Einleitung
Im dritten Teil unserer Interviewserie gehen wir auf die Bedeutung einer effektiven Governance für die Operationalisierung der Transfer Pricing Policies ein. Neben transparenten Prozessen und aussagekräftigen Daten ist dieses die dritte Säule eines modernen Verrechnungspreismanagements.
Das Interview führte Michael Lison, Transfer Pricing Senior Manager bei Deloitte, mit Dr. Markus Rose, Transfer Pricing Partner bei Deloitte und Experte im Bereich Process Intelligence, Data Analytics und OTP.
Dr. Markus Rose stützt seine Aussagen dabei sowohl auf die jüngsten regulatorischen Entwicklungen im Bereich der Verrechnungspreise als auch auf eine aktuelle Marktumfrage unter über 125 OTP-Experten aus verschiedenen globalen Branchen. Diese OTP-Experten haben hierbei ihre spezifischen Erfahrungen aus den Bereichen Steuern/TP, Buchhaltung und Controlling einfließen lassen.
Markus, in den beiden vorherigen Interviews hast Du über die Bedeutung von transparenten Prozessen sowie aussagekräftigen und validierten Finanzdaten gesprochen. Als dritten relevanten Bereich hast du „Kontrollen und Governance“ definiert. Warum ist das Thema so bedeutend und wie fügen sich diese drei Bereiche zusammen?
Dr. Markus Rose: Wir haben bereits darüber gesprochen, dass in der heutigen digitalisierten Welt eine Steuer- und Finanzfunktion nur dann effizient ihre Aufgaben wahrnehmen kann, wenn sie über eine klar definierte Aufbau-/Ablauforganisation verfügt, die auf die notwendigen Daten und Informationen schnell zugreifen kann. Aber das reicht natürlich nicht aus. Ein starker Governance-Rahmen sollte den organisatorischen Aufbau unterstützen, so dass die Prozesse und Verantwortlichkeiten auch gelebt werden. Nur so kann ein Unternehmen die ordnungsgemäße Durchführung des Verrechnungspreislebenszyklus effizient sicherstellen. Das bedeutet im Einzelnen, dass mit sämtlichen TP-Stakeholdern die einzelnen Verantwortlichkeiten und Qualifikationsanforderungen abgestimmt sein müssen. Insbesondere in großen und komplexen Unternehmen mit mehreren Geschäftsmodellen, globalen Wertschöpfungsketten und zahlreichen Prozess- und Systemschnittstellen kann das eine große Herausforderung darstellen.
Das erklärt dann auch die von euch definierten drei Bestandteile und deren Zusammenspiel. Liegt die Verantwortung für die Definition und Implementierung des von dir angesprochenen Governance-Rahmen in der alleinigen Verantwortung der Steuerfunktion?
Nein. Verrechnungspreise sind nicht nur ein Steuerthema, sondern erfordern eine funktionsübergreifende Zusammenarbeit zwischen den Bereichen Steuern, Accounting, Controlling, IT und den Geschäftseinheiten, um ordnungsgemäß zu funktionieren und Synergien zu erzielen. Deshalb haben wir in unsere Umfrage auch diese Bereiche aktiv mit einbezogen.
Und wie war das Feedback, dass ihr von den Unternehmen erhalten habt?
Die befragten Unternehmen haben ein differenziertes Bild in der Umfrage an uns zurückgespielt. Kurz gesagt zeigt sich folgendes Bild:
- Eine beträchtliche Anzahl von Unternehmen hat einen stark dezentralen Ansatz für das Management der Verrechnungspreise
- Die überwiegende Mehrheit der Unternehmen hat keine klar definierten Aufgaben und Zuständigkeiten speziell für Verrechnungspreise
- TP-Schulungen spielen für die meisten Unternehmen eine untergeordnete Rolle
Das erscheint auf den ersten Blick für so ein wichtiges Thema überraschend – oder nicht?
Ja und nein. Lass‘ uns die Ergebnisse ein wenig genauer beleuchten:
Der organisatorische Ansatz für das Managen von Verrechnungspreisen hängt in der Praxis von verschiedenen Faktoren ab, z. B. von der Größe des Unternehmens, der Komplexität der konzerninternen Transaktionen und dem allgemeinen Managementansatz (z. B. zentral oder dezentral).
Dies spiegelt sich auch in den Umfrageergebnissen wider. Während die Mehrheit der Unternehmen (57 %) TP-bezogene Angelegenheiten in der Zentrale mit Unterstützung von lokalen Steuerteams managt, verfolgen 35 % der Unternehmen einen eher dezentralen Ansatz; entweder auf regionaler oder lokaler Ebene und nur mit geringer zentraler Unterstützung.
Ich verstehe – hängt das auch mit historisch gewachsenen Strukturen und deren individueller Arbeitsweise zusammen?
Das ist korrekt. Außerdem ist das Thema Transfer Pricing eng verflochten mit klar definierten Rollen und Aufgaben. Nur 23 % der Befragten gaben an, dass die TP-bezogenen Verantwortungen klar definiert und dokumentiert sind und diese auch entsprechend gelebt werden. 77 % sehen die Gefahr, dass in ihrer Organisation diese Rollen nicht klar sind und bei 19 % von diesen führt es häufig zu internen Diskussionen, um diese Unklarheiten zu beseitigen. Das ist ein stetiger Zeit- und Energiefresser.
Sind Schulungen dazu ein erfolgversprechendes Medium?
Ja, denn alleine das Aufschreiben und Abstimmen der Aufgaben (RACIs) entlang des TP-Lebenszyklus reicht häufig nicht. Die Organisation muss diese Rollen auch leben und da helfen regelmäßige und maßgeschneiderte Schulungen enorm.
Vor diesem Hintergrund ist es umso überraschender, dass 69 % der Teilnehmer keine Verrechnungspreis-Schulungen durchführen, um das Bewusstsein für Verrechnungspreise zu schärfen und die relevanten Stakeholder über wichtige Aspekte wie z. B. Verrechnungspreis-Prozesse, Rollen und Verantwortlichkeiten und wichtige Fristen zu informieren.
Immerhin gaben 28 % der Befragten an, sie seien sehr an solchen TP-spezifischen Schulungen interessiert, was insbesondere für Abteilungen interessant und wichtig sein könnte, die sich nicht täglich mit Verrechnungspreisthemen befassen. Das sind insbesondere die Geschäftsbereiche (z.B. für die Identifizierung von TP Sachverhalten) oder die Business-CFO-Organisation.
Reicht es also aus, die entsprechenden Kollegen zu identifizieren und entsprechend zu schulen?
Leider nicht, denn heutzutage muss ein Unternehmen darauf vorbereitet sein, dass Mitarbeiter intern oder extern wechseln und entsprechendes Know-How in der „alten“ Abteilung nicht mehr zur Verfügung steht. Das „Schlüsselpersonenrisiko“, also die Abhängigkeit von einigen wenigen Personen, die über spezielle Kenntnisse der Verrechnungspreisprozesse verfügen, wurde von den Befragten als besonders besorgniserregend eingestuft.
Der Umfrage zufolge sind sich 78 % der Unternehmen dieses Risikos bewusst und ergreifen aktiv Maßnahmen, um es zu mindern. Zu diesen Maßnahmen gehören die Erstellung von Schulungshandbüchern, die Förderung des Wissensaustauschs und natürlich auch die Automatisierung von Prozessen, um die Kontinuität im Falle eines Personalwechsels zu gewährleisten.
Vielen Dank für die detaillierten Einblicke in die Ergebnisse der Umfrage zum Thema Operational Transfer Pricing.
Ich danke dir für die Möglichkeit, die Ergebnisse unserer umfangreichen Studie vorzustellen.
Die Unternehmen und mit ihnen die Steuer- und Transfer Pricing Abteilungen befinden sich in einer Phase großer Unsicherheiten und Umstellungen. Eine funktionierende TP-Governance kann gerade in dieser Phase helfen, Risiken nachhaltig zu reduzieren und sollte nicht als weiteres Hindernis gesehen werden.