Grundsätzliches
Nach § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG wird die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um 1,2% des 140%-igen Einheitswerts des zum Betriebsvermögen des Unternehmens gehörenden und nicht von der GrSt befreiten Grundbesitzes gekürzt; maßgebend ist der Einheitswert des letzten Feststellungszeitpunkts vor dem Ende des Erhebungszeitraums („einfache Kürzung“). Ab 2025 erfolgt die Kürzung für zum Betriebsvermögen gehörenden Grundbesitz in Höhe der im Erhebungszeitraum als Betriebsausgabe erfassten Grundsteuer. § 9 Nr. 1 GewStG soll verhindern, dass bestimmte Ertragsteile durch die GrSt und dann nochmals durch die GewSt erfasst werden.
Auf Antrag tritt an die Stelle der „einfachen Kürzung“ nach § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG bei Unternehmen, die „ausschließlich“ eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes KapV verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Einfamilien-, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen errichten und veräußern, die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt („erweiterte Kürzung“). Mit der „erweiterten Kürzung“ soll die Gleichstellung vermögensverwaltender Grundstücksunternehmen, deren Einkünfte nur kraft Rechtsform (z.B. GmbH) der GewSt unterliegen, mit Einzelpersonen oder PersG, die nur vermögensverwaltende Tätigkeiten ausüben und Einkünfte aus § 21 EStG erzielen, erreicht werden.
Das Tatbestandsmerkmal der „Ausschließlichkeit“ ist qualitativ, quantitativ und zeitlich zu verstehen. Hat eine Kapitalgesellschaft ihren gesamten Grundbesitz einen Tag vor Ablauf des Erhebungszeitraums veräußert, scheidet die Anwendung der erweiterten Kürzung aus („Veräußerung zu Beginn des 31.12. – BFH, Urteil v. 17.10.2024, III R 1/23).
Die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes darf nicht den „Rahmen der bloßen Vermögensverwaltung“ überschreiten. Es wird auf den ertragsteuerlichen Begriff der Vermögensverwaltung zurückgegriffen. Ein gewerblicher Grundstückshandel liegt vor, wenn innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs von in der Regel fünf Jahren (zwischen der Anschaffung oder Errichtung und dem Verkauf) mindestens vier Objekte veräußert werden (siehe auch BMF, Schreiben v. 26.3.2004, BStBl I 2004, 434).
Vom BFH zu klärende Frage
Der BFH hatte die Frage zu entscheiden, ob eine Vermögensverwaltung selbst dann vorliegt, wenn kurz nach Ablauf der Fünf-Jahresfrist 13 von 15 Immobilienobjekten veräußert werden.
Sachverhalt: Veräußerung von 13 Objekten nach Ablauf des Fünf-Jahres-Zeitraums
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt verhielt sich folgendermaßen:
- Die Klägerin ist eine Rechtsnachfolgerin der im Jahr 2007 gegründeten A GmbH, deren Geschäftsführer ursprünglich B und C waren.
- Der 1956 geborene Geschäftsführer C verstarb im Jahr 2012, woraufhin B die alleinige Geschäftsführung übernahm.
- Der Unternehmensgegenstand der A GmbH laut Handelsregister war die Verwaltung eigenen Grundbesitzes, insbesondere der Erwerb, die Vermietung und Verpachtung von Immobilien.
- Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die A GmbH in den Streitjahren abgesehen von der durchgängig betriebenen Vermietung und Verpachtung sowie der im Jahr 2013 erfolgten Veräußerung mehrerer Immobilien keine anderen Tätigkeiten ausübte.
- Alleinige Gesellschafterin der Klägerin ist die im Jahr 2004 gegründete A Holding GmbH.
- Deren Gesellschafter waren ursprünglich B und C zu gleichen Teilen. Nach dem Tod des C trat zunächst seine Ehefrau als Alleinerbin in die Gesellschaft ein. Sie veräußerte ihre Anteile an B, der fortan Alleingesellschafter war.
- Zu der Unternehmensgruppe der A Holding GmbH gehörten mehrere weitere Gesellschaften. Sie verfolgten teilweise einen ähnlichen Unternehmenszweck wie die A GmbH, teilweise andere Zwecke. So gab es Gesellschaften, deren Zweck in der dauerhaften Vermietung und Verpachtung von Immobilien bestand. Eine Gesellschaft diente der Bautätigkeit, andere Gesellschaften dienten dem kurzfristigen Kauf und Verkauf von Immobilien. Geschäftsführer der weiteren Gesellschaften war ebenfalls B.
- Die A GmbH war Eigentümerin von Grundstücken, die sie im Anlagevermögen hielt. Im Jahr 2013 veräußerte sie erstmals Grundstücke. Diese hatte sie im Jahr 2007 erworben.
- Im Notarvertrag aus März 2013 zum Verkauf dieser Grundstücke an eine Erwerberin war beschrieben, dass sich in den 13 Objekten 133 Wohneinheiten und zwölf Gewerbeeinheiten befanden. Diese waren zu 94% vermietet.
- In den Gewerbesteuererklärungen machte die A GmbH 2011 und 2013 die erweiterte Kürzung für Grundstücksunternehmen geltend.
Das Finanzamt veranlagte die A GmbH zunächst erklärungsgemäß und setzte die Gewerbesteuermessbeträge jeweils auf 0 EUR fest. Die Bescheide standen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 AO. Nach einer Außenprüfung versagte die Finanzverwaltung die erweiterte Kürzung, weil die A GmbH durch die Grundstücksveräußerungen aus 2013 die Grenze zum gewerblichen Grundstückshandel überschritten habe.
FG Münster: Gewerblicher Grundstückshandel liegt nicht vor
Das FG Münster (Urteil v. 26.4.2023, 13 K 3367/20 G, EFG 2023, 1094) sah die hiergegen eingelegte Klage als begründet an und ließ die erweiterte Kürzung in den Streitjahren zu. Das FG verneinte das Vorliegen eines gewerblichen Grundstückshandels. Das todesbedingt unerwartet eingetretene private Veräußerungsmotiv löse keinen Rückschluss auf eine bereits im Erwerbszeitpunkt bestehende bedingte Veräußerungsabsicht aus.
Entscheidung: Erweiterte Kürzung ist anwendbar
Der BFH hielt die Revision für unbegründet und verneinte ebenso das – die erweiterte Kürzung ausschließende – Vorliegen eines gewerblichen Grundstückshandels. Er begründete dies im Wesentlichen wie folgt:
Nach der typisierenden Drei-Objekt-Grenze kann von einem gewerblichen Grundstückshandel ausgegangen werden, wenn innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs von in der Regel fünf Jahren (zwischen der Anschaffung oder Errichtung und dem Verkauf) mindestens vier Objekte veräußert werden. Der Fünf-Jahres-Zeitraum ist jedoch keine starre Grenze (Rz. 23). Bei Grundstücksveräußerungen nach Ablauf von mehr als fünf Jahren – und in besonderem Maße bei erstmaligen Veräußerungen danach – müssen weitere Beweisanzeichen hinzutreten, um von Anfang an einen gewerblichen Grundstückshandel annehmen zu können. Solche weitere Beweisanzeichen für einen gewerblichen Grundstückshandel lagen im Streitfall aufgrund der gebotenen Einzelfallprüfung (Rz. 27) nicht vor. Das überraschende Versterben des C ist ein besonderer Umstand (Rz. 35). Dieser besondere Umstand dürfte ausschlaggebend für die hohe Zahl von Veräußerungen kurz nach Ablauf der Fünf-Jahres-Frist sein.
Praxisfolgen
Die Anwendung der erweiterten Kürzung führt regelmäßig zu Diskussionen mit der Finanzverwaltung. Nach der BFH-Rechtsprechung (vgl. BFH, Urteil v. 15.6.2004, VIII R 7/02, BStBl II 2004, 914) kann eine hohe Zahl von Veräußerungen außerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums oder eine hauptberufliche Tätigkeit im Baubereich eine zumindest bedingte Veräußerungsabsicht im Zeitpunkt der Anschaffung und Errichtung indizieren.
Nach der Besprechungsentscheidung führt diese BFH-Rechtsprechung aber nicht dazu, dass eine bedingte Veräußerungsabsicht bei einer hohen Zahl von Veräußerungen kurz nach Ablauf des Fünf-Jahres-Zeitraums zwingend vorliegt. Vielmehr sind die Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls wurde die erweiterte Kürzung im vorliegenden Entscheidungsfall zugelassen. Die BFH-Entscheidung hätte anders ausfallen können, wenn es sich um einen vorhersehbaren Todesfall nach einer langen Krankheit des Gesellschafters gehandelt hätte. Ob diese Krankheit innerhalb der zu Beginn des Fünf-Jahreszeitraums vorliegen muss, bleibt der künftigen Rechtsprechung vorbehalten.
Beim BFH sind gegenwärtig noch Verfahren zur Abgrenzung zwischen privater Vermögensverwaltung und gewerblichem Grundstückhandel anhängig. In der Rs. III R 12/22 geht es u.a. um die Frage, ob Verkäufe anderer Objektgesellschaften bei der Prüfung der Nachhaltigkeit wegen des Durchgriffverbotes nicht zuzurechnen sind (FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 18.1.2022, 8 K 8008/21). Mit einer BFH-Entscheidung ist in Kürze zu rechnen, auch weil am 3.6.2025 beim BFH die mündliche Verhandlung terminiert ist. Auch in der Rs. III R 29/23 geht es um die Frage, ob es eine kürzungsschädliche gewerbliche Tätigkeit ist, wenn eine planmäßige Gründung von Tochtergesellschaften, die Ausstattung dieser mit Grundstücken und deren Verkauf vorliegen.
BFH, Beschluss v. 20.3.2025, III R 14/23; veröffentlicht am 22.5.2025
Alle am 22.5.2025 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen