Der BFH hatte sich mit dem Vorsteuerabzug aus Insolvenzverwalterleistungen bei Unternehmensfortführung zu beschäftigen. Danach kann eine Vorsteueraufteilung nach der Gesamttätigkeit des Insolvenzschuldners während der Verwalterzeit vorgenommen werden. Bei Unternehmenseinstellung ist hingegen der Vorsteuerabzug nach den früheren unternehmerischen Tätigkeiten des Insolvenzschuldners zu entscheiden.

Grundsätzliches

Verwendet der Unternehmer Leistungen nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, besteht der Vorsteuerabzug nur zum Teil. Dabei ist jener Teil der jeweiligen Vorsteuer nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist (§ 15 Abs. 4 UStG).

Der Unternehmer kann die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln (§ 15 Abs. 4 Satz 2 UStG). Eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Gesamtumsätzen ist nur zulässig, wenn keine andere, präzisere wirtschaftliche Zuordnung möglich ist (§ 15 Abs. 4 Satz 3 UStG).

Vom BFH zu klärende Frage

Der BFH hatte die Frage zu klären, wie eine Vorsteueraufteilung aus Insolvenzverwalterleistungen im Falle der Unternehmensfortführung durch den Insolvenzverwalter zu erfolgen hat.

Sachverhalt: Insolvenzverwalterleistungen und Unternehmensfortführung

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt verhielt sich folgendermaßen:

  • Der Kläger war als Insolvenzverwalter im Verfahren des Insolvenzschuldners G eingesetzt, nachdem er zuvor schon vorläufiger Insolvenzverwalter gewesen war.
  • G war als IT-Administrator selbständig tätig.
  • Nach einem Gutachten bestanden im Insolvenzeröffnungsverfahren Fortführungsaussichten. Der Kläger führte den Betrieb des G im Wege der fachlichen Tätigkeit durch G weiter; dieser wickelte die von Kunden erteilten Aufträge für die Masse ab.
  • Der Kläger gab für die Zeit der Weiterführung Umsatzsteuervoranmeldungen ab.
  • Mit Beschluss des Insolvenzgerichts wurde dem Kläger eine Nettovergütung von rd. 21.500 EUR zuzüglich Umsatzsteuer bewilligt.
  • Am selben Tag wurde dem Kläger für seine Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter eine Vergütung von netto 1.150 EUR zzgl. 218,50 EUR Umsatzsteuer zugesprochen.
  • Der Kläger erteilte entsprechende Rechnungen an die Insolvenzmasse.
  • Der Kläger gab eine Umsatzsteuererklärung 2018 ab, in welcher er ausschließlich Vorsteuerbeträge von rd. 4.600 EUR (darin enthalten die Vorsteuer aus Insolvenzverwaltervergütung) deklarierte.

Das Finanzamt wies darauf hin, dass die geltend gemachte Vorsteuer nach Maßgabe des Verhältnisses der im Insolvenzverfahren geltend gemachten unternehmerischen und privaten Verbindlichkeiten aufzuteilen sei.

Demgegenüber führte der Kläger aus, dass nach dem Schlussverzeichnis insgesamt Insolvenzforderungen i.H.v. 333.809,24 EUR angemeldet worden seien; davon entfielen allein auf das Finanzamt 318.187,67 EUR (darin 261.222,52 EUR auf Forderungen aus Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag, Umsatzsteuer 56.965,15 EUR). Eine Vorsteueraufteilung nach den Vorstellungen des Finanzamts sei nicht sachgerecht. Der Kläger beantragte eine Vorsteueraufteilung nach dem Verhältnis der in der Zeit der Insolvenzverwaltung erzielten Gesamteinnahmen. Diese betrügen 272.555,72 EUR. Davon seien 265 390,58 EUR betrieblich begründet. Nach dem Umsatzschlüssel betrage die Vorsteuerquote somit 97,37 %.

Das Finanzamt errechnete ein Vorsteuerquote von 17,06 % (56.965 EUR / 333.809 EUR), die es auf die Vorsteuer aus den beiden Insolvenzverwaltervergütungen anwandte.

Das Finanzgericht Köln (Urteil v. 25.5.2022, 9 K 1278/19, EFG 2022, 1873) sah die eingelegte Klage als begründet an und ließ den vom Insolvenzverwalter begehrten höheren Vorsteuerabzug nach den Gesamteinnahmen während der Verwaltertätigkeit zu.

Entscheidung: Vorsteuerabzug nach den Gesamteinnahmen während der Verwaltertätigkeit möglich

Der BFH schloss sich der Auffassung der Vorinstanz an und hielt die Revision des Finanzamts für unbegründet. Entgegen der Auffassung des Finanzamts kann sich die nach § 15 Abs. 4 UStG vorzunehmende Vorsteueraufteilung ausnahmsweise nach der Gesamttätigkeit des Unternehmens während der Zeit der Insolvenzverwaltung nach Maßgabe der Anteile steuerpflichtiger, steuerfreier beziehungsweise nichtwirtschaftlicher Tätigkeiten bestimmen, wenn der Insolvenzverwalter – wie im Streitfall – den Betrieb des Insolvenzschuldners fortführt und keine (wesentlichen) Verwertungshandlungen vorgenommen hat. Hierzu führte der BFH weiter aus:

  • Hat ein Insolvenzschuldner seine unternehmerische Tätigkeit bereits vor der Insolvenzeröffnung eingestellt, ist die Vorsteueraufteilung auf Grundlage der früheren Unternehmenstätigkeit zu entscheiden (Rz. 24 m.w.N.).
  • Liegt eine Unternehmensfortführung durch den Insolvenzverwalter vor, wird es nicht beanstandet, die Vorsteueraufteilung der Insolvenzverwaltervergütung nach der Gesamttätigkeit des Insolvenzschuldners während der Verwaltungszeit des Insolvenzverwalters vorzunehmen (Rz. 25 und Rz. 29).
  • Die Fortführung der bisherigen Unternehmenstätigkeit setzt nicht lediglich eine Abwicklungstätigkeit voraus (Rz. 30). Hiervon war im Entscheidungsfall auszugehen (Rz. 31).
  • Maßgeblich für die Vorsteueraufteilung sind die steuerpflichtigen, steuerfreien und auch die nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten während der Verwalterzeit.
  • Der für den Vorsteuerabzug maßgebliche direkte und unmittelbare Zusammenhang zwischen der einheitlichen Leistung des Insolvenzverwalters und den im Insolvenzverfahren angemeldeten Forderungen der Insolvenzgläubiger besteht jedenfalls dann ausnahmsweise nicht, wenn der Insolvenzverwalter das schuldnerische Unternehmen fortführt und dabei das Vermögen des Insolvenzschuldners nicht verwertet.

Praxisfolgen

Die Rezensionsentscheidung verdeutlicht die Unterscheidung zwischen dem Vorsteuerabzug aus Insolvenzverwalterleistungen bei Unternehmensfortführung durch den Insolvenzverwalter und Unternehmenseinstellung. Für den letztgenanntem Fall hat der BFH mit ebenfalls am 27.3.2025 veröffentlichtem Beschluss v. 23.10.2024 (

XI R 8/22
) entschieden, dass über den Abzug der Vorsteuer über die Leistungen des Insolvenzverwalters nach der früheren unternehmerischen Tätigkeit des Insolvenzschuldners zu entscheiden sei. Im Falle der Unternehmensfortführung durch den Insolvenzverwalter verhält sich dies anders, wie das o.g. BFH-Urteil (XI R 20/22) verdeutlicht.



BFH, Urteil v. 23.10.2024, XI R 20/22
; veröffentlicht am 27.3.2025

Alle am 27.3.2025 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen