Die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags, der auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfällt (§ 9 Nr. 3 GewStG), ist auch dann vorzunehmen, wenn Deutschland nach dem einschlägigen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht gehindert wäre, den gesamten Gewerbeertrag zu besteuern, und wenn sich im Rahmen einer koordinierten steuerlichen Außenprüfung (Joint Audit) die deutschen und die ausländischen Finanzbehörden auf eine vollständige Besteuerung durch Deutschland verständigt haben.

Der Gewinn aus der Veräußerung eines bebauten Grundstücks durch ein gewerbliches Unternehmen unterfällt auch dann vollständig Art. 4 DBA-Niederlande 1959/2004 (Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen), wenn die Bebauung vom Unternehmen selbst durchgeführt und das Grundvermögen dem Umlaufvermögen zugeordnet worden ist.

Hintergrund: Gesetzliche Vorgaben

  • Der Gewerbesteuer unterliegt gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Im Inland betrieben wird ein Gewerbebetrieb, soweit für ihn im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird (§ 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG).
  • Gewerbeertrag ist gemäß § 7 Satz 1 GewStG der nach den Vorschriften des EStG oder KStG zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, der bei der Ermittlung des Einkommens für den dem Erhebungszeitraum entsprechenden Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen ist, vermehrt und vermindert um die in den §§ 8 und 9 GewStG bezeichneten Beträge.

Sachverhalt: Klägerin betrieb im Inland Wohnungsbau

Die zum niederländischen X Konzern gehörende Klägerin ist eine GmbH & Co. KG mit statutarischem Sitz im Inland, die in den Jahren 2013 und 2014 (Streitjahre) als Generalunternehmerin im Wohnungsbau tätig war. Komplementärin ist die V GmbH, Kommanditistin die B GmbH; beide Gesellschafterinnen haben ihre statutarischen Sitze ebenfalls im Inland.

Die Klägerin betrieb im Inland Wohnungsbau, dabei ganz überwiegend auf eigenen Grundstücken, die sie nach der Bebauung jeweils wieder veräußerte, zu einem geringen Teil aber auch auf fremden Grundstücken. Sie unterhielt neben den Baustellen lediglich eine Korrespondenzadresse (Briefkasten) im Inland.

Die Geschäftsleitung der Klägerin sowie die Projektierung mit dem dafür benötigten Personal befanden sich in den Niederlanden. Auf den Baustellen war die Klägerin jeweils durch einen Polier und einen Bauleiter zur Leitung und Überwachung der Bauausführungen vertreten. Ausgeführt wurden die Bauarbeiten durch über die Konzernzentrale in den Niederlanden verpflichtete Subunternehmer.

Im Rahmen einer gemeinsamen steuerlichen Außenprüfung (sog. Joint Audit) einigten sich die deutschen und niederländischen Prüfer auf eine Aufteilung der Besteuerungsrechte dergestalt, dass die Veräußerungsgewinne der Klägerin aus den Bauprojekten auf eigenen Grundstücken in vollem Umfang der Besteuerung durch Deutschland unterliegen sollten. Bei den Bauprojekten auf fremden Grundstücken wurde nach der Länge der Bauzeiten differenziert: Gewinne aus Bauprojekten von weniger als zwölf Monaten sollten ausschließlich der niederländischen Besteuerung unterliegen, während die Gewinne aus Bauprojekten von mehr als zwölf Monaten zu 80 % von den Niederlanden und zu 20 % von Deutschland besteuert werden sollten. Das Finanzamt (FA) setzte dieses Prüfungsergebnis auch im Hinblick auf die Gewerbesteuer um.

Die Klägerin hielt den Aufteilungsmaßstab hinsichtlich der Bauten auf den eigenen Grundstücken mit Blick auf den in § 2 Abs. 1 Satz 1 und § 9 Nr. 3 GewStG zum Ausdruck kommenden Inlandsbezug der Gewerbesteuer für unzutreffend und beantragte mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage eine Herabsetzung der Gewerbesteuermessbeträge.

Die Klage hatte teilweise Erfolg. Das FG hat die angefochtenen Bescheide dahin geändert, dass „im Rahmen der Kürzungen zusätzlich eine Kürzung nach § 9 Nr. 3 GewStG um ein Drittel des Gewinnes aus Gewerbebetrieb vorgenommen wird“; im Übrigen hat es die Klage als unbegründet abgewiesen.

Entscheidung: BFH hebt Urteil des FG auf und verweist die Sache zurück

Der BFH entscheidet, dass die Revision des FA und die Anschlussrevision der Klägerin begründet sind. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Das FG hat zwar zutreffend angenommen, dass die von der Klägerin in den Streitjahren in Zusammenhang mit den Bauausführungen und den Grundstücksveräußerungen erzielten Einkünfte nur zu einem Teil der Gewerbesteuer unterliegen. Jedoch genügt die vom FG im Wege der Schätzung vorgenommene Gewinnabgrenzung zwischen den inländischen Betriebsstätten und der niederländischen Betriebsstätte nicht den Anforderungen des § 162 AO.

Klägerin unterhielt mehrere Betriebsstätten

Die Klägerin hat mehrere inländische Betriebsstätten unterhalten. Soweit die Klägerin inländische Grundstücke zu Eigentum erworben, bebaut und weiterveräußert hat, hat es sich bei den Grundstücken jeweils um „feste“ Geschäftseinrichtungen oder Anlagen i. S. v. § 12 Satz 1 AO gehandelt, die der Tätigkeit der Klägerin gedient haben. Da die Bauarbeiten jeweils mehr als sechs Monate angedauert haben, sind zugleich auch die Voraussetzungen des § 12 Satz 2 Nr. 8 AO (Bauausführungs-Betriebsstätten) erfüllt. Soweit die Klägerin als Generalunternehmerin Bauarbeiten auf fremden Grundstücken ausgeführt hat, die länger als sechs Monate angedauert haben, bestanden nach den Maßgaben des § 12 Satz 2 Nr. 8 AO ebenfalls Bauausführungs-Betriebsstätten.

Ermittlung der gewerbesteuerlichen Bemessungsgrundlage

Die von der Klägerin durch ihre gewerbliche Betätigung erzielten Einkünfte gehen nicht in vollem Umfang in die gewerbesteuerliche Bemessungsgrundlage ein. Grund hierfür ist der Umstand, dass die Geschäftsleitung und andere Tätigkeiten in den Niederlanden ausgeübt worden sind. Der Gewerbeertrag nach § 7 GewStG entspricht auf der ersten Ermittlungsstufe dem der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer zugrunde zu legende Gewinn aus Gewerbebetrieb. Einkünfte, die aufgrund besonderer gesetzlicher Vorschriften – zum Beispiel DBA – als steuerfrei behandelt werden, gehen von vornherein nicht in den Gewerbeertrag ein. Nach dem für die Streitjahre geltenden DBA-NL ist ein Teil des Gewinns aus den von der Klägerin auf den fremden Grundstücken erbrachten Bauleistungen von der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer auszunehmen.

Anwendung des DBA-Niederlande

Das DBA-NL findet Anwendung auf die deutsche Gewerbesteuer. Unmittelbar abkommensberechtigt ist zwar nicht die Klägerin selbst, weil sie als Personengesellschaft deutschen Rechts für Zwecke des Abkommens keine „Person“ ist, sondern es sind deren Gesellschafterinnen V GmbH und B GmbH, auf deren Abkommensberechtigung sich die Klägerin aber berufen kann.

Bei den Gewinnen aus den Bauausführungen auf fremdem Grund handelt es sich abkommensrechtlich um Einkünfte aus Gewerbebetrieb i. S. v. Art. 5 DBA-NL. In welchem Umfang Deutschland abkommensrechtlich das diesbezügliche Besteuerungsrecht zusteht, hängt von der noch zu klärenden Frage ab, wo sich die Orte der Geschäftsleitungen der V GmbH und der B GmbH befunden haben.

  • Wären die Geschäfte der V GmbH und der B GmbH von der niederländischen Konzernzentrale aus geleitet worden, dürfte Deutschland die Gewinne nur insoweit besteuern, als sie durch eine im Inland belegene Betriebsstätte – und zwar i. S. d. abkommensrechtlichen Betriebsstättendefinition des Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 DBA-NL – erwirtschaftet worden sind. Die Gewinne der Klägerin aus den Bauausführungen auf fremden Grundstücken würden danach nur in dem Umfang in den Gewerbeertrag der Klägerin eingehen, als sie einer inländischen Bauausführungs-Betriebsstätte zuzuordnen sind, was abkommensrechtlich eine Bauausführungszeit von jeweils mehr als zwölf Monaten erfordern würde.
  • Wären die beiden Gesellschafterinnen der Klägerin hingegen von Deutschland aus geleitet worden, hätte Deutschland das grundsätzliche Besteuerungsrecht und wären die der niederländischen Betriebsstätte zuzuordnenden Einkunftsteile von der Bemessungsgrundlage auszunehmen.

Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen nach Art. 4 DBA-NL

In Bezug auf die Betriebsstätten-Gewinnabgrenzung sieht Art. 5 Abs. 2 DBA-NL vor, dass der Betriebsstätte diejenigen Einkünfte zugewiesen werden, die sie erzielt hätte, wenn sie sich als selbständiges Unternehmen mit gleichen oder ähnlichen Geschäften unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen befasste und Geschäfte wie ein unabhängiges Unternehmen tätigte. Die Gewinne aus dem Verkauf der bebauten Grundstücke sind demgegenüber nach dem DBA-NL unabhängig vom „Wohnsitz“ der Gesellschafterinnen nicht anteilig von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuern auszunehmen.

Bezieht eine Person mit Wohnsitz in einem der Vertragsstaaten Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen (einschließlich des Zubehörs), das in dem anderen Staat liegt, so hat der andere Staat das Besteuerungsrecht für diese Einkünfte (Art. 4 DBA-NL). Diese Regelung umfasst u. a. auch Einkünfte aus der Veräußerung des unbeweglichen Vermögens und gilt auch dann, wenn die Vermögensgegenstände zu einem gewerblichen Betriebsvermögen gehören.

Deutschland würde daher – unabhängig davon, ob die V GmbH und die B GmbH den Ort ihrer Leitung in den Niederlanden oder in Deutschland haben – das alleinige Besteuerungsrecht an den Veräußerungsgewinnen zustehen. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil die Klägerin das Grundvermögen als Umlaufvermögen erfasst und auf den Grundstücken Gebäude errichtet hat.

Beschränkung des Steuerobjekts auf inländische Betriebsstätteneinkünfte

Nach zutreffender Auffassung des FG gehören die Gewinne aus der Veräußerung der bebauten Grundstücke jedoch aufgrund der im GewStG vorgesehenen Beschränkung des Steuerobjekts auf inländische Betriebsstätteneinkünfte nicht vollständig zur gewerbesteuerlichen Bemessungsgrundlage. Da die Geschäfte der Klägerin von der niederländischen Konzernzentrale aus geleitet worden sind, hat sich dort eine Betriebsstätte i. S. v. § 12 Satz 2 Nr. 1 AO (Stätte der Geschäftsleitung) befunden. Einkünfte, die nur teilweise einer inländischen, zum anderen Teil aber einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen sind und die nicht bereits aufgrund abkommensrechtlicher Bestimmungen steuerfrei sind, fallen folglich nur in dem Umfang in die gewerbesteuerliche Bemessungsgrundlage, als sie der inländischen Betriebsstätte zuzuordnen sind (struktureller Inlandsbezug der Gewerbesteuer).

Der sich aus § 7 Satz 1 GewStG ergebende Gesamt-Gewerbeertrag der Klägerin auf die den inländischen Betriebsstätten und die der niederländischen Betriebsstätte zuzuordnenden Anteile ist aufzuteilen und nach § 9 Nr. 3 GewStG um den der niederländischen Betriebsstätte zuzuordnenden Teil zu kürzen.

Der auf § 9 Nr. 3 GewStG beruhenden Kürzung des Gewerbeertrags um den auf die niederländische Betriebsstätte entfallenden Teil steht nicht entgegen, dass auf der Grundlage des Art. 4 DBA-NL Deutschland nicht daran gehindert wäre, den Gewinn aus der Veräußerung der Grundstücke vollständig der Gewerbesteuer zu unterwerfen.

Aufteilung und Zuordnung des Gewerbeertrags durch FG zu beanstanden

Die Vorinstanz hat sich nicht hinreichend mit den zugrunde liegenden rechtlichen Gewinnaufteilungs- und -zuordnungskriterien befasst. Zudem ist das FG seiner der Schätzungsbefugnis vorgehenden Sachaufklärungspflicht nicht in hinreichendem Maße nachgekommen. In Bezug auf den Gewinn aus den Bauausführungen auf fremden Grundstücken hat das FG keine eigenen Erwägungen getroffen, sondern es hat die vom FA auf der Grundlage des Joint Audit angesetzte Aufteilung von 80 % zu 20 % im Ergebnis zugunsten der Klägerin dahin korrigiert, dass auch der in den Bescheiden zugrunde gelegte Gewerbeertrag um ein Drittel gekürzt wird. Zudem fehlt es an der vorrangigen Prüfung, ob es sich bei den beiden Gesellschafterinnen der Klägerin um Unternehmen des Vertragsstaats Deutschland oder des Vertragsstaats Niederlande handelt, was vom jeweiligen Ort der Leitung abhängt. Die vom FG im Wege der Schätzung vorgenommene Aufteilung und Zuordnung des Gewinns aus der Veräußerung der Grundstücke auf die deutschen und niederländischen Betriebsstätten von zwei Dritteln (Deutschland) zu einem Drittel (Niederlande) leidet ebenfalls an rechtlichen Mängeln. Das FG wird im zweiten Rechtsgang die erforderlichen Feststellungen zur Aufteilung des Gewerbeertrags zwischen den inländischen und der niederländischen Betriebsstätte treffen müssen.



BFH, Urteil v. 5.6.2024, I R 32/20
; veröffentlicht am 31.10.2024

Alle am 31.10.2024 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen