Blick in die aktuelle Rechtslage
Nach Maßgabe von § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG ist die Vermietung und die Verpachtung von Grundstücken steuerfrei. Diese Steuerfreiheit wird durch § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG eingeschränkt. Vornehmlich die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält, ist danach umsatzsteuerpflichtig; einer Option nach § 9 UStG bedarf es nicht.
Immer verstärkter sind Modelle in der Praxis anzutreffen, in denen der Vermieter dem Mieter über die Vermietung hinaus von diesem selbst erzeugten Strom entgeltlich zur Verfügung stellt. Zu den rechtlichen Bedingung gibt die Bundesnetzagentur auf ihrer Internetseite weitergehende Hinweise (
www.bundesnetzagentur.de Stichwort: Mieterstrom).
Bislang war die steuerliche Einordnung der Stromlieferung neben einer (Wohnraum-)Vermietung höchstrichterlich ungeklärt.
Offene Frage
Der BFH musste sich nunmehr mit der Frage befassen, ob die Lieferung von selbst erzeugtem Strom eine Hauptleistung ist, selbst wenn dem Leistungsempfänger des Stroms daneben umsatzsteuerfrei Wohnraum vermietet wird und der Strom vom Mieter dort genutzt wird.
Sachverhalt: Mieterstrom neben Wohnraumvermietung
Der der BFH-Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt verhielt sich folgendermaßen:
- Der Kl. erbringt steuerfreie Vermietungsleistungen (§ 4 Nr. 12 Buchst. a) UStG) aus der Vermietung eines Mehrfamilienhauses und eines Doppelhauses.
- Der Kl. ließ auf den Dächern dieser Objekte jeweils PV-Anlagen mit Speichern installieren.
- Für beide Photovoltaikanlagen wurden jeweils zwei Messungen verbaut.
- Die erste Messung erfasst die Gesamtproduktion des Stroms.
- Der erzeugte Strom, der direkt über den Batteriespeicher an die Mieter fließt, läuft über eine entsprechende Messung.
- Der überschüssige Strom wird an die N-GmbH geliefert.
- Der gegebenenfalls von den Mietern zusätzlich benötigte Strom (Reststrom) wird im Namen und im Auftrag des Klägers über die E-GmbH beziehungsweise G-AG bezogen und mit einem Gewinnaufschlag an die Mieter abgegeben.
- Der Kläger rechnete mit den Mietern den Strom jährlich ab. Unterjährig waren monatliche Abschläge zu entrichten.
- Der Vermieter und Kl. schloss neben den jeweiligen Mietverträgen eine Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag über die Stromversorgung ab.
- Nach der Zusatzvereinbarung kann der Stromlieferungsvertrag mit einer Frist von vier Wochen zum Monatsende gekündigt werden. Außerdem ist geregelt, dass der Mieter für den Fall, dass er nach der Kündigung anderweitig den Strom beziehe, die Kosten der Umbaumaßnahmen der Zähleranlage zu tragen habe.
- In seiner Umsatzsteuer-Voranmeldung für Dez. 2018 machte der Kläger die Vorsteuer aus dem Erwerb der PV-Anlage nebst Batteriespeicher geltend.
Das Finanzamt versagte den Vorsteuerabzug, da es sich um eine unselbstständige Nebenleistung zur umsatzsteuerfreien Wohnraumvermietung handelt und ein Vorsteuerabzug wegen § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ausgeschlossen sei.
Niedersächsisches FG: Stromlieferung als Hauptleistung neben der umsatzsteuerfreien Vermietung
Das Niedersächsische FG ließ mit Urt. v. 25.2.2021 (11 K 201/19) den Vorsteuerabzug aus dem Anlagenerwerb zu. Die Stromlieferung sei keine (unselbstständige) Nebenleistung zu den umsatzsteuerfreien Vermietungsleistungen.
BFH: Revision wurde als unbegründet zurückgewiesen
Der BFH hat den begehrten Vorsteuerabzug aus dem Erwerb von PV-Anlagen nebst Batteriespeicher gewährt.
Grundsätze zur Leistungsabgrenzung
Bei der Abgrenzung, ob es sich um mehrere Hauptleistungen oder ein Hauptleistung und eine Nebenleistung handelt, sind bei Vermietung von Immobilien zwei Fallgruppen zu unterscheiden (Rz. 5):
Fallgruppe 1
Wenn der Mieter über die Möglichkeit verfügt, die Lieferanten und/oder die Nutzungsmodalitäten der in Rede stehenden Gegenstände oder Dienstleistungen auszuwählen, liegt grundsätzlich eine von der Vermietung getrennt anzusehende Leistung vor (Rz. 6).
Fallgruppe 2
Wenn die Vermietung eines Gebäudes in wirtschaftlicher Hinsicht offensichtlich mit den begleitenden Leistungen objektiv eine Gesamtheit bildet, ist demgegenüber davon auszugehen, dass Letztere mit der Vermietung eine einheitliche Leistung bilden (Rz. 7).
Lieferung von Mieterstrom als selbstständige Leistung
Die Lieferung von Mieterstrom stellt unter Anwendung der Abgrenzungsgrundsätze im Entscheidungsfall eine eigene Hauptleistung dar. Dafür spreche Folgendes:
- Die Verbrauchsmenge des Stroms wird über individuelle (Unter-)Zähler abgerechnet.
- Es liegen individuelle (Zusatz-)Vereinbarungen über die Stromlieferung vor. Diese sehen vom Mietvertrag abweichende Kündigungsfristen vor.
- Die freie Wahl des Stromanbieters ist für den Mieter möglich, selbst wenn der Mieter dann vertragsgemäß Umbaukosten zu leisten hat.
Vorsteuerabzug aus dem Anlagenerwerb
Der begehrte Vorsteuerabzug aus dem Anlagenerwerb wurde zugelassen. Die Kosten des Vermieters für die Anschaffung einer PV-Anlage stehen nicht in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit der steuerfreien Wohnungsvermietung, sondern mit der umsatzsteuerpflichtigen Stromlieferung. Da der Vermieter von Wohnraum die Lieferung von Strom – anders als die Versorgung mit Wärme und warmen Wasser – nicht schuldet, kommt die BFH-Entscheidung zum versagten Vorsteuerabzug aus Heizungsanlagen (BFH v. 7.12.2023, V R 15/21) nicht zur Anwendung.
Praxisfolgen
Im Fokus der Rezensionsentscheidung stand der Vorsteuerabzug aus der erworbenen PV-Anlage und dem Batteriespeicher. Dieser wurde grundsätzlich gewährt. Es darf aber nicht verkannt werden, dass dem eingangsseitigen Vorsteuerabzug die laufende Umsatzbesteuerung der Stromlieferung gegenübersteht.
Durch die Einführung des Nullsteuersatzes auf – verkürzt genannt – PV-Anlagen (§ 12 Abs. 3 UStG) hat sich ab 2023 das Blatt gewendet. Bei Stromlieferungen an den Auch-Mieter soll nunmehr i.d.R. eine ertragsschmälernde Umsatzsteuerpflicht verhindert werden, wenn wegen dem Nullsteuersatz aus dem Anlagenerwerb betragsmäßig ohnehin keine Vorsteuer gezogen werden kann. Dies gelingt, wenn die Kleinunternehmerregelung greift. Ist der Stromlieferer jedoch anderweitig unternehmerisch und zwar umsatzsteuerpflichtig tätig, unterliegt auch die Mieter-Stromlieferung unter den vorgenannten Bedingungen der Umsatzbesteuerung. Gestalterisch könnte sich dann die Investition in die PV-Anlage durch eine andere Person anbieten.
Die aktuelle BFH-Entscheidung weicht von der bisherigen Verwaltungsauffassung in Abschn. 4.12.1 Abs. 5 Satz 3 UStAE ab. Sofern sich die aktuelle BFH-Rechtsprechung als nachteilig erweist, dürfte aus Vertrauensschutzgründen eine Übergangsregelung angezeigt sein.
Die Rezensionsentscheidung kann auch die Frage auslösen, ob bei Investitionen in mieterstromproduzierende PV-Anlagen nachträglich und zwar rückwirkend ein bislang nicht geltend gemachter Vorsteuerabzug möglich ist. Unter Berücksichtigung des Einzelfalls dürfte dies im Rahmen der allgemeinen Verjährungsregelungen, die gerade mit Blick auf den bevorstehenden Jahreswechsel intensiv zu prüfen sind, zulässig sein.
Bei Vermietern – mit oder ohne zusätzliche Stromlieferungen – darf zudem die Einführung der elektronischen Rechnung ab 2025 im inländischen B2B-Bereich nicht verkannt werden. Zumindest für die Eingangsumsätze muss eine Verarbeitungsmöglichkeit von erhaltenen E-Rechnungen sichergestellt sein. Dies gilt auch für Stromlieferungen, bei denen der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer nach § 13b UStG schuldet. Im Mieterstrom-Modell kann durch den Einkauf und die Weiterlieferung von Reststroms eine Wiederverkäufereigenschaft i.S.d. § 3g UStG ausgelöst werden, worauf der BFH ausdrücklich hinweist (Rz. 30).
BFH, Urteil 17.7.2024, XI R 8/21; veröffentlicht am 26.9.2024
Alle am 26.9.2024 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen