Der Zeitpunkt, zu dem Provisionsansprüche von Versicherungsvertretern zu aktivieren sind, bestimmt sich nach der Vertragsgestaltung im jeweiligen Einzelfall. Diese kann an das in § 92 Abs. 4 HGB geregelte gesetzliche Leitbild anknüpfen, muss dies aber nicht.

Wenn sich aus der maßgeblichen Provisionsregelung ergibt, dass ein Provisionsanspruch für ein vermitteltes Geschäft noch nicht entstanden ist, handelt es sich bei gleichwohl vom Auftraggeber vorgenommenen Auszahlungen lediglich um Provisionsvorschüsse. Diese sind beim Versicherungsvertreter als erhaltene Anzahlungen zu passivieren und daher zunächst noch nicht gewinnrealisierend.

Hintergrund: Gesetzliche Regelung

Bei Gewerbetreibenden, die Bücher führen und regelmäßig Abschlüsse machen, ist für Zwecke des Betriebsvermögensvergleichs für den Schluss des betreffenden Wirtschaftsjahres grundsätzlich das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist (§ 5 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 EStG). Gewinne sind nur zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB).

Rechtsfrage

Im Streitfall war zu entscheiden, zu welchem Zeitpunkt Provisionsforderungen aus einer Tätigkeit als Versicherungsvermittler unter Beachtung des § 92 Abs. 4 HGB zu aktivieren sind.

Sachverhalt

  • Der Kläger ist als Vermittler für ein Unternehmen (U) tätig, das Finanzprodukte vertreibt. Nach dem mit U geschlossenen „Vermögensberater-Vertrag“ hat er die Rechtsstellung eines Handelsvertreters i.S.d. §§ 92, 84 ff. HGB. Er vermittelt im Wesentlichen den Abschluss von Versicherungsverträgen. Die Gewinnermittlung erfolgte durch Betriebsvermögensvergleich.
  • Für seine Vermittlungstätigkeit erhält er eine ausschließlich erfolgsabhängige Vergütung in Form von Provisionen i.S.d. § 92 HGB. Für Verträge, bei denen Stornohaftungszeiten zu beachten sind, entsteht laut Vertrag der Provisionsanspruch erst, wenn der geworbene Kunde die nach den Provisionsbedingungen vorgesehene Anzahl an Beiträgen entrichtet hat.
  • Gleichwohl leistet U für die Vermittlung solcher Verträge auch vor dem rechtlichen Entstehen des Provisionsanspruchs auf freiwilliger Basis und im Wege der Vorfinanzierung Zahlungen an seine Vermittler. Diese sind jedoch laufzeitanteilig zurückzugewähren, wenn der vermittelte Vertrag vor Ablauf der Stornohaftungszeit aufgelöst wird. Zur Sicherung dieser vorfinanzierten Beträge nimmt U einen als „Rückstellung“ bezeichneten Einbehalt vor.
  • Im Rahmen einer Außenprüfung für die Jahre 2000 bis 2002 wurde zum 31.12.2002 eine Forderung auf Auszahlungen aus dem Provisionsrückstellungskonto gewinnerhöhend aktiviert.
  • Die gegen die entsprechenden Änderungsbescheide eingelegten Einsprüche wurden vom Finanzamt (FA) zurückgewiesen. Die Einspruchsentscheidung wurde bestandskräftig.
  • Bei einer weiteren Außenprüfung u.a. für die Streitjahre 2008 und 2010, vertrat der Prüfer erneut die Auffassung, die auf dem Provisionsrückstellungskonto ausgewiesenen Beträge seien zu aktivieren.

Während der Einspruchsverfahren gegen die entsprechend geänderten Bescheide reichte der Kläger geänderte Jahresabschlüsse für die Jahre 2002 bis 2010 ein, die das FA nicht berücksichtigte. In den Entscheidungen nahm das FA in Bezug auf die Forderung auf Vornahme weiterer Auszahlungen aus dem Provisionsrückstellungskonto gewinnwirksame Änderungen vor.

Im Klageverfahren begehrte der Kläger die für das Jahr 2008 vorgenommene Gewinnerhöhung auf die Differenz zum Forderungsbestand des Vorjahres zu mindern. Insbesondere sei die für das Jahr 2002 in der Prüferbilanz der Vor-Betriebsprüfung vorgenommene erfolgswirksame Nachaktivierung später niemals gewinnwirksam ausgebucht, sondern nur fortgeschrieben worden. Das Finanzgericht (FG) wies die Klagen ab.

Mit ihrer Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Ergänzend führen sie aus, entgegen der Annahme des FG diene das Rückstellungskonto nicht der Abwicklung, sondern der Sicherung ausgezahlter Provisionsvorschüsse. Das FA beantragt, die Revisionen zurückzuweisen. U.a. stehe der Annahme eines Sachaufklärungsmangels in Bezug auf das Rückstellungskonto die erhöhte Mitwirkungspflicht des Klägers entgegen.

Entscheidung: Provisionsvorschüsse haben noch keine gewinnrealisierende Wirkung

Die Revisionen sind begründet. Sie führen zur Aufhebung der angefochtenen Urteile und zur Zurückverweisung der Sachen zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.

Provisionsanspruch bei Versicherungsvertretern

Nach § 92 Abs. 4 HGB hat der Versicherungsvertreter Anspruch auf Provision, sobald der Versicherungsnehmer die Prämie gezahlt hat, aus der sich die Provision nach dem Vertragsverhältnis berechnet. Die Vorschrift regelt das Entstehen des Provisionsanspruchs. § 87a Abs. 4 HGB ordnet an, dass der Provisionsanspruch am letzten Tag des Monats fällig wird, in dem nach § 87c Abs. 1 HGB über ihn abzurechnen ist.

Wenn sich aus der Provisionsregelung ergibt, dass ein Provisionsanspruch für ein vermitteltes Geschäft noch nicht entstanden ist, handelt es sich bei den etwaigen gleichwohl vom Auftraggeber vorgenommenen Auszahlungen lediglich um Provisionsvorschüsse, die nach § 266 Abs. 3 Abschn. C.3 HGB als erhaltene Anzahlungen zu passivieren sind, also noch keine gewinnrealisierende Wirkung haben.

Zivilrechtlich kann vereinbart werden, dass Provisionsansprüche von Versicherungsvertretern ratierlich entsprechend den einzelnen Prämienzahlungen entstehen. Im Umfang der rechtlich noch nicht entstandenen Provisionsansprüche ist auch dann zunächst kein Gewinn realisiert.

Grundsätze zur Aktivierung eines Provisionsanspruchs

Der allgemeine bilanzsteuerrechtliche Grundsatz, dass Auszahlungen auf Forderungen, die rechtlich bisher nicht entstanden sind, noch keine Gewinnrealisierung bewirken, gilt bei allen Handelsvertretern, d.h. im gesamten Anwendungsbereich des § 87a Abs. 1 HGB. In Bezug auf Provisionsansprüche, die bisher weder entstanden noch ausgezahlt worden sind, ist beim Handelsvertreter keine Forderung zu aktivieren.

Demgegenüber ist ein Provisionsanspruch zu aktivieren, wenn er rechtlich entstanden ist und der Leistungsverpflichtete seine Verpflichtung wirtschaftlich erfüllt hat. Auf den Zeitpunkt der Fälligkeit und der tatsächlichen Auszahlung der Provisionsforderung kommt es für die ertragsteuerrechtliche Gewinnrealisierung nicht an. Daher ist ein Provisionsanspruch bereits dann zu aktivieren, wenn die maßgebende Vereinbarung vorsieht, dass der Provisionsanspruch schon mit Zahlung des ersten Monatsbeitrags durch den Versicherungsnehmer in vollem Umfang entsteht, selbst wenn die Fälligkeit in Anknüpfung an weitere Beitragszahlungen des Versicherungsnehmers hinausgeschoben wird.

Ist im konkreten Vertrag vereinbart, dass der Provisionsanspruch bereits entsteht, wenn der jeweils vermittelte Versicherungsvertrag zustande gekommen ist, ist der Anspruch in diesem Zeitpunkt zu aktivieren. Ist eine Provision bereits verdient und ertragsteuerrechtlich realisiert, muss das Risiko ihres späteren Verlusts je nach den Umständen über die Bewertung der Forderung erfasst werden oder es ist eine Rückstellung zu bilden; dabei handelt es sich um eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten.

Keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen seitens des FG getroffen

Mit den zuvor genannten Grundsätzen hat sich das FG nicht befasst und insbesondere auch keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen getroffen, die dem BFH eine eigene Entscheidung ermöglichen würden. So hat das FG allein auf Nr. IV Abs. 11 des „Vermögensberater-Vertrags“ abgestellt, der nur Fälle betrifft, in denen der Provisionsanspruch handelsrechtlich noch gar nicht entstanden ist und eine Provisionsforderung nicht aktiviert werden durfte. Es hat keine Feststellungen dazu getroffen, welche konkreten Provisionsvereinbarungen für die vom Kläger vermittelten Verträge in welchem Umfang galten. Vertragliche Vereinbarungen über das „Storno- bzw. Nachhaftungsrisiko“ sind vom FG nicht feststellt worden. Da es beim Kläger in jedem Jahr zu erheblichen Rückbelastungen von Provisionen aufgrund von Vertragsstornierungen gekommen ist, dürften es auch entsprechende Vereinbarungen zwischen Kläger und U gegeben haben.

Die Sachen waren daher zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.



BFH, Urteil v. 30.4.2025, X R 12-13/22
; veröffentlicht am 17.7.2025

Alle am 17.7.2025 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen