Ein von einem Anwalt eingereichter, offenkundig KI-generierter Schriftsatz stimmte vorne und hinten nicht. Auf unpassende Rechtsprechungszitate und Hinweise auf nicht existente Urteile reagierte ein Familienrichter höchst verärgert.

So nützlich die Zuhilfenahme von KI in der juristischen Praxis manchmal sein mag, Rechtsanwälte sollten Textvorschläge einer KI immer einer eigenen, kritischen Prüfung unterziehen. Mit vermeintlich zielführenden Zitaten aus Urteilen, die gar nicht existieren und offensichtlichen Fehlinterpretationen von Textstellen kann der Schuss sonst schnell nach hinten losgehen. Das zuständige Familiengericht in Köln bewertete die offensichtlich ungeprüfte Einreichung eines KI-generierten Schriftsatzes durch einen Anwalt als berufsrechtswidrig.

Anwälte müssen KI-Texte überprüfen

In einem familienrechtlichen Verfahren hatte ein Anwalt einen Schriftsatz offensichtlich mittels einer KI erstellen lassen, die nicht einmal Zugriff auf eine juristische Datenbank hatte. Der Schriftsatz enthielt frei erfundene Zitate aus nicht existenten Urteilen. Eine in Bezug genommene Monographie „Brons, Kindeswohl und Elternverantwortung“ war ebenso frei erfunden wie ein nicht existierender Aufsatz zum gleichen Thema in der FamRZ. An einer angegebenen Fundstelle fand der Familienrichter eine zum anhängigen Verfahren in keiner Weise passende Entscheidung des OLG Düsseldorf zu einem erbrechtlichen Thema.

Verletzung des Sachlichkeitsgebots

Der Familienrichter zeigte sich höchst verärgert und erließ einen Beschluss, in dem er die höchst schlampige Arbeitsweise des Anwalts rügte. Der Verfahrensbevollmächtigte führe durch seine Ausführungen den Leser in die Irre und beschädigte das Ansehen des Rechtsstaates sowie der Anwaltschaft. Auch berufsrechtliche Konsequenzen für den Anwalt schloss der Richter nicht aus. Der Anwalt habe durch seine Arbeitsweise das Sachlichkeitsgebot des § 43a Abs. 3 BRAO verletzt, wonach Anwälte die bewusste Verbreitung von Unwahrheiten zu unterlassen hätten.

Verstoß gegen die Wahrheitspflicht umstritten

Unter Juristen ist die Auslegung des Sachlichkeitsgebot in § 43a Abs. 3 BRAO und der damit zusammenhängenden, in § 138 ZPO normierten Wahrheitspflicht umstritten. Zum Teil wird die Auslegung des AG Köln unterstützt, wonach Unwahrheiten auch darin bestehen könnten, dass Anwälte sich zur Unterstützung ihrer Rechtsansicht in einem Verfahren vorsätzlich auf in Wahrheit nichtexistierende „halluzinierte“ Gerichtsentscheidungen beziehen. Die überwiegende Meinung bewertet solche Darlegungen allerdings nicht als Verstoß gegen die Wahrheitspflicht. Begründung: Die Wahrheitspflicht beziehe sich lediglich auf bewusst unrichtige Tatsachenbehauptungen, nicht aber auf Rechtsauffassungen, die ihrer Natur nach weder wahr noch unwahr sein könnten.

Prozessbetrug durch erfundene oder unrichtige Zitate?

Eine noch strengere Auffassung bewertet einen ungeprüft per KI generierten und bei Gericht eingereichten Schriftsatz mit unrichtigen Zitaten sogar als versuchten Prozessbetrug gemäß § 263 StGB. Habe der Anwalt die Absicht, das Gericht durch erfundene Zitate zu täuschen und auf diese Weise der von ihm vertretene Prozesspartei einen Vorteil zu verschaffen, so könne hierin eine Täuschung im Sinne des Betrugstatbestandes liegen.

Rückgriff auf KI kann Verschwiegenheitspflicht verletzen

Problematisch kann auch die Verletzung der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht im Fall des Rückgriffs auf eine öffentlich zugängliche KI sein. Die Eingabe von sensiblen Daten in eine allgemein zugängliche KI, die Rückschlüsse auf ein konkretes Mandatsverhältnis zulässt, kann einen Verstoß gegen die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht gemäß § 43a Abs. 2 BRAO beinhalten. Fazit: Die von einer KI präsentierten Ergebnisse bei der Recherche von Rechtsprechungs- oder sonstigen Zitaten bedürfen immer einer fachlichen, kritischen Überprüfung durch den Anwalt.

AG Köln, Beschluss v. 2.7.2025, 312 F 130/25