Hintergrund: Einreichung elektronischer Dokumente bei Gericht
Nach § 52a Abs. 1 FGO können unter anderem schriftlich einzureichende Anträge der Beteiligten nach Maßgabe von § 52a Abs. 2 bis 6 FGO als elektronische Dokumente bei Gericht eingereicht werden. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein (§ 52a Abs. 2 Satz 1 FGO).
Sachverhalt: Übermittlung einer Word-Dokument-Datei genügt nicht den Anforderungen
Am 25.1.2024 hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers eine Revisionsschrift als Word-Dokument-Datei in dem Format DOCX über ihr besonderes elektronisches Steuerberaterpostfach (beSt) an die elektronische Poststelle des BFH übermittelt.
Mit Schreiben vom selben Tag wies die Geschäftsstelle des V. Senats des BFH die Prozessbevollmächtigte gegen elektronisches Empfangsbekenntnis darauf hin, dass § 2 ERVV eine Übermittlung elektronischer Dokumente im Dateiformat PDF bzw. TIFF erfordere. Die Nachricht der Prozessbevollmächtigten entspreche nicht diesem Erfordernis. Zugleich wies die Geschäftsstelle auf § 52a Abs. 6 FGO hin.
Eine Nachricht der Prozessbevollmächtigten des Klägers über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach an das elektronische Postfach der Verwaltung des BFH (besonderes elektronisches Behördenpostfach – beBPo -) enthielt im Anhang eine Datei in dem Format ZIP, in der wiederum das Schreiben der Geschäftsstelle vom 25.1.2024 an die Prozessbevollmächtigte in dem Dateiformat PDF enthalten war.
In einem Telefonat am 26.1.2024 zwischen der Geschäftsstelle und der Prozessbevollmächtigten „über das eingegangene Dokument“, erklärte diese, dass sie glaubte, das elektronische Empfangsbekenntnis übermittelt zu haben. Das elektronische Empfangsbekenntnis zu dem Schreiben der Geschäftsstelle vom 25.1.2024 ging am 13.2.2024 beim BFH ein. Am 27.2.2024 übermittelte die Prozessbevollmächtigte die von ihr qualifiziert elektronisch signierte Revisionsbegründungsschrift als Datei in dem Format PDF über das beSt an das beBPo des BFH, die dort am selben Tag einging. Die Revisionsbegründungsschrift wurde am 28.2.2024 zur elektronischen Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens genommen.
Entscheidung: BFH verwirft Revision
Die Revision ist nach § 124 Abs. 1 Satz 2 FGO unzulässig, da sie nicht in der gesetzlichen Frist eingelegt wurde. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 FGO ist nicht zu gewähren.
Dokument nur zur Bearbeitung geeignet, wenn es im Dateiformat PDF übermittelt wird
Ein elektronisches Dokument ist jedenfalls bei führender elektronischer Akte nur dann im Sinne des § 52a Abs. 2 Satz 1 FGO für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet, wenn es in einem der in § 2 Abs. 1 ERVV genannten Dateiformate (PDF oder wenn bildliche Darstellungen in diesem Format nicht verlustfrei wiedergegeben werden können, zusätzlich im Dateiformat TIFF) in der elektronischen Poststelle des Gerichts eingegangen ist.
§ 2 Abs. 1 Satz 1 ERVV ordnet nach seinem Wortlaut („ist“) das für die Übermittlung als elektronisches Dokument zu verwendende Dateiformat verpflichtend an.
Heilung durch das Gericht kommt nicht in Betracht
Es kommt nicht in Betracht, es für eine „Bearbeitbarkeit“ genügen zu lassen, dass das Gericht das konkret eingereichte elektronische Dokument in der Weise selbst bearbeitet, dass es aus diesem ein – neues – elektronisches Dokument in dem durch § 2 Abs. 1 ERVV vorgeschriebenen Dateiformat erstellt und dadurch diesen Formfehler „heilt“.
Pflicht auch verfassungsgemäß
Die Pflicht zur Verwendung des Dateiformats PDF bei Einreichung elektronischer Dokumente ist auch verfassungsgemäß.
Der Gesetzgeber darf Regelungen treffen, die für ein Rechtsschutzbegehren besondere formelle Voraussetzungen aufstellen und sich dadurch für den Rechtsuchenden einschränkend auswirken. Solche Einschränkungen müssen jedoch mit den Belangen einer rechtsstaatlichen Verfahrensordnung vereinbar sein und dürfen den Rechtsuchenden nicht unverhältnismäßig belasten. Auch ein Richter muss die Tragweite des Grundrechts auf einen effektiven Rechtsschutz beachten. Die Grundsätze gelten nicht nur für den ersten Zugang zum Gericht, sondern für die Ausgestaltung des gesamten Verfahrens.
Dem genügt die zwingende Verwendung des Dateiformats PDF.
Die Beschränkung auf das Dateiformat PDF ist auch deshalb verhältnismäßig, weil die Unwirksamkeit des Eingangs aufgrund der Ungeeignetheit zur Bearbeitung infolge der Verwendung eines anderen Dateiformats nach § 52a Abs. 6 FGO niederschwellig und verschuldensunabhängig geheilt werden kann und das Gericht verpflichtet ist, hierauf hinzuweisen.
Frist zur Einlegung der Revision versäumt
Im Streitfall ist das Urteil dem Kläger am 28.12.2023 zugestellt worden, sodass die Revisionsfrist mit Ablauf des 29.1.2024 endete.
Die am 25.1.2024 über das beSt als Word-Dokument-Datei eingereichte Revisionsschrift hat die Frist nicht gewahrt, da sie als elektronisches Dokument nicht i.S.d. § 52a Abs. 2 FGO i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 ERVV für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet war.
Formunwirksamkeit nicht nach § 52a Abs. 6 FGO geheilt
Die Formunwirksamkeit der Revisionsschrift ist nicht nach § 52a Abs. 6 FGO geheilt. Trotz des Hinweises der Geschäftsstelle des BFH vom 25.1.2024 auf das fehlerhafte Dateiformat und auf die Unwirksamkeit des Eingangs wurde das fehlerhafte Dokument nicht in dem Dateiformat PDF nachgereicht.
Keine Wiedereinsetzung nach § 56 FGO
Angehörige der rechts- und steuerberatenden Berufe müssen in der Regel das Verfahrensrecht kennen. Hiervon ist im elektronischen Rechtsverkehr jedenfalls auch die Pflicht umfasst, die zu übermittelnden Dokumente in dem in § 2 Abs. 1 ERVV genannten zwingenden Dateiformat zu übermitteln. Eine Verletzung dieser Formvorschrift begründet grundsätzlich ein die Wiedereinsetzung nach § 56 FGO hinderndes Verschulden, da für solche Fälle bereits die Vorschrift des § 52a Abs. 6 FGO eine verschuldensunabhängige Heilung vorsieht.
Wiedereinsetzung ist auch nicht nach § 56 Abs. 2 Satz 4 FGO von Amts wegen zu gewähren. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die am 27.2.2024 im beBPo eingegangene Revisionsbegründungsschrift als Nachholung der Revisionseinlegung anzusehen ist und ob die Antragsfrist im Sinne des § 56 Abs. 2 Satz 1 und 4 FGO erst mit dem Datum begann, das in das elektronische Empfangsbekenntnis zum Schreiben der Geschäftsstelle vom 25.1.2024 eingetragen wurde. Die Nachholung der versäumten Handlung ersetzt lediglich den Wiedereinsetzungsantrag, nicht jedoch die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen, sodass einer Wiedereinsetzung das Verschulden der Prozessbevollmächtigten an der Einhaltung der Frist auch insoweit entgegensteht.
BFH, Urteil v. 30.8.2024, V R 1/24; veröffentlicht am 19.9.2024
Alle am 19.9.2024 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen