Die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags ist bei Grundstücks- und Wohnungsunternehmen überaus bedeutsam. Sie führt in der Regel dazu, dass keine GewSt-Belastung eintritt. Anwendungsvoraussetzung ist eine ausschließliche Verwaltung und Nutzung von eigenem Grundsitz. Die zeitlich zu verstehende Ausschließlichkeit ist nicht erfüllt, wenn eine Kapitalgesellschaft ihren gesamten Grundbesitz einen Tag vor Ablauf des Erhebungszeitraums veräußert hat – im Entscheidungsfall wurde zu Beginn des 31.12. veräußert.

Grundsätzliches

Nach § 9  Nr. 1 S. 1 GewStG wird die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um 1,2 % des 140 %-igen Einheitswerts des zum Betriebsvermögen des Unternehmens gehörenden und nicht von der GrSt befreiten Grundbesitzes gekürzt; maßgebend ist der Einheitswert des letzten Feststellungszeitpunkts vor dem Ende des Erhebungszeitraums („einfache Kürzung“).

Ab 2025 erfolgt die Kürzung für zum Betriebsvermögen gehörenden Grundbesitz in Höhe der im Erhebungszeitraum als Betriebsausgabe erfassten Grundsteuer.

§ 9 Nr. 1 GewStG soll verhindern, dass bestimmte Ertragsteile durch die GrSt und dann nochmals durch die GewSt erfasst werden.

Auf Antrag tritt an die Stelle der „einfachen Kürzung“ nach § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes KapV verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Einfamilien-, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen errichten und veräußern, die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt („erweiterte Kürzung“).

Mit der „erweiterten Kürzung“ soll die Gleichstellung vermögensverwaltender Grundstücksunternehmen, deren Einkünfte nur kraft Rechtsform (z.B. GmbH) der GewSt unterliegen, mit Einzelpersonen oder PersG, die nur vermögensverwaltende Tätigkeiten ausüben und Einkünfte aus § 21 EStG erzielen, erreicht werden.

Das Tatbestandsmerkmal der „Ausschließlichkeit“ ist qualitativ, quantitativ und zeitlich zu verstehen.

Offene Frage

Der BFH musste sich nunmehr mit der Frage befassen, ob das zeitliche Kriterium der Ausschließlichkeit im Erhebungszeitraum 2016 erfüllt ist, wenn eine Kapitalgesellschaft ihren einzigen Grundbesitz ab Beginn des 31.12.2016 veräußert.

Sachverhalt: Grundstücksveräußerung ab Beginn des 31.12.2016

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt verhielt sich folgendermaßen:

  • Die Klägerin ist eine GmbH (gegründet 2012).
  • Gegenstand des Unternehmens der Klägerin war die Realisierung von Immobilienprojekten, insbesondere der Erwerb, die Verwaltung (vor allem die Vermietung und Verpachtung) und die Veräußerung von Grundbesitz einschließlich der Durchführung von Baumaßnahmen auf fremdem Grundbesitz.
  • In 2013 erwarb die Klägerin ein Immobilienobjekt und wies dies in der Bilanz als Umlaufvermögen aus. Dieses wurde in 2014 veräußert.
  • In 2015 erwarb die Klägerin ein weiteres Immobilienobjekt. Bei dem Objekt handelte es sich um ein Geschäftsgrundstück, welches aus mehreren Eigentumswohnungen sowie wohnungseigentumsrechtlichen Teileigentumseinheiten bestand. Auch dieses Objekt wies die Klägerin zum 31.12.2015 als Umlaufvermögen aus.
  • In 2015 wurde das letztgenannte Objekt veräußert. Vertraglich vereinbart war der Übergang des Besitzes, der Nutzungen und der Gefahr, die Kaufpreiszahlung vorausgesetzt, „am Beginn des 31.12. 2016“. Danach übte die Kapitalgesellschaft nur noch anderweitige Tätigkeiten aus.

Das Finanzamt versagte die Anwendung der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 ff GewStG.

Das FG Münster ließ die erweiterte Kürzung mit Urteil v. 27.10.2022 (10 K 3572/18 G) zu. Veräußert ein grundbesitzverwaltendes Unternehmen sein letztes Grundstück vor Ablauf des Erhebungszeitraums, liegt eine für die erweiterte Kürzung bzw. für die dort verlangte zeitliche Ausschließlichkeit schädliche nachlaufende Tätigkeit nur in für die Einkünfteerzielung relevanten Tätigkeiten. Das bloße Innehaben unverzinslicher Forderungen und deren Einziehung ist keine solche schädliche Tätigkeit.

Entscheidung: Keine erweiterte Kürzung möglich

Der BFH hielt die Revision für begründet.

  • Der auch zeitlich zu verstehende Begriff der Ausschließlichkeit setzt voraus, dass das Unternehmen während des gesamten Erhebungszeitraums einer begünstigten Tätigkeit nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nachgeht (Rz. 16).
  • Wird nur während eines Teils des Erhebungszeitraums eine nicht begünstigte Tätigkeit ausgeübt, entfällt für den gesamten Erhebungszeitraum die erweiterte Kürzung.
  • Am Erfordernis einer ausschließlichen Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes fehlt es, wenn ein Unternehmer das letzte oder einzige Grundstück vor Ablauf des Erhebungszeitraums veräußert und danach nur noch anderweitige Tätigkeiten ausübt (Rz. 20).
  • Die technisch bedingte Ausnahme bei einer Veräußerung zum 31.12. um 23:59 Uhr gilt nicht bei einer Veräußerung mit Beginn des 31.12.

Praxisfolgen

Die Entscheidung verdeutlicht die Probleme bei der erweiterten Kürzung. Wird im Laufe eines Erhebungszeitraums (= i.d.R. das Kalenderjahr gem. § 14 Satz 2 GewStG) das letzte Grundstück veräußert, scheidet die erweiterte Kürzung aus. Die Rechtsprechung lässt hiervon eine Ausnahme zu, wenn die Veräußerung zum 31.12. 23:59 Uhr erfolgt (BFH, Urteil v. 11.8.2004, I R 89/03). Eine Veräußerung zum Beginn des 31.12. ist hingegen schädlich für die Anwendung der erweiterten Kürzung. Wird erst im Laufe des Gründungsjahres Grundbesitz erworben, scheidet im Umkehrschluss auch die erweiterte Kürzung aus (BFH, Beschluss v. 27.10.2021, III R 7/19). Der BFH bleibt dabei, dass eine zeitanteilige Gewährung der erweiterten Kürzung ausscheidet.

Bedeutsam ist in dem Entscheidungsfall auch der Hinweis des BFH, dass der Erhebungszeitraum das Kalenderjahr war. Zu einem abgekürzten Erhebungszeitraum (§ 14 Satz 3 GewStG) kam es nicht. Die Steuerpflicht der Kapitalgesellschaft endet, wenn sie jegliche Tätigkeit einstellt, also nicht nur die eigentliche (werbende) Tätigkeit, sondern auch die Verwertungstätigkeit im Rahmen der Abwicklung, die ihrerseits mit der letzten Abwicklungshandlung endet (Rz. 19 m.w.N.).

Nur einen Teilerfolg hatte die Klägerin erzielt: Da bislang die einfache Kürzung nicht gewährt wurde, war diese nunmehr nachzuholen. Ein wirklich nur kleiner Trost.



BFH, Urteil v. 17.10.2024, III R 1/23
; veröffentlicht am 23.1.2025

Alle am 23.1.2025 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen