Hintergrund: Gesetzliche Regelung
Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG). Zu den Werbungskosten können auch Aufwendungen für einen Umzug gehören, wenn die berufliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen den entscheidenden Grund für den Wohnungswechsel darstellt und private Umstände hierfür eine allenfalls ganz untergeordnete Rolle spielen.
Sachverhalt: Umzugskosten zur Einrichtung eines Arbeitszimmers als Werbungskosten
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt verhielt sich folgendermaßen:
- Die berufstätigen Kläger lebten zu Beginn des Streitjahres 2020 gemeinsam mit ihrer Tochter in Hamburg.
- Der Kläger war dort für ein Unternehmen nichtselbständig tätig. Zu Beginn der Corona-Maßnahmen im März 2020 arbeitete er ausschließlich zu Hause. Nach Wechsel des Arbeitgebers zum 30. Juni des Streitjahres arbeitete er an vier Tagen der Woche zu Hause sowie einmal wöchentlich in den ebenfalls in Hamburg belegenen Räumen seines neuen Arbeitsgebers.
- Die Klägerin war im Streitjahr in Teilzeit tätig. Zudem fertigte sie ihre Masterarbeit an. Ab Mitte März 2020 arbeitete sie ebenfalls an vier Tagen der Woche im Homeoffice und an einem Tag im Büro.
- Über separate Arbeitszimmer verfügten die Kläger in ihrer 3-Zimmer-Wohnung nicht. Sie arbeiteten im Wesentlichen im Wohn-/Esszimmer und nutzten den Esstisch (abwechselnd) als Schreibtisch.
- Im Mai des Streitjahres mieteten die Kläger eine ebenfalls in Hamburg belegene 5-Zimmer-Wohnung. Zwei Zimmer der neuen Wohnung statteten sie büromäßig aus und nutzten diese als häusliche Arbeitszimmer.
In ihrer Einkommensteuererklärung 2020 machten die Kläger unter anderem die Umzugskosten zu ihrer neuen Wohnung als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Das Finanzamt (FA) lehnte den Abzug der Aufwendungen ab und wies den dagegen gerichteten Einspruch als unbegründet zurück. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und erkannte die Umzugskosten als Werbungskosten an. Der Umzug sei beruflich veranlasst gewesen, da er zu einer wesentlichen Erleichterung der Arbeitsbedingungen der Kläger geführt habe. In der neuen Wohnung verfüge jeder Ehegatte über ein eigenes Arbeitszimmer und könne deshalb zu Hause der beruflichen Tätigkeit ungestört nachgehen. Im anschließenden Revisionsverfahren rügte das FA die Verletzung materiellen Rechts.
Entscheidung: Umzugskosten wurden zu Unrecht als Werbungskosten berücksichtigt
Der BFH hält die Revision des FA für begründet.
Kosten der Lebensführung nicht abzugsfähig
Grundsätzlich ist das Bewohnen einer Wohnung dem privaten Lebensbereich zuzurechnen, sodass die Kosten für einen Wechsel der Wohnung als steuerlich nicht abziehbare Kosten der Lebensführung (§ 12 Nr. 1 Satz 2 EStG) und nicht als Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG anzusehen sind.
Ausnahme (nur) bei objektivierter beruflicher Veranlassung
Etwas anderes gilt nur, wenn die berufliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen den entscheidenden Grund für den Wohnungswechsel darstellt und private Umstände hierfür eine allenfalls ganz untergeordnete Rolle spielen.
Eine derartige (objektivierte) berufliche Veranlassung wird anerkannt, wenn der Umzug die Folge eines Arbeitsplatzwechsels ist und die für die täglichen Fahrten zur Arbeitsstätte benötigte Zeit sich durch den Umzug erheblich vermindert. Als wesentliche Verkürzung der Wegezeit gilt dabei eine Zeitersparnis von mindestens einer Stunde täglich.
Der berufliche Veranlassungszusammenhang ist von der Rechtsprechung dabei stets nur aufgrund objektiver, außerhalb der individuellen Wohnsituation liegender Umstände bejaht worden. Steht danach die (nahezu ausschließliche) berufliche Veranlassung des Umzugs nach objektiven Kriterien eindeutig fest, ist deshalb auf Motive des Steuerpflichtigen für den Umzug in eine bestimmte Wohnung nicht mehr abzustellen. Denn die Motive für die Auswahl einer Wohnung und die Bestimmung des Wohnorts sind nahezu stets durch die private Lebensgestaltung geprägt. Würden sie eine Rolle spielen, könnten Umzugskosten nie als Werbungskosten abgezogen werden.
Keine nahezu ausschließliche berufliche Veranlassung bei Umzug zur Einrichtung eines Arbeitszimmers
Davon ausgehend ist eine nahezu ausschließliche berufliche Veranlassung des Umzugs in eine andere Wohnung auch dann zu verneinen, wenn in dieser Wohnung (erstmals) die Möglichkeit zur Einrichtung eines Arbeitszimmers besteht. Es fehlt insoweit an einem objektiven Kriterium, welches nicht auch durch die private Wohnsituation jedenfalls mitveranlasst ist. Auch in einem solchen Fall ist wegen des natürlichen Bestrebens nach einer Verbesserung der Wohnqualität nicht mit der erforderlichen Sicherheit zu ermitteln, ob die Einrichtung des Arbeitszimmers Anlass oder nur Folge des Umzugs in die neue, unter Umständen größere Wohnung ist.
Das Gebot der Rechtssicherheit erfordert jedoch, bei der Frage nach der beruflichen Veranlassung des Umzugs regelmäßig nur auf objektiv feststellbare Umstände abzustellen, die typischerweise auf eine berufliche Veranlassung schließen lassen. Solche Umstände sind allein in dem Bestreben, ein abgeschlossenes Arbeitszimmer einzurichten, nicht gegeben. Die Wahl einer Wohnung, insbesondere deren Lage, Größe, Zuschnitt und Nutzung, ist vielmehr vom Geschmack, den Lebensgewohnheiten, den zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln, der familiären Situation und anderen privat bestimmten Vorentscheidungen des Steuerpflichtigen abhängig. Dies ist grundsätzlich der privaten Lebensführung gemäß § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG zuzuordnen.
Gewandelte Arbeitswelt führt zu keiner anderen Beurteilung
Auch die zunehmende Akzeptanz von Homeoffice, Tele- und sogenannter Remote-Arbeit (ortsunabhängiges/mobiles Arbeiten) ändert nichts daran, dass der Wunsch, im privaten Lebensbereich in einem (häuslichen) Arbeitszimmer zu arbeiten, nicht allein auf objektiven beruflichen Kriterien, sondern in erster Linie auf privaten Motiven und Vorlieben beruht.
Zwar geht mit einem separaten Arbeitszimmer eine wesentliche Verbesserung und Erleichterung der Arbeitsbedingungen einher. Der Wunsch, einen (separaten) Raum als Arbeitszimmer vorzuhalten, wird jedoch nicht in einem solchen Maße durch objektive berufliche Erwägungen überlagert, als dass diese typischerweise für eine nahezu ausschließliche berufliche Veranlassung eines Wohnungswechsels streiten. Denn die Entscheidung, „im neuen Zuhause“ einen gesonderten Raum nicht privat, sondern (erstmals) auch oder ausschließlich beruflich als Arbeitszimmer zu nutzen oder die Berufstätigkeit im privaten Lebensbereich (weiterhin) in einer „Arbeitsecke“ auszuüben, beruht auch in Zeiten einer gewandelten Arbeitswelt nicht auf nahezu ausschließlich objektiven beruflichen Kriterien. Sie gründet letztlich vorrangig auf privaten Motiven und Vorlieben des Steuerpflichtigen betreffend die Gestaltung seiner individuellen Wohnsituation. Dies gilt auch dann, wenn er über keinen anderen (außerhäuslichen) Arbeitsplatz verfügt oder er durch die Arbeit im Homeoffice Berufs- und Familienleben zu vereinbaren sucht. Mit der Einrichtung eines (häuslichen) Arbeitszimmers geht nicht nur eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen einher, es verbessert sich stets auch die private Wohnsituation insoweit, als der ansonsten mit der Arbeitsecke belastete Wohnraum nunmehr davon ungestört genutzt werden kann.
Allein der Umstand, dass die Kläger umgezogen sind, um in der neuen Wohnung zwei häusliche Arbeitszimmer einzurichten, trägt den Schluss, der Umzug sei nahezu ausschließlich beruflich veranlasst gewesen, nicht.
BFH, Urteil v. 5.2.2025, VI R 3/23; veröffentlicht am 17.4.2025
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