Die Einräumung oder der Vorbehalt von Nießbrauchsrechten an vermieteten Grundstücken des Privatmögens erfolgt in der Besteuerungspraxis nicht nur im Rahmen einer vorweggenommenen Erbregelung, sondern häufig auch zur optimaleren Gestaltung der steuerlichen Verhältnisse. Die betrifft insbesondere die Verlagerung der Einkunftsquelle Vermietung und Verpachtung von hoch besteuerten Eigentümern auf niedrig besteuerte Nutzungsberechtigte. Aber auch im gewerblichen Bereich sind Nießbrauchsbestellungen sowie Nießbrauchsvorbehalte an Grundstücken des Betriebsvermögens feststellbar.
Unentgeltlich bestellter Zuwendungsnießbrauch an Grundstücken des Privatvermögens
Die Einräumung (Zuwendung) eines Nießbrauchs an einer vermieteten Immobilie führt einkommensteuerlich zum Übergang der Einkünfteerzielung vom Eigentümer auf den Nießbraucher, dem nunmehr die von ihm zu versteuernden Erträge aus dem Objekt zufließen. Steuergestalterisch ist dies dann interessant, wenn der Eigentümer der Immobilie einer hohen Steuerbelastung unterliegt, aus dem Objekt positive Einkünfte erzielt und diese nun z.B. auf einen Abkömmling verlagern will, der entweder einer deutlich niedrigeren Steuerbelastung unterliegt oder mangels anderer Einkünfte bislang sogar nicht steuerpflichtig ist.
Bei derartigen Überlegungen ist jedoch zu beachten, dass sich die beim Eigentümer und Nießbrauchsbesteller verbleibende Gebäudeabschreibung steuerlich nicht mehr auswirken kann, denn er erzielt keine Einkünfte mehr, sodass die Gebäude-AfA endgültig verloren geht. Da zwischenzeitlich jedoch zunehmend ältere Vermietungsobjekte vollständig abgeschrieben sind, ist auch die Vereinbarung eines Zuwendungsnießbrauchs in der Besteuerungspraxis häufiger anzutreffen.
Um derartige Nießbrauchsvereinbarungen optimal steuersicher zu gestalten, sollten die nachfolgenden Hinweise unbedingt beachtet werden. Außerdem sind bei Nießbrauchsbestellungen an Grundstücken des Betriebsvermögens Besonderheiten zu beachten.
Anforderungen an die steuerliche Anerkennung
Soll das Nießbrauchsrecht einem minderjährigen Kind eingeräumt werden, ist unbedingt zu beachten, dass bei Vertragsabschluss ein Abschlussergänzungspfleger mitwirken muss (BFH, Urteil v. 13.5.1980, VIII R 75/79). Denn nur eine zivilrechtlich wirksame Bestellung ist auch steuerrechtlich anzuerkennen. Dagegen ist eine Dauerergänzungspflegschaft nicht erforderlich (BFH, Urteil v. 13.5.1980, VIII R 63/79).
Das Nutzungsrecht muss nicht nur zivilrechtlich wirksam vereinbart, sondern auch tatsächlich durchgeführt werden. Bei einem Zuwendungsnießbrauch an einem vermieteten Objekt ist es daher zwingend erforderlich, dass den Mietern die Vermieterstellung des Nießbrauchers anzuzeigen ist und dass die Mietzahlungen nunmehr an den Nießbraucher zu leisten sind. Vertreten Eltern ihre minderjährigen Kinder, müssen die Willenserklärungen im Namen der Kinder abgegeben werden (BFH, Urteil v. 13.5.1980, VIII R 63/79). Werden aufgrund der Nutzungsrechtsbestellung lediglich die Erträge an den Nießbrauchsberechtigten abgeführt, steht dies in aller Regel der steuerlichen Anerkennung entgegen. Unschädlich ist dagegen, wenn ein minderjährigen Kindern eingeräumter Nießbrauch jederzeit frei widerrufbar ist (BFH, Urteil v. 19.11.2003, IX R 54/00).
Die Zuwendung eines zur Vermietung berechtigenden Nutzungsrechts muss nicht unbedingt in die Form eines Nießbrauchs gekleidet sein, vielmehr kann sie auch konkludent vereinbart werden (BFH, Urteil v. 29.9.2021, IX R 2/21). Der BFH hat entschieden, dass eine klare Trennung der verschiedenen Vermögensbereiche vorliegen muss und dies aufgrund eines zivilrechtlich wirksamen Vertrags erfolgt, den die Beteiligten auch entsprechend den getroffenen Vereinbarungen tatsächlich durchführen. Dies kann auch auf der Grundlage eines bloß schuldrechtlichen Nutzungsrechts geschehen, etwa weil der Grundstücksnießbrauch nicht im Grundbuch eingetragen oder von vornherein nur schuldrechtlich begründet wurde.
Zu beachten ist, dass bei einem dinglich wirksam bestellten befristeten Nutzungsrecht der Fristablauf zivilrechtlich zu dessen Erlöschen kraft Gesetzes führt. Bei einem schuldrechtlichen Nutzungsrecht enden dagegen die Rechtswirkungen mit dem Eintritt der Bedingung (Zeitablauf), indem der frühere Rechtszustand grundsätzlich wieder hergestellt wird (§ 158 Abs. 2, § 163 BGB). Soll das befristete schuldrechtliche Nutzungsrecht auch nach Fristablauf weiter bestehen, reicht es aus, wenn ein Fortbestehen aufgrund einer ausdrücklichen oder konkludent getroffenen Vereinbarung auch für den Zeitraum nach Ablauf der (Bedingungs-)Frist anzunehmen ist.
Gestaltungsmissbrauch bei Gestaltungen mit Kindern
Grundsätzlich gilt, dass die unentgeltliche Bestellung eines Nießbrauchsrechts an einem Mietwohngrundstück zugunsten eines minderjährigen Kindes keinen Gestaltungsmissbrauch im Sinne von § 42 AO darstellt, sondern zur Zurechnung der Vermietungseinkünfte beim Kind führt, wenn das Nießbrauchsrecht zivilrechtlich wirksam bestellt und tatsächlich durchgeführt wird, insbesondere, wenn das Kind, vertreten durch die Eltern, als Vermieter auftritt (BFH, Urteil v. 25.4.1995, IX R 41/92). Denn es steht Eltern frei, zu entscheiden, ob sie zum Zwecke der Gewährung von Unterhalt dem Kind Barmittel überlassen oder sie ihm – auch befristet – die Einkunftsquelle selbst übertragen, ohne dass dies den Bereich des Gestaltungsmissbrauchs tangiert (FG Baden-Württemberg, Urteil v. 13.12.2016, 11 K 2951/15).
Gestaltungsmissbrauch bei Mietverträgen
Auch die gleichzeitige Vereinbarung eines Nießbrauchs und eines Mietvertrags ist dann nicht missbräuchlich und damit steuerrechtlich anzuerkennen, wenn das dingliche Nutzungsrecht lediglich Sicherungszwecken dient und nicht tatsächlich ausgeübt wird (BFH, Urteil v. 3.2.1998, IX R 38/96). Denn die Bestellung eines Sicherungsnießbrauchs macht es dem Grundstückseigentümer nicht unmöglich, dem Nießbrauchsberechtigten aufgrund eines Mietvertrages den Gebrauch des Grundstücks zu gewähren. Dies wäre erst dann der Fall, wenn der Begünstige seinen Nießbrauch tatsächlich ausüben würde. Außerdem ist es in der Regel nicht unangemessen, ein Grundstück unter gleichzeitiger Vereinbarung eines Mietvertrages mit dem vormaligen Eigentümer zu übertragen.
Mietrechtliche Gestaltungen sind jedoch dann unangemessen im Sinne von § 42 AO, wenn derjenige, der einen Gebäudeteil für eigene wirtschaftliche Zwecke benötigt, einem andern daran die wirtschaftliche Verfügungsmacht einräumt, um ihn anschließend wieder zurückzumieten (BFH, Urteil v. 9.10.2013, IX R 2/13). Bestellen daher Eltern ihrem Kind unentgeltlich einen zeitlich bis zum 27. Lebensjahr befristeten Nießbrauch an einem Grundstück, welches das Kind anschließend an die Eltern zurückvermietet, greift § 42 AO (BFH, Urteil v. 18.10.1990, IV R 36/90). Denn das Ziel einer derartigen Gestaltung besteht darin, dem Kind laufend Geldbeträge zuzuwenden, die nach § 12 Nr. 2 EStG grundsätzlich nicht abzugsfähig sind, aufgrund der Gestaltung nun jedoch bei den Eltern zu abziehbaren Betriebsausgaben oder Werbungskosten führen würden (BFH, Urteil v. 23.4.1992, IV R 46/91).
Gestaltungsmissbrauch hat der BFH jedoch in einem Fall verneint, in dem es um die Bestellung eines zeitlich begrenzten Nießbrauchs zugunsten minderjähriger Kinder an einem langfristig an die elterliche GmbH vermieteten Grundstück ging (BFH, Urteil v. 20.6.2023, IX R 8/22). Er entschied, dass die zeitlich befristete Übertragung der Einkunftsquelle Vermietung und Verpachtung durch unentgeltliche Bestellung eines befristeten Nießbrauchsrechts nicht missbräuchlich im Sinne von § 42 AO ist, wenn dem Zuwendenden, von der Verlagerung der Einkunftsquelle abgesehen, kein weiterer steuerlicher Vorteil entsteht.
§ 42 AO findet auch keine Anwendung, wenn auf die Ausübung eines im Zusammenhang mit einer Grundstücksübertragung eingeräumten unentgeltlichen Wohnrechts verzichtet und stattdessen zwischen dem Übertragenden und dem neuen Eigentümer des Grundstücks ein Mietvertrag abgeschlossen wird. Denn die Eigentumsübertragung einerseits und die anschließende Vermietung andererseits sind jeweils zivilrechtlich und wirtschaftlich getrennt und deshalb auch steuerrechtlich grundsätzlich unabhängig voneinander zu beurteilen. Außerdem ist ein Nebeneinander von Wohnungsrecht und Mietvertrag zivilrechtlich zulässig und steuerrechtlich nicht zu beanstanden, da über dieselbe Wohnung ein Mietvertrag und gleichzeitig oder auch nachträglich ein dingliches Nutzungsrecht bestellt werden kann. Hieraus folgt, dass ein Nebeneinander von Mietvertrag und Wohnungsrecht der steuerlichen Berücksichtigung des Mietvertrags nicht entgegen steht (BFH, Urteil v. 17.12.2003, IX R 60/98).
Anders ist dies jedoch, wenn ein im Zusammenhang mit einer Grundstücksübertragung eingeräumtes, unentgeltliches Wohnungsrecht gegen Vereinbarung einer dauernden Last aufgehoben und gleichzeitig ein Mietverhältnis mit einem Mietzins in Höhe der dauernden Last vereinbart wird. Denn dieses Vertragsgeflecht stellt den Verzichtenden im Ergebnis so, wie er stünde, wenn die vertraglichen Vereinbarungen auf der Nutzungsebene nicht abgeschlossen worden wären und er unverändert sein Nutzungsrecht ausüben würde. Bei einer solchen Sachlage nimmt der BFH Gestaltungsmissbrauch an (BFH, Urteil v. 17.12.2003, IX R 56/03).
Zahlungen zur Ablösung eines entgeltlich bestellten Nießbrauchs können dann gestaltungsmissbräuchlich sein, wenn sie allein der Zuwendung von Geldmitteln für den Unterhalt und die Vermögensbildung minderjähriger Kinder dienen (BFH, Urteil v. 6.7.1993, IX R 112/88).
Steuerliche Rechtsfolgen beim Nießbraucher
Bei einer unentgeltlichen Zuwendung des Nießbrauchs kann der Nießbraucher das unentgeltlich erworbene Nutzungsrecht mangels Anschaffungskosten nicht abschreiben (BFH, Urteil v. 24.4.1990, IX R 9/86). Er ist jedoch insoweit zur Abschreibung befugt, als er selbst Herstellungskosten getragen und gegenüber dem Eigentümer einen Anspruch auf Kostenersatz nach Beendigung des Nutzungsrechts hat (BFH, Beschluss v. 24.9.2003, IX B 95/03). Aufwendungen des Nießbrauchers zum Erwerb des Eigentums betreffen jedoch die Vermögensebene und führen daher nicht zum Werbungskostenabzug (BFH, Urteil v. 17.8.2005, IX R 27/03).
Entgeltlich bestellter Zuwendungsnießbrauch an Grundstücken des Privatvermögens
Ein entgeltlich eingeräumter Zuwendungsnießbrauch wird wie eine Grundstücksvermietung des Eigentümers an den Nießbraucher behandelt. Der Eigentümer erzielt in Form des für die Nießbrauchsbestellung gezahlten Entgelts Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Dabei kann das Entgelt, sofern der Nießbrauch über einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren vereinbart wurde, insgesamt auf den Zeitraum gleichmäßig verteilt werden können, für den die Vorauszahlung geleistet wird (§ 11 Abs. 1 Satz 3 EStG). Aufgrund der Einkunftserzielung kann der Eigentümer nun auch die Gebäudeabschreibung sowie die von ihm kraft vertraglicher oder gesetzlicher Verpflichtung übernommenen Aufwendungen als Werbungskosten absetzen.
Der Nießbraucher ist zum Abzug der von ihm (kraft vertraglicher oder gesetzlicher Verpflichtung) getragenen Aufwendungen berechtigt. Hinsichtlich des gezahlten Entgelts für die Nießbrauchseinräumung kommt § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG zur Anwendung. Danach ist wie folgt zu verfahren:
- Wird das Nießbrauchsrecht für nicht mehr als fünf Jahre vereinbart, sind Einmalzahlungen sofort als Werbungskosten abziehbar.
- Einmalzahlungen für ein Nießbrauchsrecht, dessen Laufzeit mehr als fünf Jahre beträgt, sind auf den Zeitraum gleichmäßig zu verteilen, für den sie geleistet werden.
- Bei Einräumung des Nießbrauchs auf die Lebenszeit des Berechtigten oder einer anderen Person sind die Aufwendungen auf die mutmaßliche Lebenszeit dieser Person zu verteilen, sofern diese mehr als fünf Jahre beträgt (BMF, Schreiben v. 30.9.2013, BStBl 2013 I S. 1184 Rz. 26).
Kostentragung beim Zuwendungsnießbrauch an Grundstücken des Privatvermögens
Sowohl bei Vereinbarung eines unentgeltlichen als auch bei Vereinbarung eines entgeltlich bestellten Nießbrauchsrechts sind die (getroffenen oder nicht getroffenen) Kostentragungsregelungen für eine steueroptimale Gestaltung von besonderer Bedeutung.
Hinsichtlich der Tragung von (auch größeren) Instandsetzungsaufwendungen sollte sich der Nießbraucher unbedingt vertraglich zur Übernahme sämtlicher, das Objekt betreffender Kosten verpflichten. Sollte dies nicht der Fall sein, hat dies Auswirkungen auf den steuerlichen Abzug größerer Instandsetzungsaufwendungen. Denn der Nießbraucher ist nach § 1041 BGB nur verpflichtet, für die Erhaltung der Sache in ihrem wirtschaftlichen Bestand zu sorgen. Ausbesserungen und Erneuerungen obliegen ihm nur insoweit, als sie zur gewöhnlichen Unterhaltung der Sache gehören. Trägt er dagegen größere Instandsetzungsaufwendungen, ist er hierzu zwar berechtigt (§ 1043 BGB), erlangt dadurch jedoch i.d. Regel einen Anspruch auf Kostenerstattung gegenüber dem Eigentümer (§ 1049 BGB i.V.m. §§ 677ff BGB). Macht er diesen nicht geltend, liegt in der Tragung des größeren Aufwands eine steuerlich unbeachtliche Zuwendung (§ 12 EStG) an den Eigentümer vor mit der Folge, dass der Nießbraucher die Aufwendungen nicht steuermindernd absetzen kann.
Der Nießbraucher ist somit nur dann zum steuermindernden Abzug größerer Instandsetzungsaufwendungen berechtigt, wenn er sich abweichend von der Regelung des § 1041 BGB vertraglich zur Übernahme derartiger Aufwendungen verpflichtet. Diese Nebenabrede muss, wenn sie zwischen nahen Angehörigen erfolgt, klar und eindeutig getroffen und tatsächlich durchgeführt werden (BFH, Urteil v. 9.3.1993, IX R 96/89). Ist dies der Fall, sind die größeren Instandsetzungsaufwendungen beim Nießbraucher auch steuerlich berücksichtigungsfähig (BFH, Urteil v. 24.6.2009, IV R 20/07).