht am 18.7.2024
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